Belagerung und Zerstörung des Schlosses Arnsberg 1762

Textdaten
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Autor: Georg Joseph Rosenkranz
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Titel: Belagerung und Zerstörung des Schlosses Arnsberg 1762
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aus: Zeitschrift für vaterländische Geschichte und Altertumskunde, Band 11
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Erscheinungsdatum: 1849
Verlag: Friedrich Regensberg
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Erscheinungsort: Münster
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Kurzbeschreibung:
siehe auch Zerstörung des Schlosses Arnsberg
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[334]
1. Belagerung und Zerstörung des Schlosses Arnsberg 1762.[1]

Diese Begebenheit des siebenjährigen Krieges ist bemerkenswerth theils wegen der außerordentlichen Belagerungsanstalten, welche man zu der Eroberung einer unwichtigen Feste schuf, theils wegen der standhaften Tapferkeit, womit die Vertheidiger derselben sich auf ihrem Posten zu behaupten suchten. Die Stadt Arnsberg hatte zu Anfang des Jahrs 1762 eine französische Besatzung von zweihundert Mann unter dem Befehl des Kommandanten Muret; sie diente dazu, die Verbindungen der Franzosen in Westfalen zu erhalten und die Truppen der Verbündeten in den benachbarten Garnisonen zu beunruhigen. Daher faßte der Erbprinz Ferdinand von Braunschweig beim Ausgang des Winters den Plan, diesen Platz, dessen Besitz sich ihm als folgenreich für den bevorstehenden neuen Feldzug darstellte, mit einem starken Korps anzugreifen und zu überwältigen. Wie das Gerücht laut wurde, daß die Bundesmacht auf Arnsberg loszugehen beabsichtige, betrieben die Franzosen die Vollendung der bereits während der Winterzeit angefangenen Befestigung mit verdoppeltem Eifer, und legten Brustwehren, Außenwerke und Palisaden an. Sie versahen [335] sich mit der nöthigen Anzahl von Kanonen und schleppten zugleich alle Geschützstücke zusammen, deren sie auf dem Schloß Schnellenberg und den adlichen Häusern Wocklum und Sundern habhaft werden konnten. Durch die getroffenen Vertheidigungsanstalten glaubten sie im Stande zu sein, dem Unternehmen der Feinde die Spitze bieten zu können, und sorglos wegen des Ungewitters, welches gegen sie im Anzuge war, überließen sie sich den Regungen ihrer nationalen Heiterkeit, ersannen allerlei Arten der Belustigung, spielten, tanzten und gaben Concerte.

Das zur Belagerung bestimmte Korps der Verbündeten setzte sich am 15. April in zwei Kolonnen in Bewegung. Die Preußen marschirten unter dem Erbprinzen über Hamm, Werl, die Haar hinauf an die Ruhr, und vereinigten sich dort mit den von Lippstadt aufgebrochenen Hannoverschen Divisionen, welche von den Generallieutenant’s von Bock und von Oheim befehligt wurden. Um den Uebergang über den angeschwollenen Fluß zu gewinnen, mußten die Zimmerleute und Tischler der umliegenden Ortschaften theils die schon vorhandenen Brücken ausbessern, theils neue schlagen helfen. Das Hauptquartier war während dieser Vorbereitungen in dem Dorfe Bremen. Am 17. passirte das ganze verbündete Heer, 15000 Mann stark, mit einem bedeutenden Artilleriezuge die Ruhr. Die Bock’schen Truppen besetzten Hövel und Hachen, der Erbprinz stellte sich bei Sundern und Hellefeld, der Generallieutenant v. Oheim an der Seite nach Meschede auf, und so war Arnsberg gänzlich umzingelt. Nach diesen vorläufigen Anordnungen ritt der Erbprinz selber auf Kundschaft aus, wobei er sich so nahe an die Festungswerke wagte, daß ihm unweit der ehemaligen Norbertiner-Abtei Weddinghausen das Pferd unter dem Leibe erschossen wurde. In der Nacht vom 18. auf den 19. April eröffneten die Belagerer einen Laufgraben in der Entfernung von ungefähr dreihundert Klafter von den Außenwerken und schoben ihren linken Flügel bis an das Gehölz vor. Dort errichteten sie zwei Batterien. Dann wurde noch [336] eine Parallele aufgeführt und mit zwei anderen Batterien gekrönt. Diese Arbeiten gingen mit der größten Schnelligkeit vor sich; man hatte sogar eine Menge von Frauenspersonen aus dem bürgerlichen Stande gezwungen, daran thätig zu sein.

Die Franzosen waren in der Stadt und Abtei Weddinghausen verschanzt. Zufolge der an sie durch den Obersten Huth ergangenen Drohung, daß man die Stadt beschießen würde, wenn sie nicht geräumt werde, verließen die Belagerten ihre seitherige Stellung, um nicht die friedlichen Einwohner mit ins Verderben zu ziehen, und wichen in das Schloß, wohin sich nun das Schauspiel des Angriffs und der Vertheidigung wendete. Die Stadt Arnsberg, so lautete das Uebereinkommen, sollte als neutral behandelt und von beiden Seiten geschont werden. Ehe noch eine Kugel gewechselt worden war, sandte der Erbprinz Botschaft an den Kommandanten der Feste, um ihn zur Ergebung zu veranlassen. Muret, der wohl einsah, daß das Schloß der ungeheueren Uebermacht der Verbündeten, welche eine Artillerie-Stärke von acht Mörsern, acht Haubitzen und vier und zwanzig Kanonen des schweren Kalibers gegen dasselbe gerichtet hatten, nicht widerstehen konnte, suchte Frist zu gewinnen und gab die Erklärung, daß er, wenn bis zum 21. April kein Entsatz eintreffe, auf folgende Bedingungen zu kapituliren Willens sei: 1. verlange er freien Abzug mit allen militairischen Ehren, allen Kanonen, einem verdeckten Wagen, sämmtlichen Kriegsbedarf und allen königlichen Gerätschaften, 2. dürfte von den Verbündeten während der noch übrigen Dauer des Krieges in das Schloß keine Besatzung gelegt werden; 3. könnte man zwar die Befestigungswerke schleifen, das Schloß selber aber müßte unbeschädigt bleiben; 4. sollte das Archiv und alles bewegliche Eigenthum des Kölnischen Kurfürsten im Schloß durchaus geschont werden.

Der Erbprinz verwarf diese Vorschläge und verlangte unbedingte Ergebung mit Auslieferung aller Vorräthe und Heergeräthschaften. Als Muret sich dessen weigerte, begann in den Reihen der Belagerer am 19. ein so entsetzliches Feuer, [337] daß in einigen Stunden nicht bloß das Schloß, sondern auch die Hälfte der Stadt in Flammen stand. Die unglücklichen Einwohner waren vor Schrecken und Verzweifelung außer sich; der Donner der Geschütze übertönte ihr Jammergeschrei. Während die Zerstörung so um sich griff, ließ man eine Zeitlang die Kanonen schweigen, und der Erbprinz benutzte den Augenblick der Pause, um seinen früheren Antrag an den französischen Kommandanten in schriftlicher Form zu erneuern. Diesmal wurde der Besatzung freier Abzug bewilligt und nur die Forderung gestellt, daß die Munition zurückgelassen werden sollte. Muret antwortete im entschiedenen Tone: seine vorige Unterhandlung wegen der Kapitulation habe bloß die Erhaltung des kurfürstlichen Schlosses zum Zwecke gehabt, jetzt, wo dasselbe schon halb in Asche liege, sei er entschlossen, den Kampf unter den Trümmern bis auf den letzten Mann auszuhalten. Zu gleicher Zeit strengten die Belagerten alle Kräfte an, um die in dem Schlosse wüthenden Flammen zu dämpfen, allein die Mühe, ihrer Herr zu werden, blieb eine vergebliche, weil die Verbündeten mit dem Schießen von Neuem fortfuhren. Kugelregen, Gluth und Rauch vertrieben die Franzosen vom Schloßhofe, und diese sahen sich nun genöthigt, in den verdeckten unterirdischen Gängen Schutz zu suchen, wo sie übrigens die Vertheidigung hartnäckig fortsetzten. Sie verriethen keine Zeichen von Entmuthigung, obgleich bis zur Mittagsstunde bereits üben 2000 Kanonenschüsse auf Schloß und Stadt gefallen, und außer 300 Feuerkugeln mehr als 12000 Bomben darin geworfen waren.

Hingerissen von Erstaunen über den heldenmüthigen Widerstand des Feindes, ließ der Erbprinz der Thätigkeit des Geschützes abermals eine Weile Einhalt geben, kam selber bis an die Barriere, und wiederholte, um der Verschwendung des Pulvers und Bleis ein Ende zu machen, seinen letzten Vorschlag, wobei er dem Kommandanten zugleich eröffnete, daß es nicht seine Absicht sei, eine so tapfere Besatzung in den Flammen umkommen zu lassen. Muret wollte indeß noch immer [338] nichts von einer Uebergabe hören, und wie die unter dem erneuerten Bombardement einstürzenden Gewölbe die Seinigen zu verschütten droheten, sammelte er die kleine Schaar wieder in den freien Raum der Festungswerke und mahnte sie, sich so lange zu wehren, bis jede Rettung verloren sei. Der Kampf dauerte noch über eine Stunde; da geschah es, daß die aus bloßen Faschinen aufgeführten Bollwerke bald nach allen Richtungen in Brand geriethen. Die von einem Feuergürtel umringte und in Rauch eingehüllte Besatzung kam dadurch in die Gefahr, dem Erstickungstode überliefert zu werden. Dies bewog endlich den herzhaften Kommandanten, das Zeichen zur Uebergabe der vernichteten Feste aufzustecken. Es war drei Uhr Nachmittags, als das Häuflein Franzosen sich zum Abmarsch durch das Galgenthor anschickte. Die Macht der Geschütze hatte ihre Wirkung blos an den Mauer- und Bauwerken gezeigt; Blut war wenig geflossen; man sagt, es sei auf beiden Seiten nicht ein Mann umgekommen.

In ehrenvoller Anerkennung der Ausdauer und Kühnheit, womit die kleine Besatzung sich Stundenlang gegen einen fünf und siebenzigfach stärkeren und an Zerstörungswerkzeugen in gleichem Grade überlegenen Feind zur Wehr gesetzt hatte, gewährte man derselben freien ungehinderten Abzug. Ein Hessisches Dragoner-Detaschement begleitete die Abziehenden bis nach Wipperfürt, wo sie von dem Korps des Markis von Constans aufgenommen wurden. Die Verbündeten nahmen unterdessen von der Trümmer- und Aschenstätte Besitz und ließen den Rest der Mauerwerke sprengen. Dann ging es ans Plündern, besonders ward alles in den unteren Räumen des zerstörten Schlosses vorgefundene kurfürstliche Gut sammt dem Archiv, und was sonst an kostbaren Geräthschaften und Kirchen-Eigenthum dorthin geflüchtet worden war, eine Beute der Soldaten. Drei und fünfzig Häuser der Stadt lagen in Schutt, die wenigen Habseligkeiten, welche die bedrängten Einwohner aus dem Feuer gerettet hatten, verloren sie größtentheils durch den Raub. Um das Maaß ihres Elends ganz zu füllen, wurden [339] sie gar noch zu Lieferungen gezwungen, und da diese nicht in gewünschter Art erfolgten, ließ der Befehlshaber des Schlosses zu Werl drei Bürger von Arnsberg als Geißeln einziehen.

Das war die Berennung der Arnsberger Feste. Noch bedecken die großartigen Ueberbleibsel der Zerstörung den Gipfel der Höhe, auf welcher einst die Grafen von Arnsberg thronten, und bezeugen in ihrer Zerrissenheit die unheilvolle Gewalt der menschlichen Vernichtungs-Kunst.

G. J. Rosenkranz.

Anmerkungen

  1. Nach dem Tagebuche des am 10. April 1766 auf dem Gute Westrich bei Werl verstorbenen Pfarrers Lorenz Hüppe, und gleichzeitigen Berichten öffentlicher Blätter.