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Ober-Weissach.

Gemeinde III. Kl. mit 408 Einw., wor. 3 Kath. a. Ober-Weissach, Dorf, 234 Einw., b. Kammerhof, Hof, 24 Einw., c. Wattenweiler, Weiler, 150 Einw. – Ev. Filial von Unter-Weissach; die Kath. sind nach Ebersberg eingepfarrt. 11/2 Stunden südöstlich von der Oberamtsstadt gelegen.

Der nicht umfangreiche, aber wohlgehaltene Ort liegt mit seinen meist kleinen Häusern an einem gegen Norden sanft geneigten Hange des friedlichen westwärts ziehenden Weissachthales; die hier in viele flache Hügelwellen zertheilte Gegend ist meist von fruchtbarem Ackergrund bedeckt, die Thälchen und Mulden sind meist erfüllt mit Obstbaumpflanzungen und an den steileren gegen Süden geneigten Gehängen werden Weinreben gebaut.

Kirche und Begräbnißplatz befinden sich in Unter-Weissach.

Das Schulhaus wurde 1817 angekauft und enthält neben den Schulgelassen die Wohnung des Schulmeisters. Ein Gemeinderathszimmer ist in einem Privathause gemiethet. Eine Kelter mit einem Baum besteht.

Gutes Trinkwasser liefern hinreichend 15 Pump- und 11 Schöpfbrunnen; auch die Markung ist reich an guten Quellen, von Bächen fließen darüber die Weissach und einige Nebenbäche.

Eine Wette ist im Ort angelegt.

Vicinalstraßen gehen von hier nach Unter-Weissach, Höhnweiler, Cottenweiler und Bruch. Drei steinerne Brücken, ein steinerner und ein hölzerner Steg bestehen und sind von der Gemeinde zu unterhalten.

Die im allgemeinen geordneten und fleißigen Einwohner sind ein gesunder Menschenschlag; ihre Haupterwerbsquellen bestehen in Feldbau, Viehzucht, auch Wein- und Obstbau.

Eine Schildwirthschaft und ein Kramladen sind vorhanden.

Die Vermögensverhältnisse gehören zu den mittleren: der reichste Bürger besitzt 40, der Mittelmann 16, die ärmere Klasse 1–4 Morgen Feld; dann besitzen einzelne Bürger etwas Laubwald, zusammen 20 Morgen. Auf angrenzenden Markungen haben sie ziemlich viele Grundstücke angekauft.

Die nicht große, flachwellige, von vielen kleinen Thälchen durchzogene Gemeindemarkung, die im südlichen Theil einen bewaldeten Bergabhang bildet, hat einen fruchtbaren Lehmboden, der gegen den waldigen, dem Keuper angehörenden Bergabhang hin allmählig schwerer und thoniger wird. Der Weinbau wird auf den unteren Keupermergeln getrieben. Ein Werksteinbruch besteht.

Das Klima ist mild und Hagelschlag kommt selten vor.

Die Landwirthschaft wird gut und fleißig betrieben und von verbesserten Ackergeräthen hat der Brabanter Pflug allgemein Eingang | gefunden; auch einige eiserne Eggen und Walzen sind vorhanden. Zum Anbau kommen Dinkel, Haber, Einkorn, wenig Gerste und Roggen, Kartoffeln, Futterkräuter, Ackerbohnen, dann etwas Reps, Flachs, Hanf und Hopfen. Nach außen (meist auf dem Backnanger Fruchtmarkt) können 300–400 Scheffel Dinkel jährlich verkauft werden.

Der Wiesenbau ist ausgedehnt und liefert ein mittelgutes Futter. Die Wiesen sind ein- und zweimähdig.

Der Weinbau bedeutet wenig, bei mittleren Weinjahren wird kaum der eigene Bedarf erzeugt. In der gewöhnlichen Bauweise des Unterlandes pflanzt man je 3200 Stöcke (meist Silvaner) auf den Morgen und bezieht sie den Winter über. Die besten Lagen sind im „Bersten und im See-Weinberg“ Das Erzeugniß gehört zu den mittelmäßigen und der Preis eines Eimers betrug in den Jahren: 1856 34–40 fl., 1857 32–37 fl., 1858 21–26 fl., 1859 21–26 fl., 1860 14–18 fl., 1861 54–57 fl., 1862 44–46 fl., 1863 32–33 fl., 1865 66–72 fl. Der Wein wird an die Wirthe in der nächsten Umgegend verkauft.

Die mit Mostsorten und Zwetschgen sich beschäftigende Obstzucht ist im Zunehmen und erlaubt in günstigen Jahren einigen Verkauf nach außen.

Die Brach- und Stoppelweide ist gut und wird mit Schafen befahren; sie trägt der Gemeinde jährlich 100 fl. ein, die Pferchnutzung 70 fl.

Allmanden sind vorhanden und werden an die Bürger verliehen.

In gutem Zustande befindet sich die Rindviehzucht (Simmenthaler Race), die durch einen Zuchtstier von gleicher Race unterhalten wird. Handel mit Vieh findet statt; die Viehmastung ist bedeutend und Mastochsen kommen namentlich nach Stuttgart, Canstatt und Ludwigsburg zum Verkauf. Die Viehzucht bildet hauptsächlich durch die Nachzucht der Kälber einen besonderen Erwerbszweig.

Die Schafzucht wird von einem Ortsschäfer betrieben, der die Schafe (Bastarde) im Ort überwintert und von der Ernte bis April 150 Stücke auf der Markung laufen läßt. Die Wolle, wie der Abstoß der Schafe, geht ins Ausland.

Eigentliche Schweinezucht und Mastung findet in mäßiger Ausdehnung statt; man züchtet die halbenglische Race und verkauft Ferkel und Mastschweine theilweise nach außen.

Die auf Forellen sich beschränkende Fischerei, welche dem Staat und einem Privatmann gehört, ist ganz unbedeutend.

Stiftungen sind keine vorhanden.

In der Nähe des Orts soll auf der Anhöhe ein Schloß gestanden sein, das den Herrn von Weissach gehörte; auch will die | Volkssage wissen, daß in Ober-Weissach oder zunächst dabei die Kirche gestanden sei, die später nach Unter-Weissach verlegt wurde.

Zu der Gemeinde gehören:

b. der Kammerhof, 1/8 Stunde östlich vom Ort auf einem vorgeschobenen Hügel frei und schön gelegen.

c. Wattenweiler, ein ansehnlicher Weiler, der 1/4 Stunde südlich vom Mutterort in einem ganz mäßig eingeschnittenen Seitenthälchen des Weissach-Thales eine freundliche wohlgeschützte Lage hat.

Den 11. April 1245 bestätigte Pabst Innocenz IV. dem Stifte Backnang seine Besitzungen, insbesondere eine Mühle zu Ober-Weissach. Dasselbe erwarb den 20. Mai 1349 ein Lehen dahier, wie solches Konrad von Reichenberg besessen, von Rudolf von Nieder-Weissach (Reg. Boic. 8, 162), den 24. November 1363 von dem Frühmesser Simon zu Erdmannshausen Gülten aus Gütern zu Wattenweiler, und ein Conventbruder desselben erhielt im Jahre 1370 Zinsen und Gülten aus der Mühle zu Ober-Weissach durch den Edelknecht Ulrich von Maubach versetzt (St. A). Überhaupt besaß das Stift in der Folge zu Ober-Weissach und Wattenweiler den großen und kleinen Frucht- und Weinzehnten, an ersterem Orte auch noch 3 erbliche Höfe, Mühlen- und sonstige Zinsen (Lagerb. von 1568/9).

Ober-Weissach und Wattenweiler wurden im Jahre 1439 mit der Feste Reichenberg von den Grafen Ludwig und Ulrich von Württemberg an die Gebrüder Nothaft verpfändet. Beide Orte gehörten in der Folge zum Theil ins Reichenberger zum Theil ins Ebersberger Amt (Landbuch von 1736/44).

Über weiteres, insbesondere über die adelige Familie von Weissach s. Unter-Weissach.


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