Seite:Die Groß-Industrie des Königreichs Sachsen in Wort und Bild Teil 2.pdf/90

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Bernh. Dietel, Reichenbach, Vogtl.
Bleicherei, Lichtfärberei und Appretur.

Dieses älteste sächsische Etablissement dieses Geschäftszweiges wurde im Jahre 1829 von Herrn Franz Louis Dietel ins Leben gerufen. Der eigentliche Begründer der heutigen Firma aber ist dessen Sohn, HerrBernhard Dietel, eine Persönlichkeit, die wie wenig andere den Titel eines self-made man verdient. Reich an Herz und Gemüt, mit einer wahrhaft seltenen Arbeitskraft begabt, in Gemeinschaft seines Sohnes, des jetzigen Mitbesitzers, unermüdlich inmitten seiner Arbeiter thätig, gehört das Verständnis für deren Bedürfnisse und Wohlergehen zu seinen hervorstechendsten Eigenschaften. Ein schönes Zeugnis hierfür ist der von ihm begründete Unterstützungsfonds für alte, invalid oder krank gewordene Arbeiter, der mit einem Kapital von mehreren Tausend Mark ins Leben gerufen und alljährlich durch namhafte Beiträge zu ansehnlicher Höhe gebracht wurde.

Der ursprünglich als Blanchier- und Tuchschergeschäft arbeitende Betrieb ging im Jahre 1872 in den Besitz des Herrn Bernhard Dietel über, nachdem derselbe nahezu ein halbes Jahrhundert unter der Leitung seines Vaters gestanden hatte. Er übernahm das Geschäft unter eigenem Namen und begann unter überaus glücklichen Auspizien.

In den letzten Jahren der Geschäftsthätigkeit seines Vorgängers war die Nachfrage nach weißer Ware immer schwächer geworden, so daß es dem Etablissement zeitweilig an Arbeit gefehlt hatte. Als dagegen Herr Bernhard Dietel die Firma übernahm, begann gerade jene bekannte für die Textilbranche so glänzende Periode der 70er Jahre – eine Folge des 1870/71er Krieges – und der neue Besitzer verstand es ausnehmend, die günstige Konjunktur auszunutzen.

In den ersten Jahren des Betriebs, der mit einer nur kleinen Anzahl von Arbeitern unterhalten wurde, hatte man sich darauf beschränkt, die in Reichenbach, Treuen und Hof erzeugten resp. zu verwebenden Streich- und Kammgarne zu blanchieren. Später wurde auch Stückware in Streichgarnen zum crême, elfenbeinfarbig oder weiß Bleichen, zum Walken, Karbonisieren oder Appretieren übernommen. Aufmerksam geworden durch die in Greiz und Gera sich immer mehr entwickelnde Kammgarnindustrie, begann sodann Herr Bernhard Dietel, sich auch auf das Blanchieren und Appretieren von Kammgarnstücken einzurichten. Er that diesen weiteren Schritt vorwärts mit überraschendem Erfolge, denn die Aufträge gingen in der Folge so zahlreich ein, daß er sich genötigt sah, 1883/84 zum Baue einer neuen Fabrikanlage in der unteren Stadt zu schreiten, welche mit den neuesten, sowohl im Inlande wie im Auslande gebräuchlichen und bewährten Maschineneinrichtungen ausgestattet wurde.

Die Leistungen der Firma in ihrer Branche, vor allem auch in Bezug auf die Reinheit und Zartheit der hier in Frage kommenden Nuançen weiß, elfenbein und crême, ebenso wie die

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Groß-Industrie des Königreichs Sachsen in Wort und Bild. Zweiter Teil. Eckert & Pflug, Kunstverlag, Leipzig 1893, Seite 74. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gro%C3%9F-Industrie_des_K%C3%B6nigreichs_Sachsen_in_Wort_und_Bild_Teil_2.pdf/90&oldid=- (Version vom 2.4.2020)