Textdaten
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Autor: Carl Ernst Bock
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Titel: Beruf und Bildung des Weibes
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 26, S. 305–306
Herausgeber: Ferdinand Stolle
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1854
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Originalherkunft:
Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
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Beruf und Bildung des Weibes.

Auch die Frauen bedürfen wie die Männer einer Vorbildung für’s Leben, um ihre Stellung darin gehörig ausfüllen zu können. Zum Theil übernimmt zwar das Leben selbst, die Gesellschaft oder auch das Haus, dieses Geschäft, aber doch nicht immer und oftmals nicht auf die rechte Weise. Auch reicht die Bildung, welche Schulen oder Erziehungsanstalten dem in’s Leben eintretenden Mädchen mitgeben, zu diesem Zwecke selten aus, bedarf wenigstens der Wiederauffrischung und Fortsetzung. Es geht den Frauen auch darin oft wie den Männern, daß sie Manches gelehrt bekommen, was sie für ihren eigentlichen Lebensberuf nicht brauchen können und dagegen Vieles nicht lernen, was sie so nöthig brauchten. Aber den Mann zwingt der äußere Beruf und leitet ihn zugleich an das Versäumte nachzuholen, bei den Frauen fehlt dagegen nur zu oft im spätern Leben diese Anleitung und dieser Anstoß von außen, und so bleiben sie gar häufig von jener Bildung fern, welche gleichwohl erst die Frau vollständig zu dem macht, was sie sein soll.

Der Beruf der Frau ist ein dreifacher, denn 1) sie soll einem Hausstande, einem kleinern oder größern, einem eigenen oder fremden vorstehen; 2) sie soll die Erziehung von Kindern, als Mutter oder Schwester, als Verwandte oder Erzieherin von Fach leiten; 3) sie soll Mitglied eines geselligen Kreises sein und als solches ihren Platz ausfüllen, von dem engsten, traulichsten Kreise der Familie an bis zu den weitesten Kreisen der großen Gesellschaft. – Jede dieser Berufsstellungen erfordert zu ihrer rechten Ausfüllung eine entsprechende Bildung, d. h. die Erwerbung gewisser Kenntnisse und die Fähigkeit diese richtig anzuwenden.

Zur zweckentsprechenden Führung eines Haushaltes gehören Kenntnisse von den Naturkräften und Naturprocessen ebensowohl derjenigen, die außerhalb wie auch derjenigen die innerhalb [306] des menschlichen Körpers vor sich gehen, und welche bei den hauswirthschaftlichen Verrichtungen fast jeden Augenblick in Betracht kommen, wie bei Erzeugung von Wärme und Licht, bei der Wahl, Zubereitung und Aufbewahrung der Nahrungsmittel, bei Beurtheilung der Luft, Temperatur, Wohnung und Kleidung u. s. w.

Eine naturgemäße leibliche und geistige Erziehung der Kinder richtig leiten zu können, setzt aber eine Kenntniß vom menschlichen Körper insofern voraus, als erst durch diese die Gesundheit gehörig bewahrt, die Krankheit verhütet und in ihrer Ausbreitung nicht selten gehemmt, das Organ für geistige Thätigkeit richtig erhalten und bearbeitet werden kann.

Die Frau als Gesellschafterin, als Lebensgefährtin des Mannes und als Mitglied eines Familienkreises muß von dem, was in der Welt vorgeht, von dem, was den Mann beschäftigt und interessirt, wenigstens so viel kennen, um ein Verständniß dafür, ein Mitinteresse daran zu haben. Die gebildete Frau muß auch über die Gegenstände, welche in der größern Gesellschaft besprochen zu werden pflegen, über die allgemeinern Interessen des Lebens, der Kultur, der Menschheit, wenigstens soweit unterrichtet sein, um wenn auch nicht allemal selbst mitzusprechen, doch mit ihrem Geiste und Gefühle an dem Gespräche sich betheiligen, nöthigenfalls auf dasselbe eingehen zu können. Sie muß daher wenigstens einige allgemeine Begriffe von dem Kulturleben der Menschheit haben d. h. von dem, was der menschliche Geist geschaffen und erstrebt hat, was er täglich noch schafft und erstrebt, von den Fortschritten der Menschheit in Kunst, Wissenschaft, Sitte, Erfindungen und Entdeckungen u. s. w.

Bei der Erwerbung dieser Kenntnisse von der Natur und ihren Kräften, von der menschlichen Kultur und ihren Ergebnissen, kommt es durchaus nicht darauf an, eine große Masse derartiger Kenntnisse einzusammeln und das Gedächtniß damit zu überfüllen; es bedarf nur weniger, aber recht ausgewählter, recht verstandener und recht angewandter Begriffe von dem, was zu wissen und zu können nöthig ist. Eine gebildete Frau soll darum noch keine gelehrte sein, – (die sogenannten gelehrten Frauen sind sehr oft nicht wirklich gebildete) – sie soll nicht mit einer Masse, vielleicht unverdauten oder oberflächlich angelernten Wissens kokettiren, sondern sie soll das was sie weiß ganz wissen und im Leben anzuwenden verstehen, dadurch aber die Fähigkeit erlangen, durch eigenes Beobachten und Nachdenken sich selbst weiter zu bilden. Es ist ein wesentlicher Mangel in der Bildung so vieler Mädchen und Frauen unserer Zeit, daß sie, vielleicht im Besitze von Kenntnissen mancherlei Art, auch gewisser äußerer Formen und konventioneller Redensarten, doch des selbstthätigen innern Geistes- und Gemüthslebens entbehren, welches erst die wahre Bildung ausmacht und welches das weibliche Geschlecht in allen möglichen Verhältnissen liebenswürdig macht.

Darin besteht die allein wahre und allein vernünftige Emancipation der Frauen, daß sie eine solche innere Bildung statt der nur zu häufig blos äußerlichen, eine wahre Seelen- und Herzensbildung statt der bloßen Dressur des Gedächtnisses und Verstandes erstreben, daß sie sich einen offenen Sinn für die sie umgebende Natur und deren Schönheiten, sowie auch deren ernste Zwecke, ein Verständniß und ein aus diesem hervorgehendes tiefes und warmes Interesse für die Bestrebungen der Menschheit, für die Fortschritte der Kultur, kurz für das Leben und seine mannigfach wechselnden Erscheinungen, für seinen Ernst wie für seine heitern Seiten, aneignen. – Durch eine solche Bildung wird die Frau eine tüchtige Hausfrau, eine sorgsame und für ihre Sorgfalt von den schönsten Erfolgen belohnte Erzieherin, eine liebenswürdige Gesellschafterin, eine beglückende und beglückte Lebensgefährtin des Mannes, kurz das was die Frau sein soll und bei ernstem Streben so leicht werden kann.
(B.)