« Kapitel A 6 Beschreibung des Oberamts Böblingen Kapitel B 1 »
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VII. Geschichtlicher Überblick und Alterthümer.

1. Politischer Zustand.

Die sprechendsten Spuren von der Bedeutung, welche dieser Bezirk in den Römerzeiten hatte, sind die römischen Heerstraßen, deren Verzweigungen in diesen Gegenden vor andern noch sehr sichtlich sind (s. unten). Einzelne Geschichtsbegebenheiten sind aber eben so wenig aus den Zeiten der Römer, als aus der Periode der Alemannen auf die Nachwelt gekommen. Letzterer Volksstamm vertrieb in diesem Theile Schwabens gegen den Schluß des dritten Jahrhunderts die Römer, verlor aber schon im Anfang des sechsten Jahrhunderts seine Unabhängigkeit an den vorstrebenden Stamm der Franken.

Unser Bezirk half die Nordwestgrenze des Herzogthums Alemannien gegen das Herzogthum Franken bilden. Nach aller Wahrscheinlichkeit lassen sich nämlich aus den bekannten Grenzen der Bisthümer Constanz (alemannisch) und Speier (rheinfränkisch) Schlüsse auf die weniger genau bekannte Abgrenzung der Herzogthümer machen; hiernach wäre fast der ganze Bezirk alemannisch und nur Dätzingen, Deufringen, Magstadt, Maichingen, wahrscheinlich auch Schaffhausen fränkisch gewesen.

In der alemannischen Zeit und der Periode der fränkischen und sächsischen Könige, als die Gaue die Eintheilungen der einzelnen Herzogthümer bildeten, tritt nur ein einziger Ort, Holzgerlingen| mit einer einschlägigen Bezeichnung hervor; er wird im Jahr 1007 erwähnt als gelegen in der Glehuntra (diese Huntare wird in der Urkunde selbst pagus genannt, sonst ist eigentlich Huntare ein Unterbezirk eines Gaues). Der Reichsforst Schönbuch mochte für diese Gegend vor andern geographischen Namen als Hauptbezeichnung gegolten haben. Anstoßende Gaue, deren unsichere Grenzen wohl zum Theil in unsern Bezirk hineinreichten, sind: im Norden die Berchtoldsbaar, im Westen der Nagold- und Wirmgau (zu welch’ letzterem ohne Zweifel die nordwestlichen Orte des Bezirks gehörten), im Norden der Glemsgau, im Osten der Neckargau.

Den Vergabungen an das Hochstift Bamberg, die Klöster Bebenhausen, Hirschau, Reichenau und das Stift Sindelfingen verdankt man die früheste Kunde einzelner Orte dieses Bezirks; nach der Zeitfolge ihres ersten geschichtlichen Auftauchens gereiht sind dieß: Maichingen um 830 (Aufzeichnung jedoch nicht gleichzeitig), Aidlingen 843, Holzgerlingen 1007, Sindelfingen um 1059, Dätzingen 1075, Döffingen 1075, Breitenstein 1087, Böblingen um 1100, Magstadt um 1100, Dagersheim um 1120, Darmsheim um 1130.

Die Grafschaft im Bezirke gehörte ursprünglich meist den Grafen von Calw (deren Hauptlinie jedoch schon in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts erlosch) und den Grafen, nachherigen Pfalzgrafen von Tübingen; der Comitat der letztgenannten Grafen in den Schönbuchgegenden wird im Jahr 1007 ausdrücklich erwähnt (s. unten und bei Holzgerlingen).

Bestandtheile des Sprengels der Grafen von Calw waren namentlich Dätzingen (wenigstens theilweise, in frühester Zeit wohl ganz), Schaffhausen, Döffingen, Darmsheim, Dagersheim, Sindelfingen, ja nach aller Wahrscheinlichkeit Böblingen selbst. Diese Ausdehnung ergibt sich theils aus den Verfügungen, welche die Grafen von Calw selbst über diese Orte oder ansehnliche dortige Güter trafen, theils auch – weil die Grafen von Calw so frühe ausstarben – aus den Nachrichten, welche von dem Besitz und den Rechten des Grafen Sigmund von Zweibrücken und Herrn von Eberstein, welcher eine Calwer Erbtochter, die sich Gräfin von Zavelstein nannte, geheirathet (Stälin Wirt. Gesch. 2, 367) und der Grafen von Vaihingen, einer überlebenden jüngeren Linie der Calwer Grafen, sich erhalten haben. (Zu Graf Sigmund vergleiche Darmsheim und zu den Grafen von Vaihingen s. Dätzingen, beide im topographischen Theil). Wenn Maichingen im Jahr 1188 im hohenstaufischen Besitze vorkommt, so mag auch dieser Ort ursprünglich gräflich calwisch gewesen und von dem calwischen Hause an Herzog Welf VI. (s. unten), und von diesem an die| Hohenstaufen gelangt seyn. Waren ja auch die Fildergegenden ein Theil des Comitats der Calwer Grafen, welches als Lehen an die Pfalzgrafen von Tübingen gelangte, jedenfalls trugen die letzteren die Fildergrafschaft schon von Welf VI. († 1191) zu Lehen und letzterer war ohne Zweifel in diesen Besitz als unmittelbarer Erbe der Calwer Grafen gekommen, da er mit Uta, Erbtochter Pfalzgraf Gotfrieds von Calw verehlicht war. Man glaubt zwar, daß erst durch eine weit jüngere calwische Erbtochter, welche Graf Rudolph IV. von Tübingen heirathete, um 1263 der calwische Besitz im hiesigen Bezirk an die Tübinger Pfalzgrafen gelangt sey; allein schon im Jahre 1243 erscheint Graf Wilhelm von Tübingen in Böblingen angesessen[1] und in demselben Jahre war bereits Pfalzgraf Rudolph von Tübingen Sindelfinger Schirmvogt. Sonach ist dieser Besitz wohl von genanntem Welf VI., welcher keine Kinder hinterließ, – entweder unmittelbar oder mittelbar über das hohenstaufische Königshaus – an die Tübinger Pfalzgrafen gekommen. (Vergl. Haug zu Chron. Sindelf. S. 43, Stälin Wirt. Gesch. 2, 242. 375.)

Eine ansehnliche Herrschaft wurde durch den Besitz des Reichslehens, des Schönbuchswaldes vermittelt. Die in diesem Walde gelegenen Orte mochten ursprünglich ganz dem Reiche zur Verfügung stehen; wenigstens verschenkte Kaiser Heinrich II. im Jahr 1007 den Ort Holzgerlingen in der Grafschaft Graf Hugos (von Tübingen) gelegen an das Hochstift Bamberg. Näher tritt indeß der Schönbuch erst dann ins Licht, als der Tübingische Besitz an den meisten Orten desselben schon ziemlich consolidirt war.

Da die Pfalzgrafen von Tübingen die größte Bedeutung für diese Gegend haben, namentlich im dreizehnten Jahrhundert bis ins vierzehnte herunter Böblingen, Aidlingen, Dagersheim, Darmsheim, Döffingen, Ehningen, Holzgerlingen, Magstadt, Maichingen und mehrere, von ihnen oder ihren Lehensträgern an Kloster Bebenhausen gekommenen Orte (s. unten) besaßen, so mag eine kurze Geschichte derjenigen Linie derselben, welche nach dem Anfang des dreizehnten Jahrhunderts auf die Burg Böblingen und zugehörende Orte abgetheilt wurde und welche – mit Ausnahme der Montforter Abzweigung – alle übrigen Tübinger Linien lange Zeit überlebte, hier eine Stelle finden.

Gegen die Mitte des genannten Jahrhunderts blühten im pfalzgräflich tübingischen Hause drei Brüder, Hugo, Rudolf und| Wilhelm. Der letztere erscheint im Jahr 1243, wie bereits bemerkt, angesessen in Böblingen, welches jedoch noch nicht in seinem Titel vorkommt; er ist Vater zweier sich auch von Asperg schreibender Tübinger Grafen, Rudolf IV. und Ulrich. Rudolfs IV. Sohn war Gotfried, der erste, welcher von gleichzeitigen Schriftstellern wie dem Sindelfinger Chronisten „von Böblingen“ genannt wird, während er sich selbst noch immer Graf von Tübingen benennt. Dieser, ein wilder Charakter, welcher am 26. Mai 1276 seinen Oheim Graf Ulrich von Tübingen-Asperg, dessen Mündel er war, von Böblingen und von der Vormundschaft überhaupt gewaltsam verjagte, lag, zum Theil von Graf Eberhard von Württemberg unterstützt, in längerer Fehde mit den Grafen von Hohenberg, ja dem deutschen Könige Rudolph selbst (1287 – 1291); er brachte Veste und Stadt Tübingen, welche er mit seinem Vetter, Pfalzgraf Eberhard dem Scherer gemeinschaftlich besessen, ganz an sich und vererbte – ungeachtet seiner Überschuldung, welche eine nach acht Monaten wieder eingelöste Veräußerung von Böblingen zur Folge hatte, – Böblingen so wie Tübingen noch auf Söhne und Enkel. Söhne, von seiner Gemahlin Elisabeth geb. Gräfin von Fürstenberg, hatte er fünf: Wilhelm † vor dem 22. Juni 1327, Heinrich † Dec. 1336 (in Böblingen beerdigt s. B.), Gotfried, Hugo, Ego (diese drei sind geistlich geworden) und eine Tochter Agnes, durch welche letztere Sindelfingen an ihren Gemahl Ulrich von Rechberg gelangte. Nur Wilhelm pflanzte mit seiner Gemahlin Heilwig, geb. Gräfin von Eberstein, den Mannsstamm fort. Seine Söhne waren Gotfried und Wilhelm; Gotfried verkaufte den 29. November 1357 Böblingen nebst Dagersheim und Darmsheim an die Grafen Eberhard und Ulrich von Württemberg (s. das Nähere bei Böblingen). Nicht lange nach diesem Verkaufe, welchen die Böblinger Linie machte, verschwindet noch im vierzehnten Jahrhundert, mit dem Aussterben der Herrenberger Linie, sämmtlicher Besitz der Pfalzgrafen in der Gegend ihrer Heimath. Konrad, der Sohn Gotfrieds, des Verkäufers von Böblingen, zog nach Lichteneck (bei Freiburg im Breisgau), dessen Besitz er durch seine Gemahlin Anna, Tochter Hessos von Usenberg erhielt; sein Mannsstamm, welcher wenig Ruhm mehr in der Geschichte erntete, erlosch erst im Jahr 1631 September 16. mit Georg Eberhard, welcher unverehlicht verschied. Unbedeutend war der Besitz, welchen andere Grafenfamilien in diesem Bezirk hatten, wie die Grafen von Hohenberg zu Altdorf, Dätzingen, Holzgerlingen. Unter den Grafen von Urach-Fürstenberg stund in der zweiten Hälfte des dreizehnten Jahrhunderts der Ortsadel von Dätzingen im Ministerialenverhältnisse| (s. Dätzingen). Die Herzoge von Urslingen besaßen vor dem 14. September 1363 Schönaich; wann und woher sie es erworben hatten, ist nicht näher bekannt. Die Herren von Beutelsbach waren bei Döffingen und Schaffhausen begütert.

Ortsadel, großentheils Dienstmannen der Grafen von Calw oder der Pfalzgrafen von Tübingen, später der Grafen von Württemberg, war in den meisten Dörfern angesessen (s. den topographischen Theil).

Neben den weltlichen Herren sammelte sich allmählig in geistlichen Händen ein ansehnlicher Besitz. Das nahegelegene Cistercienserkloster Bebenhausen, eine Stiftung der Tübinger Pfalzgrafen von 1190, machte hauptsächlich aus den Besitzungen seiner Stifter die bedeutendsten Erwerbungen, nämlich der Orte Altorf, Breitenstein, Neuweiler und Weil im Schönbuch.

Das Kloster Hirschau gelangte zum Besitz von Schaffhausen, der Johanniterorden erwarb Dätzingen.

Württemberg erwarb die in weltlichen Händen gebliebenen Theile des Bezirkes meist in den Jahren 1344–1369 (1344–57 Böblingen mit zugehörenden Dörfern von den Tübinger Pfalzgrafen, 1351 Sindelfingen von den Herrn von Rechberg, 1363 Schönaich von den Herzogen von Urslingen, 1369 und in folgenden Jahren Maichingen von den Herren von Rohr).

Vor Umwandlung in Beginn der königlichen Zeit Württembergs zerfielen die jetzt unter Oberamt Böblingen – dessen jetzige Bildung der Hauptsache nach aus dem Jahr 1807 stammt – vereinigten altwürttembergischen Orte unter folgende Ämter:

1) Oberamt Böblingen; hierzu gehörten: Böblingen, Aidlingen, Dagersheim, Darmsheim, Döffingen, Ehningen, Holzgerlingen mit dem Schaichhof, Magstadt, Maichingen, Schönaich. Böblinger Stabsorte waren: der Kammergutsort Deufringen (1699 zum Amt gekommen) und das Dorf Mauren, beide zum Rittercanton Neckar-Schwarzwald steuerbar. Von diesen Orten waren Magstadt und Maichingen zeitweise dem Oberamt Leonberg zugetheilt gewesen. (Losgerissene Orte des alten Böblinger Amtes sind: Dettenhausen 1811 an das Oberamt Tübingen abgegeben, Malmsheim, welches schon um 1350 zum Amt Leonberg gehört hatte und nur zwischenhinein zum Amte Böblingen gekommen war und Ostelsheim letzteres 1810 an das Oberamt Calw abgetreten.)

2) Oberamt Sindelfingen, ein erst im Jahre 1605 durch Lostrennung von Böblingen errichtetes Amt ohne Amtsorte; 1807 mit dem Oberamt Böblingen vereinigt.

3) Klosteroberamt Bebenhausen: Altdorf, Breitenstein, Neuweiler, Weil im Schönbuch; nur diese Orte des umfangreichen| Amtes wurden im Jahr 1807 zum Oberamt Böblingen geschlagen.

4) Klosteroberamt Hirschau: von diesem wurde einzig das Dorf Schaffhausen im Jahr 1807 mit dem Oberamt Böblingen vereint, im Jahr 1808 an das Oberamt Calw abgetreten; im Jahr 1810 wieder mit Böblingen verbunden.

Ein neuwürttembergisches Dorf ist der durch den Preßburger Frieden vom 26. Dec. 1805 an Württemberg gekommene Johanniterort Dätzingen, welcher sofort ein dem damaligen neuwürttembergischen Oberamt Weil untergeordnetes Patrimonialamtsort geworden war, aber schon im Jahr 1808 dem Oberamt Böblingen zugetheilt wurde.

Im Jahr 1806 kam das damalige Oberamt Böblingen zum Kreis Stuttgart, im Jahr 1810 das erweiterte zur Landvogtei Schwarzwald, im Jahr 1817 zum Neckarkreise.

2. Kirchliche Verhältnisse.

Der Trieb der Calwer Grafen zu geistlichen Stiftungen und die Bedeutung, welche ihre Schöpfungen, das in der Nähe um 830 gegründete Kloster Hirschau und das im Bezirk selbst angelegte Stift Sindelfingen – das einzige in diesem Bezirk gelegene Kloster eines begüterten Ordens – gewannen, machen diese Gegend für die früheste Kirchengeschichte Schwabens nicht unwichtig. Gerade Hirschau war sehr frühe begütert bei Böblingen, Dätzingen (um 1140, veräußert 1281), Dagersheim, Darmsheim, Döffingen, Maichingen, sein Tochterkloster Reichenbach bei Böblingen, Dätzingen, Dagersheim. Das entlegene Kloster Reichenau hatte schon im Anfang des neunten Jahrhunderts Einkünfte in Aidlingen, das noch entferntere Hochstift Bamberg bekam im Jahr 1007 den Ort Holzgerlingen, indeß haben sich keine weiteren Beziehungen des Hochstiftes zu dieser wohl frühe abgekommenen Besitzung aufgezeichnet erhalten.

Das Oberamt gehörte fast ganz zum Bisthum Constanz und zwar zum Archidiaconat vor dem Walde. Von den Capiteln dieses Archidiaconats waren dem Capitel Böblingen (auch Dagersheim genannt) folgende Kirchen dieses Bezirks zugetheilt: Aidlingen, Altdorf, Böblingen, Dagersheim, Darmsheim, Döffingen, Ehningen, Holzgerlingen, Schönaich, Sindelfingen, Weil im Schönbuch (Manlius bei Struve-Pistorius Script. 3, 790).

Unter dem Bisthum Speier und zwar dessen Archidiaconat zur heiligen Dreifaltigkeit und Capitel Weil im Schönbuch stunden: Dätzingen, Deufringen, Magstadt, Maichingen (Würdtwein Subs. 10, 337).| Nach der Reformation hielt der damalige Pfarrer zu Böblingen, wahrscheinlich Ottmar Mayländer, eine Synode in seiner Diöcese, worin er den berufenen Pfarrern Anleitung gab, wie sie sich in Lehre und Leben zu verhalten hätten (Binder 876).

In protestantischer Zeit wurde die Specialsuperintendenz Böblingen der Generalsuperintendenz Maulbronn untergeordnet; sie umfaßte, wenn wir von Dätzingen absehen, welches nur kurz, im Reformationszeitalter, protestantisch geworden war und sonst stets katholisch blieb, sämmtliche Orte des Bezirkes, einschließlich des früher zu diesem Oberamt gehörigen Dorfes Ostelsheim, welches jetzt in geistlicher und politischer Beziehung zu Calw gezogen ist, dagegen ausschließlich der Orte Altdorf und Weil im Schönbuch mit dessen Filialien Breitenstein und Neuweiler, welche jetzt unter dem Dekanat Böblingen stehend früher, wie dem Klosteramt Bebenhausen, so auch der Specialsuperintendenz Bebenhausen (früher Tübingen) und mit dieser der Generalsuperintendenz Bebenhausen (früher Tübingen) untergeordnet waren.

In der Diöcesaneintheilung vom Jahr 1807 erscheint das Dekanat Böblingen unter der Generalsuperintendenz Maulbronn nebst den jetzt zu diesem Dekanat gehörenden Pfarrdörfern, mit dem Unterschied, daß Dettenhausen (erst seit 1790 eigene Pfarrei) und Ostelsheim, welche auch damals noch zum Oberamt Böblingen gehörten, diesem Dekanat noch zugeordnet war, daß in Mauren noch eine eigene Pfarrei bestund und daß die Pfarreien der ehemaligen Specialsuperintendenz Bebenhausen, Altdorf und Weil im Schönbuch mit seinen Filialien, dem Dekanat Lustnau zugetheilt wurden. (Reyscher, Sammlung 9, 90. 96.) Die königliche Verordnung vom 3. November 1810 stellte die Dekanate Böblingen und Lustnau (welches letztere schon 1811 aufgehoben wurde, so daß jetzt Altdorf und Weil zum Dekanat Böblingen kamen) unter die Generalsuperintendenz Tübingen (Reyscher 9, 199), an deren Stelle durch Verfügung vom October 1823 das Generalat Ludwigsburg trat (Reyscher 9, 621).

Der einzige katholische Ort im Bezirk, Dätzingen, wohin auch die einzelnen in den protestantischen Dörfern wohnenden Katholiken eingepfarrt sind, steht unter dem katholischen Dekanat Stuttgart.

3. Besondere Schicksale.
Die früheste Begebenheit, in welcher ein Ort unseres Bezirks als Kampfplatz hervortritt, ereignete sich um das Jahr 1133, die Vertreibung des Herzogs Welf VI. aus Sindelfingen und die Einäscherung| dieses Orts durch Graf Adelbert von Calw (s. Sindelfingen).

In den Zeiten Kaiser Friedrichs II., in welchen es auch in Schwaben an vielerlei Wirren nicht fehlte, entbrannte der Kampf auch einmal in der Gegend von Böblingen; denn am 13. August 1243 urkundete „im Lager von Böblingen“ ein Anhänger Graf Wilhelms von Tübingen-Gießen, der Abt Walther von St. Gallen. Für die dem Grafen gebrachte Hülfe erhielt damals der Bischof Heinrich von Constanz die Vogtei über das Kloster Marchthal, sonst leisteten dem Grafen noch Beistand der Graf Friedrich von Zollern und der Truchseß Otto Berthold von Waldburg. Das Genauere bleibt im Dunkeln und nicht einmal darüber, wer der Gegner war, hat sich Kunde erhalten.

Die Fehden, welche der rauflustige Graf Eberhard der Erlauchte von Württemberg mit dem Pfalzgrafen Eberhard von Tübingen hatte, brachten Verheerung auch in dieses Gebiet und hatten namentlich am 9. September 1286 die Zerstörung des pfalzgräflichen Ortes Weil im Schönbuch zur Folge. (Sindelfinger Chronik).

Ins Jahr 1388 fällt die wichtige Schlacht von Döffingen (s. Döffingen).

Eine bedeutende Rolle spielte unser Bezirk in den Zeiten des unruhigen Herzogs Ulrich. Auf Holzgerlinger Markung, in dem Walde zwischen diesem Dorfe und der Stadt Böblingen geschah es am 8. Mai 1515, daß dieser Herzog seinen Stallmeister, den fränkischen Ritter Hans von Hutten erstach, welcher sofort auf Veranstaltung des Herzogs von Braunschweig in der Kirche zu Holzgerlingen bestattet wurde. (Heyd Ulrich 1, 393. Die Huttenseiche, an welcher der Ermordete von dem Herzoge selbst aufgehängt worden seyn soll, gehört der Sage an.)[2]

Dieser Mord war eine der Ursachen, weßhalb der schwäbische Bund im Jahr 1519 den Herzog mit Krieg überzog und aus seinem Lande jagte. Damals ergab sich Böblingen und Sindelfingen am 11. April den Bündischen (Heyd Ulrich 1, 552). Am folgenden 2. Mai nahm in ersterer Stadt Herzog Wilhelm von Bayern sein Hauptquartier; die Reiterei kam nach Sindelfingen, das Fußvolk nach Ehningen, an welch’ letzteren Ort sich um dieselbe Zeit Markgraf Casimir von Brandenburg mit 700 Reitern begab (v. Martens 170). In diesen Zeiten der Obmacht des schwäbischen| Bundes ward böblingischer Statthalter Treusch Butlar, der so genannte „lange Heß“, welcher die Bürger hart bedrückte. Als im Jahr 1521 Kaiser Karl V. das Herzogthum Württemberg vom schwäbischen Bunde kaufte, zahlten Stadt und Amt Böblingen hiezu 1250 fl. (Gabelk.) – Im Jahr 1525 eroberte der vertriebene Herzog mit Schweizer Hülfe wieder einen Theil seines Landes auf kurze Zeit; da hielt er am 6. bis 9. März Rasttage in Sindelfingen (Hans Stockar's von Schaffhausen Tagebuch. Schaffhausen 1839. S. 129), während auch Böblingen nebst Leonberg ihm zufiel und zur Wiedereinnahme des Landes behülflich seyn wollte. Aber schon in der Mitte des Märzmonates mußte der Herzog wieder landesflüchtig werden: ihren Abzug von Sindelfingen hielten die Schweizer bereits am 13. genannten Monats. Nur wenige Tage war Waffenruhe in diesen Gegenden, als durch den Bauernkrieg eine noch weit heftigere Kriegsflamme aufloderte. Bei Dagersheim war im März 1525 das Fußvolk der Städter gelagert, welches zwar ungerne und nicht vollständig sich gegen die Bauern erhob. Der eigentliche Kampf mit den Bauern erfolgte in diesem Bezirk im Anfang Mais; gerade Sindelfingen war es, wohin am 10. Mai die Bauern sich zogen, wo sie ihren Anführer Matern Feurbacher verhafteten und den Ritter Bernhard Schenk von Winterstetten an seine Stelle setzten. Indeß war Truchseß Georg von Waldburg hieher gezogen; am 12. Mai rückte er mit seinem, auf 20.000 Mann (wohl übertrieben) geschätzten Heere aus den Lagern, welche zuletzt bei Weil im Schönbuch gestanden hatten, den Bauern entgegen über Mauren bis in die Nahe von Böblingen; die Vorhut bildete die Reiterei unter Heinrich Butlar, die Hauptmacht der Bauern, deren Zahl wohl mit Übertreibung auf 25.000 angegeben wird, stand in Schlachtordnung auf der Höhe zwischen Böblingen (worauf ihr linker Flügel sich stützte und auf dessen Schlosse sie ihr Geschütz aufgestellt hatten) und Sindelfingen; ihre Stellung war durch einen Wald und durch ein Moor gedeckt. Nach anfänglichem Verlust erzwang der Truchseß die Öffnung des Böblinger Thores und die Einräumung des Schlosses, von welchem aus mit größtem Erfolg die Bauern beschossen wurden, bis die hinter dem Galgenberge aufgestellte Reiterei, von den Bauern „der Bauerntod“ genannt, und das leichte Geschütz anrückten und den weitern, vollständigen Sieg anbahnten. Von zehn Uhr Vormittags bis zwei Uhr Nachmittags dauerte die mörderische Schlacht, in welcher der Verlust der Bauern auf ungefähr 3000 Mann geschätzt wurde. Sie fielen meistens in dem Thale „Marterthal“, welches hievon seinen Namen führen soll. Noch am| Abend bezog der Sieger die Lager bei Sindelfingen. (Siehe Materialien zur Geschichte des Bauernkriegs S. 105 und von Martens 231 – 33.) Durch solch entscheidende Schlacht wurde der Bauernaufstand in dieser Gegend vollständig unterdrückt.

Als im Jahr 1534 Herzog Ulrich das Land seiner Väter wieder eroberte, erhielt er eine freundlich entgegenkommende Gesandtschaft der Böblinger und Sindelfinger und von ihnen sechsundzwanzig Reiswagen geliefert.

Im Jahr 1547 kamen nach Böblingen vier Fähnlein Spanier, von welchen die Einwohner die größten Grausamkeiten und in wenigen Monaten einen Schaden von 28555 fl. erlitten.

Der dreißigjährige Krieg, diese härteste Geißel, welche über das Schwabenland kam, brachte seinen Jammer auch in diese Gegend; nach der Schlacht von Nördlingen am 8. (18.) September 1634 zogen die Kaiserlichen in Sindelfingen ein und plünderten, schändeten und mordeten viele Einwohner dieser Stadt, so wie auch Böblingens. Ein Schreiben des Böblinger Stadtpfarrers Gmelin vom 22. September 1634 (abgedruckt bei Chn. Ferd. Harpprecht Flores sparsi ad jura privata singularia Alpirspacensia p. 76) schildert die Greuelthaten, welche verübt wurden und wie er selbst von einem croatischen Rittmeister Streiche bekam. Am 1. October zogen zwei Reitercompagnien nach Sindelfingen in die Winterquartiere und verursachten durch ihren halbjährigen Aufenthalt der Stadt einen Schaden von 87.000 fl. Über Jacinto Canto Hauptmann im Brenner'schen Regiment, welcher 1637 mit seiner Compagnie in Sindelfingen einrückte und der Stadt großen Aufwand verursachte, bemerkt die Sindelfinger Chronik von Löher: „ist ein greulicher Tyrann und Leutschinder gewesen“; am 22. April (2. Mai) 1638 wurde Sindelfingen, am folgenden Tage Böblingen, beide abermals ausgeplündert. Erst mit dem westphälischen Frieden (1648) wurde der Bezirk von den Quartierlasten, welche sich oft wiederholten (Schönhut, Sindelfingen 11 – 16) befreit; er war damals fast ganz von Menschen entblöst. Sindelfingens Verlust durch Plünderungen, Ranzionen und Einquartierungen in den Jahren 1634 bis 1650 wird zu 236.914 fl. 58 kr. berechnet.

Beim Einfall der Franzosen im Jahr 1688 December 23. (1689, Januar 2.) soll ein kaiserlicher Hauptmann mit zwanzig Dragonern auf dem Rathhause einen französischen Lieutenant mit sechzehn Reitern überfallen und sie getödtet haben. (v. Martens 518.)

Im Reichskrieg gegen Frankreich von 1693 rückte der Markgraf Ludwig von Baden am 11. (21.) September nach Schaffhausen| und den Tag darauf nach Altingen (Oberamts Herrenberg), um sich einem befürchteten Einfall der Franzosen entgegenzustellen. Die Einbuße, welche Böblingen in diesem Kriege erlitt, wird auf 79227 fl. angegeben. (v. Martens 543. 544.)

Im spanischen Erbfolgekrieg, 1704, rückten 7 Bataillone dänischer Truppen am 20. Juli unter dem General Scholz nach Ehningen.

Auch im Feldzug von 1796 wurde Böblingen berührt, da am 18. Juli die französische Brigade Laroche von Herrenberg nach Böblingen rückte.

4. Alterthümer.
A. Römische.

Obgleich noch vor etwa 20 Jahren in dem Oberamtsbezirke Böblingen, außer einem südlich von Böblingen aufgefundenen römischen Altar, [3] sonst keine Überreste aus der Römerzeit bekannt waren, so haben doch die Forschungen und Entdeckungen der neueren Zeit entschieden nachgewiesen, daß unser Bezirk in dieser Beziehung zu den interessantern des Königreichs gehört. [4] Es ist beinahe außer Zweifel, daß an der Stelle der gegenwärtigen Oberamtsstadt die auf der Peutinger Tafel angegebene römische Niederlassung Grinario lag, was in den württembergischen Jahrbüchern Jahrg. 1835 2. Heft S. 376 ff., Jahrg. 1837 1. Heft S. 177 ff. und Jahrg. 1846 1. Heft S. 155 ff. gründlich nachgewiesen und durch die neuesten Entdeckungen noch mehr bestätigt wurde.

Die römische Militärstraße, welche von Windisch (Vindonissa) nach Regensburg (Reginum) führte, trat südlich von Ehningen in den Oberamtsbezirk, zog östlich an letzterm Ort vorüber und unfern der gegenwärtigen Landstraße nach Böblingen. Von da führte sie an Vaihingen vorüber nach Canstatt u. s. w. (s. württ. Jahrb. Jahrg. 1835 2. Heft S. 376 ff.). Der militärisch wichtige Punkt bei Böblingen konnte den kriegserfahrenen Römern nicht entgehen, sie legten daher zum Schutze der Umgegend hier eine Niederlassung an, die sie mit Kriegsvolk besetzten. Rings um diese Niederlassung| fanden sich entschiedene Spuren römischer Wohnplätze, die, wie es scheint, theils aus militärischen, mehr aber aus bürgerlichen Rücksichten angelegt wurden. Überdieß entdeckte man römische Denksteine und Anticaglien, welche unwidersprechlich die ausgedehnte Ansiedelung der Römer in dieser Gegend beurkunden. Die bis jetzt entdeckten Wohnplätze lagen: 1) etwa 1/2 Stunde östlich von Böblingen bei der sogenannten Börstlacher Brücke, wo nach der Sage ein Ort gestanden seyn soll; man fand hier Grundreste römischer Gebäude und einen römischen Töpferofen; ganz in der Nähe dieses Punkts, im sogenannten Pfaffensteig, wurde eine überaus schöne Statuette von Jupiter (nach Andern von Neptun) aus Bronce ausgegraben (s. württ. Jahrb. Jahrg. 1833 2. Heft S. 352). Außer diesem wurden noch eine Speerspitze von Bronce, vier römische Äxte von seltener Form, von denen zwei noch vorhanden sind, ein schön gearbeiteter Dolch und mehrere römische Hufeisen ausgegraben. [5] 2) Zwischen Böblingen und Sindelfingen am Fuß des Goldbergs, wo nach der Sage ein Schloß stand, findet man Spuren vom römischen Gemauer, in deren Nahe ein römischer Altar mit zwei in die Toga gehüllten männlichen Figuren und nur einige Schritte davon ein sechs Zoll langes Schwein von Bronce ausgegraben wurden; beide Gegenstände gingen leider verloren, dagegen hat sich ein ebenfalls hier gefundenes römisches Bildwerk erhalten, welches der Finder an die Außenwand seines Hauses einmauern ließ. [6] Das Bild stellt in Hautrelief die beflügelte Victoria vor, welche mit der linken Hand eine Tafel auf einen Altar hält, während sie mit der rechten auf die Tafel schreibt. Nur einige hundert Schritte von dieser Stelle, auf der andern Seite des Goldbachs, soll der längst abgegangene Ort Aldingen (Altingen) gestanden seyn, wo man auch wirklich in namhafter Ausdehnung Mauerreste findet, deren Zug sich zum Theil noch auf der Oberfläche zu erkennen gibt; an dem Chausseegraben ist sogar eine Strecke Mauer noch sichtbar. Auf dieser Stelle trifft man viele Backsteine, Bruchstücke von römischen Ziegeln, Heizröhren (tubuli) u. s. w.; von letztern wurden früher viele ganz erhalten ausgegraben. Wir hätten also hier einen nicht unbedeutenden römischen Wohnplatz, dessen Wichtigkeit die römischen Straßen, welche zu dieser Stelle hinziehen und von ihr ausgehen, noch mehr begründen (s. unten). Etwa 1/4 Stunde nördlich von dieser| ehemaligen Niederlassung erhebt sich die Burghalde, [7] ein von dem östlich ziehenden Gebirgszuge vorspringender Hügel, ähnlich dem, auf welchem Böblingen liegt. Dieser Hügel war ohne Zweifel von den Römern befestigt und stand in militärischer Beziehung mit dem wichtigen Punkte bei Böblingen in enger Verbindung, so daß man kein Bedenken tragen darf, diese zwei nur eine halbe Stunde von einander liegenden militärisch wichtigen Punkte, zwischen denen die römische Niederlassung lag, als ein Ganzes zu betrachten, welches ehemals die römische Niederlassung Grinario bildete. 3) Etwa eine halbe Stunde nördlich von der Niederlassung bei Aldingen in der sogenannten „Probstei“ oder beim „Schelmenthörle“ stößt man auf Grundmauern von Gebäuden und auf eine große Anzahl von römischen Ziegeln, Heizröhren, Fragmenten von Amphoren u. s. w., welche einen ehemaligen römischen Wohnplatz untrüglich bezeichnen (s. auch die Ortsbeschreibung). 4) Auf der sogenannten „Todtwar“ drei viertel Stunden westlich von Sindelfingen wurden in ziemlich großer Ausdehnung Bruchstücke römischer Gefäße, Ziegeln, Heizröhren etc. gefunden, die einen abgegangenen Römerort beurkunden. 5) Bei Mauren ist man auf der Stelle, wo das ehemalige Wasserschloß stand, auf römische Alterthümer gestoßen, welche den Beweis liefern, daß auch hier die Römer festen Sitz hatten. 6) In der Nähe der Todtenbach-Mühle auf der Markung von Weil im Schönbuch, stand ein römischer Wohnort, von dem noch Mauerreste, Ziegeln, Heizröhren etc. in geringer Tiefe unter der Oberfläche vorhanden sind. Vor etwa 24 Jahren wurde auf dieser Stelle eine 11/2 Fuß hohe und 1 Fuß breite Steinplatte ausgegraben, auf der zwei menschliche Figuren und über diesen eine Eule angebracht waren. 7) An der nördlichen Außenwand der nun abgebrochenen alten Kirche zu Schönaich war ein römisches Bildwerk eingemauert und bei der Wolfenmühle 1/8 Stunde von Schönaich sieht man auf der sogenannten Burghalde die Reste eines römischen Wachhügels, in dessen Nähe gegen 20 irdene Teichel von einer römischen Wasserleitung aufgedeckt wurden [8] (s. auch die Ortsbeschreibung). 8) Auf dem sogenannten Burgerwiesle (Burgwiese) 5/4 Stunden östlich von Böblingen fand man, neben mehreren künstlich behauenen Steinen, ein aus grobkörnigem Sandstein roh gearbeitetes Relief von der Größe zweier Quadratschuhe, zwei weibliche Figuren (wohl Diana und ihre| Nymphe) darstellend.[9] 9) Auf Eschach und Birkensee (Bürgsee) südlich von Altdorf soll nach der ganz allgemeinen Volkssage eine Stadt gestanden seyn, von der übrigens bis jetzt keine Spuren aufgefunden wurden; nur einige römische Hufeisen, einzelne sehr alte Gefäße und eine steinerne Handmühle, die man hier fand, ferner der Zug einer oder vermuthlich zweier Römerstraßen dahin sprechen dafür, daß die Römer auch diese Stellen besetzt hatten. Da aber der Punkt sehr hoch ist und die ganze Umgegend weithin beherrscht, so läßt sich eher annehmen, daß ihn die Römer nur in militärischer Beziehung benützten, dagegen ein eigentlicher Wohnplatz hier nie bestanden habe.

Außer den angeführten, nachgewiesenen römischen Wohnplätzen scheinen mehrere, theils noch bestehende, theils abgegangene Orte und Burgställe des Bezirks ihre Gründung den Römern zu verdanken: was sich nach den römischen Straßenzügen, nach Volkssagen etc. noch ziemlich überzeugend folgern läßt (s. hierüber auch die Ortsbeschreibungen).

Straßen. In einer Gegend, wo der römischen Wohnplätze so viele sich befanden, können auch die römischen Straßen nicht fehlen, welche sowohl diese Punkte unter sich, als auch mit ferne liegenden römischen Niederlassungen in Verbindung setzten. Die bis jetzt im Oberamtsbezirk aufgefundenen Römerstraßen sind außer der schon oben beschriebenen noch folgende: 1) Südlich von Magstadt tritt eine römische Heerstraße unter dem Namen Heerweg, Heuweg (Höhweg) in den Bezirk und führt unfern der sogenannten Bürg bei Magstadt vorüber nach Sindelfingen oder vielmehr nach der in der Nähe der Stadt gelegenen römischen Niederlassung (Aldingen) und von da theils auf, theils unfern der gegenwärtigen Vicinalstraße nach Böblingen, wo sie die oben beschriebene Hauptstraße kreuzt, was einen weitern Beweis für die Wichtigkeit des Punktes bei Böblingen liefert. Von Böblingen meist nahe der Vicinalstraße nach Holzgerlingen führend, theilt sie sich südlich von letzterem Ort in zwei Arme, von denen der eine südlich an Altdorf vorüber gegen Mönchsberg und Rottenburg, der andere östlich am Schaichhof vorüber in den Schönbuch und von da auf dem Bergrücken fort gegen Schlaitdorf u. s. w. zieht. 2) Die von Pforzheim herkommende Römerstraße (Rheinstraße) kommt zwischen Magstadt und Schaffhausen in den Bezirk, führt nach Dagersheim und von da an dem Schloß zu Ehningen vorüber nach Hildrizhausen und weiter auf den in strategischer Beziehung| wichtigen Punkt „Eschach“ im Schönbuch. 3) Unter den Benennungen „Hochsträß, steinerner Weg“ zieht eine Römerstraße von Ostelsheim herkommend südwestlich von Dätzingen in den Oberamtsbezirk, führt über den Venusberg nach Aidlingen, von da nach Gärtringen, Herrenberg und verbindet sich südlich letztern Orts mit der nach Rottenburg führenden Heerstraße. 4) Von Musberg zieht ein Römerweg die Häfnersteig hinauf, über das rothe Steigle und den Heuweg (Höheweg) nach der Börstlacher-Brücke wo, wie oben gezeigt wurde, ein römischer Wohnplatz lag; hier kreuzt sie die von Canstatt herkommende römische Consularstraße und führt durch den Aldinger Wald und über den Goldberg nach der römischen Niederlassung bei Sindelfingen (Aldingen). Von minder wichtigen Straßen sind folgende zu nennen: a) auf der Höhe nördlich von Weil im Schönbuch führt eine von Waldenbuch her über den Stallberg gegen den Schaichhof. b) Von Döffingen zieht der Aldinger Weg auch das „Rennpfädle“ genannt nach der römischen Niederlassung bei Aldingen, ein zweiter Aldinger Weg läuft von Dagersheim schnurgerade nach Aldingen. c) Nördlich von Dagersheim geht von der Rheinstraße ein römischer Seitenweg nach Magstadt und verbindet sich dort mit der oben unter 1) beschriebenen römischen Heerstraße. d) Ein alter Weg von Eschach und dem Eselstritt ausgehend zog nach Altdorf und von da vermuthlich über Mauren nach Ehningen. Der sogenannte „Speyremer Weg“, welcher 1/2 Stunde südöstlich von Ehningen vorbei nach der Furthmühle bei Aidlingen zieht und zwischen Schaffhausen und Weil der Stadt die lange Gasse genannt wird, ist sehr alt, ob er aber von den Römern angelegt wurde, dafür können keine Beweise geliefert werden. [10]

Hiernach hatten die Römer unsern Bezirk nach allen Richtungen mit Straßen durchzogen und an diesen Wohnplätze angelegt, die theils militärischen, theils bürgerlichen Zwecken entsprachen und dadurch den ersten Grund vieler zum Theil noch bestehender Ortschaften gelegt. Nach der Vertreibung der Römer nahmen die Alemannen Besitz von den verlassenen Wohnplätzen, oder siedelten sich in der Nähe derselben an und benützten das kultivirte, mit Straßen durchzogene Land.

B. Deutsche.
Ein merkwürdiges Denkmal ältester germanischer Bildhauerarbeit ist die colossale Statue mit Janusartigem Doppelkopfe,| welche im Jahr 1848 nördlich von Holzgerlingen auf dem Schützenbühl gefunden und in das königliche Antiquarium nach Stuttgart gebracht wurde.

Außer diesem trifft man in dem ganzen Bezirk eine Menge Grabhügel, die nach allen bis jetzt in ihnen aufgefundenen Überresten einem germanischen Stamme angehören und von denen nur einzelne der Vermuthung Raum geben, daß sie keltischen Ursprungs seyn möchten. Die bis jetzt entdeckten sind folgende:

1) Im Böblinger Stadtwald „Brand“ befinden sich 10 Todtenhügel, die zum Theil 6–8 Fuß Höhe und 30–40 Fuß Durchmesser haben. Schon im Jahr 1822 wurde in Gegenwart des Verfassers einer dieser Hügel geöffnet und in demselben viele künstlich zusammengesetzte, übrigens nicht behauenen Steine und 9 Bronce-Ringe von 11/2 Zoll Durchmesser gefunden. Die Ringe hatten regelmäßige Einschnitte und lagen ganz nahe, wie auf einander gesetzt, beisammen; außer diesem fand man noch Bruchstücke von roh gearbeiteten Gefäßen. Im Jahr 1836 ließ der Verfasser einen zweiten Hügel hier öffnen und fand in demselben ein künstlich zusammengesetztes, 3 Fuß hohes und 6 Fuß im Durchmesser haltendes Steinlager, auf dem eine Menge Kohlen und Asche lag, was deutlich beurkundete, daß hier ein Feuer brannte. Mitten auf der Brandplatte stand ein rauh gearbeitetes, irdenes Gefäß mit einer kleinen Handhabe, in der Größe und Form einer Kaffeetasse.

2) Etwa 1/8 Stunde westlich von dem Wald Brand befindet sich ein nur 3 Fuß hoher Grabhügel.

3) Im Sindelfinger Stadtwald „Fuchsberglen“ liegen ziemlich nahe beisammen 6 Todtenhügel von 3–5 Fuß Höhe und 30–35 Fuß Durchmesser. Im Jahr 1846 ließ der Verfasser einen derselben abtragen und fand in der Mitte des Hügels auf dem gewachsenen Boden eine große Brandplatte und auf dieser ein zusammengedrücktes roh gearbeitetes Gefäß.

4) In dem Staatswald „Winterhalde“ sind 3 ähnliche Grabhügel vorhanden.

5) Ein 12 Fuß hoher und 30 Fuß im Durchmesser haltender Todtenhügel steht beim sogenannten rothen Steigle 1 Stunde östlich von Böblingen.

6) Ein eben solcher 5 Fuß hoher im Walde „Viehhaushau.“

7) Ein 4 Fuß hoher im Staatswald „lange Schläge.“

8) Ein ähnlicher im Staatswald „bei der Hirschraufenbuche.“

9) Nördlich von Mauren im Staatswald „Kelterlenshalde“ befinden sich 2 Grabhügel, die eine Höhe von 4 Fuß und einen Durchmesser von 25 Fuß haben; in demselben Walddistrikt liegt ein weiterer in der Nähe des Hildrizhauser Feldes.| 10) Ein 6 Fuß hoher Hügel steht auf der Spitze des Hünnenbühls im Böblinger Gemeindewald.

11) Einer auf der Bandhaustelle.

12) Ein 5 Fuß hoher im Bührlenshau bei Schönaich.

13) Ein 4 Fuß hoher von sehr bedeutendem Durchmesser im Holzgerlinger Eichwäldle.

14) Ein 3 Fuß hoher im Schönaicher Gemeindewald „Laubbach.“

15) Ein 5 Fuß hoher im Kohlwald.

16) Im Wald Kälberstelle, Revier Weil im Schönbuch, befinden sich 6 Grabhügel, von denen der verstorbene Revierförster Bechtner zwei öffnen ließ. In dem einen fand man 10 eherne und 2 kleine goldene Ringe, in dem andern 3 eherne Ringe und eine zusammengedrückte Urne.

17) Auf der Grenze zwischen dem Dagersheimer und Ehninger Gemeindewald steht ein 4 Fuß hoher Todtenhügel.

18) Einer von gleicher Größe im Staatswald „Beckenhäule.“

19) Im Altdorfer Gemeindewald „Egartenhau“ befinden sich 2 Todtenhügel, in einem von diesen fand man eherne Ringe.

20) Im Wald „Sauerschlatt“ 1 Stunde südwestlich von Weil im Schönbuch ließ man einen Grabhügel öffnen, in dem eherne Ringe und Bruchstücke von rohen Gefäßen gefunden wurden.

21) Im Gemeindewald „Stockhau,“ Markung Weil im Schönbuch, kommen 2 ziemlich große Hügel vor.

22) Einer im Staatswald „Schafhauebene.“

23) Einer im Staatswald „Bromberg.“

24) Einer im Gemeindewald „Lehnenberg“ auf der Markung Weil im Schönbuch.

25) Im Keßlerwald auf der sogenannten Neuweiler Viehweide befinden sich zwei Grabhügel, die einen bedeutenden Umfang und eine Höhe von 5 Fuß haben. Der Verfasser ließ einen untersuchen und fand in der Mitte des Hügels einen künstlich zusammengesetzten Steinhaufen auf dem Kohlen, Asche und Bruchstücke einer Urne lagen.

26) Im Darmsheimer Gemeindewald „Koblenz“ befinden sich drei 4 Fuß hohe Grabhügel und 1/8 Stunde von dieser Stelle „im Dachsbau“ ein 12 Fuß hoher, der einen Durchmesser von 40 Fuß hat.

Alte Gräber, die in den gewachsenen Boden eingesetzt sind und in denen man die Skelette nebst Waffen, Schmucksachen, zuweilen auch Gefäße findet, entdeckte man bei Böblingen, Sindelfingen, Aidlingen, Ehningen und Maichingen (s. die betreffenden

Ortsbeschreibungen).| Lang hinziehende Wälle und künstlich gebildete hinter einander laufende Terrassen, von denen man aber wegen des dicht verwachsenen Waldes keine klare Anschauung gewinnen kann, befinden sich in dem Darmsheimer Gemeindewald. Das Ganze hat keine Ähnlichkeit mit römischen oder keltischen Befestigungen und scheint daher ein Werk aus der alt germanischen Zeit zu seyn.

Schlösser, Burgen, Burgruinen und Stellen alter Burgen, worüber das Nähere in den betreffenden Ortsbeschreibungen zu ersehen ist, befinden sich folgende in dem Bezirk. Auf der Markung Böblingen: Schloß Böblingen, Alte Bürg, Bürgle, Wolfsburg (?); auf der Markung Aidlingen: Zimburg; in Altdorf: Altdorf; bei Breitenstein, Breitensteinle; zu Dätzingen: Schloß; zu Deufringen Schlößle. Auf der Markung Döffingen: Ehrstall (Heerstall) und Bürschel (Burgstall), zu Ehningen Schloß; ein zweites Schloß lag in der Nähe des noch stehenden Schlosses. Mauren: Wasserschloß im Thal. In Holzgerlingen: Kalteneck und Hans v. Huttens Schloß (Pfarrhaus). Auf der Markung Holzgerlingen: Ritterbuch, sodann Bürg bei Magstadt; Burg bei Maichingen; Burg bei Neuweiler; Burgstall bei Schaffhausen; Burgstall bei Schönaich. Auf Sindelfinger Markung: Burghalde, Burg und im Gemeindewald „Sindelfinger Spitz“ ein Burggraben.

Abgegangene Orte. Es können hier nur Stellen angegeben werden, an die sich ein Ortsname oder die Sage von dem ehemaligen Bestehen eines Ortes knüpft, da in Urkunden diese Orte, mit Ausnahme von Weihdorf bei Schönaich, nirgends erwähnt werden, was einen sichern Beweis von dem sehr frühen Abgehen derselben liefert. Wir führen nach der Ordnung der betreffenden Gemeinden folgende an, indem wir wegen des Näheren auf die Ortsbeschreibungen verweisen:

Böblingen: Ensingen.
Aidlingen: Mönchsgarten (?).
Altdorf: Eschach.
Döffingen: Hofstätten, Wenningen, Welblingen, Mietersheim (fällt theilweise auch auf Maichinger Markung).
Ehningen: Sulz, Hoingen.
Holzgerlingen: Ludlenbad.
Maichingen: Bürglingen.
Schönaich: Weihdorf.
Sindelfingen: Aldingen, Hinter-Weil, Hofstätten, Sommerhofen.


  1. Er urkundet wenigstens daselbst am 13. August 1243 (überläßt damals das Kloster Marchthal an den Bischof von Constanz) und 1252 (stellt dem Kloster Reichenbach eine Urkunde aus. Kuen Coll. 2, 71) und hat nach Allem damals nicht bloß einen vorübergehenden Sitz hier gehabt.
  2. Es werden mehrere Stellen angegeben, an denen die Huttenseiche gestanden seyn soll, so z. B. auf Vaihinger, auf Sindelfinger, auf Ehninger Markung und im Walde „Baumgarter Wand,“ zwischen Böblingen und Holzgerlingen auf Böblinger Markung.
  3. Mercurius mit Mantel (Caduceus), ein Bock links zu seinen Füßen (s. württ. Jahrb. Jahrg. 1835. S. 12). In dem K. Antiquarium zu Stuttgart aufbewahrt.
  4. Sämmtliche in dem Oberamtsbezirke in neuerer Zeit aufgefundenen Reste aus der Römerzeit, als Wohnplätze, Straßen, Wasserleitungen, Anticaglien etc. wurden mit Ausnahme einiger Münzen von dem Verfasser selbst entdeckt und genau untersucht.
  5. Die Statuette von Jupiter und die broncene Speerspitze sind dem K. Antiquarium zu Stuttgart einverleibt worden, die übrigen Gegenstände befinden sich noch in der Privatsammlung des Verfassers.
  6. Das Haus gehört gegenwärtig dem Messerschmied Seeger in Sindelfingen.
  7. Am Fuß der Burghalde wurde vor einigen Jahren eine Münze von Augustus gefunden.
  8. Etwa 1/4 Stunde unterhalb dieser Stelle bei der Speidels-Mühle fand man eine römische Münze von Bronce.
  9. Dieses entschieden römische Bildwerk wurde in das K. Antiquarium nach Stuttgart gebracht und dort ausgestellt.
  10. Außer den beschriebenen zahlreichen Überresten aus der Römerzeit sind noch einzelne Münzenfunde anzuführen, wie bei Böblingen, Weil im Schönbuch und Deufringen; in letzterem Ort wurde eine römische Goldmünze von Gratianus gefunden (s. hierüber auch die betr. Ortsbeschreibung).