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26. Truchtelfingen,


Gemeinde III. Klasse, Pfarrdorf, mit Mühle, 927 Einw., worunter 4 Kath., welche nach Lautlingen eingepfarrt sind, und 5 eigener Konfession.

In einer Biegung des wiesenreichen Schmiechthals, von den schön gestalteten Höhen des Braunhardsbergs und des Burgstalls überragt, liegt auf beiden Seiten des bescheidenen, doch manchmal austretenden Flusses der ziemlich weitläufige, freundliche Ort mit guten, chaussirten und gekandelten, reinlich gehaltenen Straßen und meist sauber getünchten, zum Theil alterthümlichen Häusern.

Die Kirche steht am Nordostende des Orts, von dem etwas ansteigenden, wohl ummauerten und gut gehaltenen Kirchhof umgeben, der noch ein gothisches Eingangsthor zeigt.

Gegen Westen springt ein hübscher, oben ins Achteck übergehender, von einem niederen Zeltdach bedeckter Thurm vor, daran schließt sich das einfach oblonge Kirchhaus mit viereckigen Fenstern, in der jetzigen Gestalt aus dem Jahr 1732 stammend. Das Innere ist freundlich, mit hübsch getäfelter, flacher Decke; auch die Emporen in guter Holzarbeit auf zierlichen Säulen „erbaut durch Jo. Mich. Romminger, Zimmermeister in Ebingen 1739“, wie an der Brüstung steht; die Kanzel in ähnlichem Stil. Der Taufstein ist alt, gothisch. Ein altes, messingenes Taufbecken mit Adam und Eva (deutsche Renaissance) und ein hübscher vergoldeter Kelch sind vorhanden. Von den 3 Glocken des Thurmes sind zwei aus neuerer Zeit (1770 und 1843); die dritte, uralt, zeigt in lateinischen Majuskeln eine nicht zu deutende, anscheinend einen stark abgekürzten lateinischen Text gebende Inschrift. Die Kirche ist von der Stiftung zu unterhalten.

Ganz in der Nähe der Kirche am Bach, vom Hof und Garten umgeben, liegt das freundliche, 1832 erbaute Pfarrhaus, dessen Baulast der Staat hat. Das gleichfalls benachbarte, an der Straße nach Thailfingen frei liegende Schulhaus von 1871 ist ein eleganter, stattlicher Bau. Es enthält 2 Lehrzimmer, die noch um ein drittes vermehrt werden können und die Wohnung des Schullehrers, der gegenwärtig allein unterrichtet, indeß eine Stelle unbesetzt ist.

| Das Rathhaus wurde 1850 eingerichtet. Sonst ist von öffentlichen Gebäuden nur noch die frühere Zehntscheuer vorhanden, welche als Schafhaus dient.

Die Markung ist reich an den besten Quellen, daher nie Wassermangel. Eine kurze, hölzerne Leitung speist 4 laufende Brunnen; daneben noch 3 Privatpumpbrunnen und 1 Schöpfbrunnen.

Durch den Ort führt die Staatsstraße von Ebingen nach Hechingen und geht über eine hölzerne Schmiechbrücke, während die Gemeinde 3 steinerne Brücken besitzt und zu unterhalten hat.

Die kräftigen, an harte Arbeit gewohnten Einwohner erreichen selten ein hohes Alter; doch sind zwei über 80 Jahre alt. Fleiß, Ordnungssinn, Sparsamkeit und Kirchlichkeit herrschen bei ihnen vor. Die Volkstracht (Bändelhäubchen) verschwindet allmählich.

Ohne großen Reichthum Einzelner ist doch der Nahrungsstand der Einwohner durch ihren Fleiß gesichert. Der Vermöglichste besitzt 50, der Mittelmann 20, der Ärmere 11/2 Morgen Feld. Wenige Güterstücke liegen auf Ebinger Markung.

Das Gewerbe ist nicht gerade bedeutend. Maurer und Zimmerleute arbeiten nach außen. Durch Handschuhnähen wird viel verdient. 4 Schildwirthschaften und 2 Krämer sind vorhanden; ferner 1 Mühle mit 2 Mahl- und 1 Gerbgang, samt Hanfreibe.

Die ziemlich ausgedehnte, namentlich von Ost nach West gestreckte Markung ist, von der schmalen Thalsohle abgesehen, durchaus bergig. Aus den Zersetzungen des unteren, mittleren und oberen weißen Jura bestehend, ist ihr Boden vorwiegend schwer, kalt, tiefgründig, in der Höhe steinig und seicht, doch mit Lehm- und Quarzsandlagern, welche, wie ein Kalksteinbruch, ausgebeutet werden, im Thalgrund torfig, im Ganzen mittelfruchtbar. Frühere Erzgruben sind verlassen. Einige Erdfälle und kleine Höhlen finden sich.

Dinkel, Haber und Kartoffeln gedeihen gut, Bohnen schwach, Gurken nicht.

Das Klima ist rauh, dem Nordwind ausgesetzt; Hagelschlag zuweilen, Gewitter häufig, der Braunhardsberg gilt als Wetterscheide.

Der Ackerbau wird eifrig und mühselig betrieben. Mit Gips, Hallerde, Asche verbessert man den Boden. Die Jauche wird allmählich sorgfältiger gesammelt. Als Pflüge hat man eiserne Wendepflüge; auch einige eiserne Eggen und viel Walzen.

| Der Betrieb geschieht in der Dreifelderwirthschaft, und etwas über die Hälfte der Brache wird mit Ackerbohnen, Klee, Futterwicken, Kartoffeln eingebaut. Auch Flachs und Hanf wird für den Hausbrauch gezogen. Die Getreidearten sind die gewöhnlichen: besonders Dinkel, Haber, Mischelfrucht. Von Futterkräutern herrschen Klee und Esper vor. Von 12 Sri. Dinkel, welche auf den Morgen gesät werden, erntet man 8 Schffl., von 4 Sri. Gerste 5–6 Schffl., von 6 Sri. Haber 6 Schffl. Ausfuhr und Einfuhr dürften sich die Wage halten. Von Dinkel werden circa 100, von Haber circa 300 Schffl. ausgeführt.

Der Wiesenbau ist ausgedehnt, aber weil meist auf den trockenen Bergen, nicht besonders erträglich und das Erzeugnis mittelmäßig. Es gibt ein-, zwei- und dreimähdige Wiesen, im Thal werden 30–40 Morgen bewässert. Man rechnet auf den Morgen 20 Ctr. Heu, 15 Ctr. Öhmd. Einiges Futter wird zugekauft.

Der Gemüsebau ist nicht unbedeutend (namentlich Kraut), doch nur für den eigenen Bedarf. Die Obstzucht gering, doch im Zunehmen; nur rauhere Sorten gedeihen. Gemeindebaumschule und Baumwart sind vorhanden. Der Ertrag steht größtentheils noch aus.

Die Gemeinde besitzt 800 Morgen Laubwald, welche (der schlagbare Morgen) jährlich 2 Kl. und 60 Wellen abwerfen, wovon der Bürger gewöhnlich 3 Raummeter erhält, 1500 bis 2000 M. der Gemeindekasse zu gut kommen.

Die circa 900 Morgen guter Schafweide werden von fremden Schäfern befahren und ertragen der Gemeinde 2300 M. an Pacht, eben so viel an Pferchnutzung.

Jeder Bürger hat etwa 3 Vierling Allmand, ohne Zins. Einige Wiesen sind für die Gemeindefarren reservirt.

Die Pferdehaltung ist gleich null; dagegen die Rindviehzucht von Bedeutung; Simmenthaler Kreuzung, wofür die Gemeinde 4 Farren, 3 ächte und 1 gemischten hält.

Stallfütterung ist allgemein. Das Aufziehen von Jungvieh bildet einen eigentlichen Erwerbszweig.

Die Schafzucht wird nur von fremden Schäfern getrieben, welche im Vorsommer 1200, im Nachsommer 500 Stück laufen lassen.

Schweinemastung geschieht meistens zum Verkauf.

| Ziegen- und Geflügelzucht, sowie Bienenzucht sind nicht von Belang.

An besonderen Armenstiftungen sind etwa 600 fl. vorhanden.

Parzelle:

Mühle an der Schmiecha, 5 Minuten nördlich vom Ort.
Der Ort, dessen Name früher Truhtolfinga, Truhtolvingin, Truhtelwingen, Truhtelfingen, geschrieben wurde und von dem Personennamen Tructolf abzuleiten ist (Förstemann a. a. O. 2, 486), kann in älterer Zeit nicht immer mit Sicherheit von der nur 4 Stunden davon entfernten Stadt Trochtelfingen, (hohenzoller. OA. Gammertingen) unterschieden werden und darf auch nicht mit dem, nur wenig weiter gelegenen Trillfingen, alt Truhelfingen (hohenzoller. OA. Haigerloch) verwechselt werden.[1] Das erste Mal wird er erwähnt, als Kaiser Otto I. den 1. Jan. 950 die von seinem Sohn, Herzog Ludolf von Schwaben, und seiner Gemahlin Ida zum Andenken an den Vater der letzteren, Herzog Hermann II. von Schwaben, dem Kloster Reichenau gemachte Vergabung von Gütern in Truhtolfinga bestätigte (Wirt. Urkb. 1, 211). Er gehörte zur zollerischen Herrschaft Schalksburg und kam mit ihr den 3. Nov. 1403 an Württemberg (S. 279). – Außerdem war Kloster St. Gallen schon frühe hier begütert und waren die Grafen von Zollern zum Theil mit dem Gut des Klosters belehnt (vergl. S. 387); beträchtlicher Besitz des Klosters wird namentlich ums Jahr 1200 genannt und noch im Verkaufsbriefe des J. 1403 wird der hiesige Fronhof als zollerisches Lehen vom Kloster aufgeführt. – Weiter erhielt Kloster Margrethausen den 2. März 1375 von Heinrich Schönloch von Meßkirch, Leutpriester zu St. Margrethen, das hiesige sog. Knoblochsgut geschenkt, welches Ritter Hans von | der Alten-Thierberg den 26. August 1372 um 33 Pfd. Hllr. an den Schenker verkauft hatte (St.A.). – Einen Theil des hiesigen Laienzehnten verkaufte Hans von Hornstein im J. 1379 um 541/2 Pfd. Hllr. an den Rottweiler Bürger Hainz Pfaff von Ebingen, dieser aber den 21. Juli 1389 um 90 fl. an St. Johanns Altar in U. L. Fr. Kapelle zu Ebingen (St.A. – Vergl. S. 439). Das im Beuroner Urbar aus dem 14. Jahrhundert erwähnte Trutelvingen (Alemannia 8, 196) dürfte wohl dieses Truchtelfingen sein.

Der Ort zählte im J. 1739: 493, 1841: 915, 1846: 941, 1854: 946 Seelen; vom 20. September 1596 bis 6. Jan. 1597 starben 170 Personen dahier an der Pest (Ortschronik).

Eine Mechthilde von Truchtelfingen (? oder Trochtelfingen) war unter den Begründerinnen der Klause Margrethausen.

In kirchlicher Hinsicht wird bereits in einem ums J. 1200 zu setzenden Verzeichnis St. gallischer Patronatspfarreien Truhtolvingin und im J. 1275 ein hiesiger Pfarr-Rektor erwähnt, der zugleich auch Roßwangen (OA. Rottweil), Aggenhausen (OA. Spaichingen) und Frohnstetten (zoller. OA. Gammertingen) besaß (S. 228). Der Kirchensatz bildete wohl einen Bestandtheil des (S. 387) erwähnten St. gallischen Frohnhofs. – Den 31. März 1470 vergliechen sich der Kirchherr zu Truchtelfingen einer- und Amtmann, Richter und ganze Gebauerschaft des Dorfes Thailfingen andererseits wegen strittiger Zehnten.


  1. So dürften bei einer Schenkung von Gütern zu Truochtelvingen an Kl. Mariaberg (OA. Reutlingen) vom 26. Dez. 1288 bezw. 1297 (Sattler Gr. 2. Aufl. 1, 21 und Beil. Nr. 13; Monum. Hohenb. 133) die Erwähnung auch Steinhilbens – indem Trochtelfingen und Steinhilben unmittelbar neben einander liegen und Mariaberg von beiden kaum 1 Stunde entfernt ist – und bei einem Vergleiche über ein Gut zu Truchtelfingen vom J. 1328 (Schmid. Pfalzgrafen 414. Urk. 157) der Umstand, daß der eine Theil der Paciscenten Tübinger Pfalzgrafen waren, deren Familie Trochtelfingen einige Zeit gehörte, für die Beziehung auf Trochtelfingen maßgebend sein.


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