Textdaten
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Autor: Johann Georg Theodor Grässe
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Titel: Bastian der Bärenhäuter
Untertitel:
aus: Der Sagenschatz des Königreichs Sachsen, Band 2. Anhang: Die Sagen des Herzogthums Sachsen-Altenburg, S. 325–328
Herausgeber:
Auflage: Zweite verbesserte und vermehrte Auflage
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1874
Verlag: Schönfeld
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Erscheinungsort: Dresden
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Originaltitel:
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Originalherkunft:
Quelle: Google-USA* und Commons
Kurzbeschreibung:
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[325]
21) Bastian der Bärenhäuter.
Nach K. Greß, Holzlandsagen. Lpzg. 1870 in 8. S. 24 fgg.

In Eisenberg lebte einmal vor vielen Jahren eine arme Hökerin, die mit Käse und Schwefelfaden, Dochten und Heringen einen schwunghaften Handel betrieb. Diese hatte einen Sohn, den jungen Sebastian oder Bastian, der ihr bei ihrem Handel helfen, die alte Bude auf dem Markte aufbauen, die Käse auf den Dörfern einkaufen und den Handel besorgen mußte, für alle seine Mühe und Sorgen aber nur schmale Kost und Schläge erndtete. Bastian aber ward des Dinges gar bald überdrüssig und als ihm seine Mutter einmal wegen eines kleinen Versehens einen schweren Fußschemel an den Kopf warf, da sagte er Käsen und Schwefelfaden auf ewig Lebewohl und wanderte wohlgemuth zum Thore hinaus in die weite Welt. Darinnen aber hatte er es sich noch ein wenig anders vorgestellt und er fand gar Vieles, was er sich zu Hause nicht hatte träumen lassen. Noth und Elend traten an ihn heran und trieben ihn hin und her von Land [326] zu Land, bis er endlich, nachdem er überall Kriegsdienste genommen, aber nirgends ausgehalten hatte, auf einem holländischen Schiffe nach China kam, wo er das Glück hatte, einem reichen Mandarin wegen einer Familienähnlichkeit zu gefallen und bei demselben Aufnahme und reichliche Versorgung zu finden. Nun mußte aber sein Gönner auf Befehl des Kaisers eine große Reise unternehmen und Bastian war gezwungen ihn zu begleiten. Die Reise ging, durch öde und gefährliche Steppen, wo wilde Thiere die Caravane überfielen und die Theilnehmer derselben sich aus Angst nach allen Richtungen hin zerstreuten. Bastian fand sich endlich am Ufer eines Baches liegend wieder, wo er eingeschlafen war. Als er erwachte, plagte ihn grimmiger Hunger und Durst, er wußte in der trostlosen Oede weder Weg noch Steg und wäre doch gern wieder in seinem Vaterlande und in seinem Geburtsorte Eisenberg gewesen, er sehnte sich wieder nach dem Schwarzbrod und Käse seiner Mutter zurück, und hätte herzlich gern dafür ihre Schimpfreden und Scheltworte mit in den Kauf genommen. Als er nun so in halber Verzweiflung über seine elende Lage da lag, trat auf einmal der Böse zu ihm und versprach ihm, ihn wieder in sein Vaterland zu bringen und ihm außerdem noch so viel Geld wie er wolle zu geben, dafern er ihm seine Seele verschreiben wolle. Dies schien unserem Bastian aber doch zu theuer und er lehnte den Antrag um diesen Preis ab. Da versprach ihm aber der Teufel, er wolle dasselbe für ihn thun, wenn er ihm verspreche, sich drei Jahre nicht zu kämmen und zu waschen, seine Kleidung nicht zu verändern, nie beten und nicht in die Kirche gehen zu wollen. Dies schien ihm eher ausführbar zu sein, er ging also auf den Handel ein und der Teufel hing ihm ein Bärenfell um, gab ihm viel Geld, fuhr mit ihm in die Höhe und ließ ihn dann sanft vor dem Stadtthore zu Eisenberg wieder zur Erde niederfallen.

So wanderte denn der Bärenhäuter Bastian wieder in das Thor seiner Vaterstadt ein, wo ihn aber Niemand mehr kannte, und als er zu seiner Mutter in die Stube trat, wollte [327] diese von ihm als einem ungerathenen Sohne auch nichts wissen. Ein armer Vetter jedoch erbarmte sich seiner und nahm ihn in seine Wohnung auf, wieß ihm auch eine Schlafstätte in seinem gerade leerstehenden Schweinestalle an. Dort lebte nun Bastian seinem Gelübde treu zwei und ein halbes Jahr und der Teufel schien sein Spiel schon verloren zu haben. Zum Zeitvertreib machte er den Kindern seines Vetters zuerst einige bunte Papierlaternen, wie er sie in China gesehen und anzufertigen gelernt hatte. Mit diesen Laternchen gingen die Kinder – es war gerade Weihnachtszeit – auf den Markt und ließen sie von den andern Kindern bewundern. Diese Sitte aber hat sich von der Zeit an noch bis auf den heutigen Tag in der Stadt Eisenberg erhalten. In der Adventszeit bis zum Weihnachtsabend gehen jeden Abend, sobald es dunkelt, die Kinder mit ihren seltsam geformten, bunten, von einem Lichtstümpfchen erhellten Papierlaternen, die man Pyramiden oder Permetten nennt, auf den Marktplatz, auf dem sie eine Weile herumspatziren und sich dann nach und nach in den Seitengassen des Marktes oder den langen Steinweg hinab verlieren, endlich aber als ferne Lichtpünktchen verschwinden.

Da kam nun eines schönen Tages der Teufel wieder zu Bastian und schenkte ihm, weil er doch einsah, daß er dessen Seele nicht gewinnen könne, das noch übrige Halbjahr. Dafür aber mußte ihm Bastian versprechen, in seine Bärenhaut gehüllt, jedoch mit vielem Gelde versehn, zum Doctor Urian zu gehen, sich diesem, da derselbe für seine vielen Prozesse keinen Rechtsbeistand mehr finden konnte, als Advocaten anzubieten und als Lohn für seine Dienste eine von seinen drei Töchtern zur Frau zu verlangen. Dies that denn der Bastian auch, und ward, wie ihm der Teufel vorausgesagt hatte, von dem Doctor sehr wohl ausgenommen. Derselbe versprach ihm auch, nachdem er Einsicht von seinen reichen Mitteln genommen hatte, bereitwillig eine seiner Töchter. Nun wollten dieselben aber von dem struppigen, häßlichen Bärenhäuter nichts wissen, bis endlich die jüngste und hübscheste [328] sich wohl oder übel dazu entschloß. Da wusch und kämmte der Teufel dem Bastian am Malzbache mit eigenen Händen Bart und Haupthaar, putzte ihn selbst blank und rein und gab ihm für die Bärenhaut schöne neue Kleider und außerdem noch einen großen Sack voll Geld. Damit ging aber der Bastian wieder zu seiner Braut, die in dem schmucken, wohl gekleideten Burschen ihren alten Bräutigam kaum wieder erkannte. Ihre Schwestern aber platzten fast vor Neid und ärgerten sich so, daß sie sich durch ihre Dummheit um einen so reichen, hübschen Ehegesponsten gebracht hatten, daß die eine sich im nahen Walde erhängt, die andere aber in der Schöppe ersäufte. So hatte der Teufel statt einer gar zwei Seelen gecapert[1].


  1. H. J. Christ. von Grimmelshausen erzählt ein ähnliches Märchen in seinem „Staatskram“ (Nürnb. 1684) S. 895 fg. u. darnach Ed. v. Bülow in s. Novellenbuch (Lpzg. 1835) Bd. II. S. 559 fg.