Bernh. Dietel, Reichenbach, Vogtl., Bleicherei, Lichtfärberei und Appretur

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Titel: Bernh. Dietel, Reichenbach, Vogtl., Bleicherei, Lichtfärberei und Appretur
Untertitel:
aus: Die Groß-Industrie des Königreichs Sachsen in Wort und Bild. Zweiter Teil, in: Die Groß-Industrie des Königreichs Sachsen in Wort und Bild.
Herausgeber: Eckert & Pflug, Kunstverlag
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1893
Verlag: Eckert & Pflug, Kunstverlag
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Commons und SLUB Dresden
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Bernh. Dietel, Reichenbach, Vogtl.
Bleicherei, Lichtfärberei und Appretur.


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Bernh. Dietel, Reichenbach, Vogtl.
Bleicherei, Lichtfärberei und Appretur.

Dieses älteste sächsische Etablissement dieses Geschäftszweiges wurde im Jahre 1829 von Herrn Franz Louis Dietel ins Leben gerufen. Der eigentliche Begründer der heutigen Firma aber ist dessen Sohn, HerrBernhard Dietel, eine Persönlichkeit, die wie wenig andere den Titel eines self-made man verdient. Reich an Herz und Gemüt, mit einer wahrhaft seltenen Arbeitskraft begabt, in Gemeinschaft seines Sohnes, des jetzigen Mitbesitzers, unermüdlich inmitten seiner Arbeiter thätig, gehört das Verständnis für deren Bedürfnisse und Wohlergehen zu seinen hervorstechendsten Eigenschaften. Ein schönes Zeugnis hierfür ist der von ihm begründete Unterstützungsfonds für alte, invalid oder krank gewordene Arbeiter, der mit einem Kapital von mehreren Tausend Mark ins Leben gerufen und alljährlich durch namhafte Beiträge zu ansehnlicher Höhe gebracht wurde.

Der ursprünglich als Blanchier- und Tuchschergeschäft arbeitende Betrieb ging im Jahre 1872 in den Besitz des Herrn Bernhard Dietel über, nachdem derselbe nahezu ein halbes Jahrhundert unter der Leitung seines Vaters gestanden hatte. Er übernahm das Geschäft unter eigenem Namen und begann unter überaus glücklichen Auspizien.

In den letzten Jahren der Geschäftsthätigkeit seines Vorgängers war die Nachfrage nach weißer Ware immer schwächer geworden, so daß es dem Etablissement zeitweilig an Arbeit gefehlt hatte. Als dagegen Herr Bernhard Dietel die Firma übernahm, begann gerade jene bekannte für die Textilbranche so glänzende Periode der 70er Jahre – eine Folge des 1870/71er Krieges – und der neue Besitzer verstand es ausnehmend, die günstige Konjunktur auszunutzen.

In den ersten Jahren des Betriebs, der mit einer nur kleinen Anzahl von Arbeitern unterhalten wurde, hatte man sich darauf beschränkt, die in Reichenbach, Treuen und Hof erzeugten resp. zu verwebenden Streich- und Kammgarne zu blanchieren. Später wurde auch Stückware in Streichgarnen zum crême, elfenbeinfarbig oder weiß Bleichen, zum Walken, Karbonisieren oder Appretieren übernommen. Aufmerksam geworden durch die in Greiz und Gera sich immer mehr entwickelnde Kammgarnindustrie, begann sodann Herr Bernhard Dietel, sich auch auf das Blanchieren und Appretieren von Kammgarnstücken einzurichten. Er that diesen weiteren Schritt vorwärts mit überraschendem Erfolge, denn die Aufträge gingen in der Folge so zahlreich ein, daß er sich genötigt sah, 1883/84 zum Baue einer neuen Fabrikanlage in der unteren Stadt zu schreiten, welche mit den neuesten, sowohl im Inlande wie im Auslande gebräuchlichen und bewährten Maschineneinrichtungen ausgestattet wurde.

Die Leistungen der Firma in ihrer Branche, vor allem auch in Bezug auf die Reinheit und Zartheit der hier in Frage kommenden Nuançen weiß, elfenbein und crême, ebenso wie die [Ξ] stets auf der Höhe der Zeit stehende Appretur der Waren wurden von der Kundschaft allseitig anerkannt und der Gründer der Firma konnte zu seiner Freude konstatieren, daß sich sein Etablissement immer mehr und mehr entwickelte und von Jahr zu Jahr Neubauten oder Neuanschaffungen von Maschinen sich nötig machten.

Die Firma, ohnedies die älteste, ist hierdurch im Laufe der Jahre zu dem bedeutendsten Etablissement dieser Branche in unserem engeren wie weiteren Vaterlande herangewachsen. Ihre Kundschaft erstreckt sich heute außer auf Sachsen, auf das ganze übrige Deutschland, hauptsächlich aber auf das Elsaß, wo es galt die französische Konkurrenz zu verdrängen. Der Transport der von ihr versandten Waren in Reichenbach und für die Städte der näheren Umgebung, wie Mylau, Netzschkau, Greiz, Elsterberg, Gera, Lengenfeld, Kirchberg etc., geschieht durch eigene, mit wasserdichter Plane versehene Wagen.

Seit dem Jahre 1887 wird Herr Bernhard Dietel von seinem Sohne Herrn Alfred Dietel in dem Bestreben „von dem Besten nur das Beste zu bieten“ auf das Nachdrücklichste unterstützt. Durch versuchsweise Aufnahme eines neuen Industriezweiges, dem Färben ganz heller Ball- und Modefarben und die damit erzielten Erfolge, sah sich die Firma veranlaßt, zum Baue einer neuen Färberei und Appretur-Anstalt in Unterhainsdorf bei Reichenbach zu schreiten, woselbst sie vorher – des Wassers wegen – das mit genügender Wasserkraft ausgestattete Schmeißersche Mühlengut mit den dazu gehörigen Grundstücken angekauft hatte. Sie betreibt in dieser neuen Fabrikanlage das Färben in ganz hellen Ball- und Modefarben auf wollene und halbseidene Gewebe als ausschließliche Spezialität. Die Dietelschen Ballfarben, welche nach eigener Methode erzeugt und für Stückware zuerst verwendet wurden, zeichnen sich ganz besonders durch Feuer, Lebhaftigkeit und Reinheit der Töne aus. Die Firma hat sich durch die Einführung dieser Nuançen schnell ein Renommee erworben.

Zur Bewältigung des Betriebes stehen 6 Cornwall-Dampfkessel mit über 500 □m Heizfläche, sowie 5 Dampfmaschinen mit insgesamt 250 Pferdekräften zur Verfügung. Als Beleuchtung der Fabriken dienen ausschließlich elektrische Bogen- und Glühlichtlampen. Der durchschnittliche Wasserverbrauch beläuft sich auf täglich 8–9000 Hektoliter und es gelangen täglich 800 Stück Ware zur Fertigstellung. Die Fabriken beschäftigen insgesamt 250–300 Arbeiter und Arbeiterinnen, davon noch einige von dem Vater, Herrn Franz Louis Dietel, mit übernommene. Der Verdienst derselben steht weit über dem durchschnittlichen Tagesverdienst. Das Einvernehmen zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern ist das denkbar beste, was auch daraus hervorgeht, daß die Frauen, sowie die herangewachsenen Söhne und Töchter eifrig danach trachten, bei der Firma Beschäftigung zu finden. So kommt es, daß ganze Familien in dem Betriebe thätig sind und gewisse Namen unter der Arbeiterschaft sich vielemale wiederholen.