Barnum’s „weißer“ Elephant

Textdaten
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Autor: F. H.
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Titel: Barnum’s „weißer“ Elephant
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 9, S. 155
Herausgeber: Ernst Ziel
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Erscheinungsdatum: 1884
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
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[155] Barnum’s „weißer“ Elephant. (Illustration S. 156.) Ungewöhnliche Naturerscheinungen haben stets die Menschen zur Bewunderung veranlaßt und selbst die trägsten Geister zum Nachdenken herausgefordert. Sie waren oft die Quelle großer Entdeckungen und ungeahnter Fortschritte, häufiger aber dienten sie als bequeme Grundlage für die ungeheuerlichsten Anschauungen über das Wesen der Dinge und das Walten des Schicksals im Menschen- und Völkerleben. In dem Ungewöhnlichen glauben die Befangenen ein Wunder schauen zu müssen und beugen vor ihm das Knie.

Diesem allgemein menschlichen Gefühl ist es auch zuzuschreiben, daß einige asiatische Völker in selten gefärbten Thieren höhere Wesen erblickten und weißen Elephanten eine besondere Verehrung zollten, ebenso wie sie auch weißen Affen mit gewisser Achtung begegnen. Noch heute soll in Siam und Birma die Sitte bestehen, daß man solche Elephanten als heilige Thiere anbetet und ihnen den Namen „Herr“ und „König“ beilegt. Bis jetzt stand diese Thatsache in Büchern verzeichnet, ohne die Gemüther der Europäer irgendwie zu erregen, und nur eine ungeheuere Reclame konnte es zu Stande bringen, daß in den letzten Wochen ein solcher angeblich „heiliger“ und nicht einmal ganz weißer Elephant allen Völkern Europas in getreuer Abbildung vorgestellt wird, und daß selbst Gelehrte über seine „Heiligkeit“ streiten. Und wir brauchen uns über [156] diese Berühmtheit des seltenen Thieres nicht zu wundern, denn es ist ja der „König der Reclamemacher“, der Amerikaner Phineas Taylor Barnum, der für seinen „Toulong-Talong“ zahllose Agenten und Zeitungsreporter in Bewegung setzte.

Dieser erfinderische Kopf, der durch sein Werk über die Kunst, Geld zu machen, in letzter Zeit auch den Lesern der „Gartenlaube“ näher bekannt wurde, bemerkte wohl, daß die Menschen den Kolossen der Thierwelt ein großes Interesse entgegentragen, und glaubte sogar eine besondere Menschenrasse gefunden zu haben, die gerade für die Elephanten eine besondere Vorliebe zeigt und die er darum mit dem köstlichen Worte „Elephantropen“ bezeichnete. Für diese hatte er vor etwa zwei Jahren den Riesenelephanten des Zoologischen Gartens in London für eine hohe Summe gekauft und mit dem gebührlichen Pomp nach New-York gebracht. Der unermüdliche Mann war aber mit diesem Erfolge nicht zufrieden, er wollte sich selbst überbieten und seinem Publicum eines der seltensten Thiere, einen heiligen weißen Elephanten vorstellen. Er schickte einen Agenten nach Siam, welcher dort um jeden Preis von dem Könige einen solchen „Herrn“ kaufen oder borgen sollte. Nach allen in die Welt ausgesprengten Erzählungen gestaltete sich diese Reise zu einem sensationellen Abenteuer.

Barnum’s „weißer“ Elephant.

Der König von Siam, der mehrere weiße Elephanten besitzt, weist den Agenten Barnum’s mit Entrüstung zurück. Da erfährt der Abgewiesene, daß ein siamesischer Stammeshäuptling ein solches Thier besitze, und es gelingt ihm, dasselbe für den ungeheueren Preis von 100,000 Dollar zu erwerben. Mit Mühe und Noth bringt der schneidige Geschäftsmann seinen Elephanten bis nach Singapore. Aber die Siamesen wollen es nicht dulden, daß dieses „Heiligthum“ in das Land der Ungläubigen geschleppt werde, und es findet sich ein religiöser Fanatiker, der diese „Gottheit“ vergiftet und ruchloser Weise Barnum um 100,000 Dollars ärmer macht.

Aber der Schaubudenkönig läßt sich durch diesen Verlust nicht abschrecken; er posaunt in die Welt hinaus, daß er für einen zweiten weißen Elephanten 200,000 Dollars zahlen werde. Das bringt die Sache von Neuem in Fluß. Im Siam und Birma wird mit Fürsten und Königen unterhandelt, und endlich entschließt sich König Thibau von Birma, dem Amerikaner einen seiner heiligen Elephanten gegen Geld und gute Worte abzutreten. Es wird ein Contract aufgesetzt, und der reiche Mann, der den Elephanten kauft, muß sich verpflichten, für ihn mit Liebe zu sorgen und auch zwei buddhistische Priester mitzunehmen, durch deren Gebete das Königreich vor etwaigem Unglück bewahrt werden solle, wenn Toulong-Talong, so heißt nämlich der Elephant, in das „Land der Heiden“ eintreten würde.

Geduldig läßt sich nun das heilige Thier auf einen Dampfer bringen, landet glücklich in Liverpool und trifft am 18. Januar in London ein.

Die Zuschauer strömen in Massen herbei. Die Reclame verstummt, und die Kritik ergreift das Wort. Man hoffte in der That einen rein weißen Elephanten zu sehen, der bekanntlich als Albino unter seinen dunklen Stammesgenossen ein selteneres Naturspiel bildet, als bei uns zu Lande die weißen Hirsche. Aber arge Enttäuschung. Der Elephant ist nicht weiß, sondern aschgrau, er hat zwar blasse Ohren und helle Flecken am Kopf und Hals und auf dem Rücken, er hat auch weiße Nägel und hellgefleckten Rücken, er ist ein schönes, sehr seltenes Exemplar, aber keineswegs weiß. Und wenn er nicht weiß ist, so ist er auch nicht heilig, folgern die Ungläubigen und erklären die Anbetungen der buddhistischen Priester für eitel Humbug. Man schüttelt dazu den Kopf, aber geht hinein, um sich von der Färbung des göttlichen Thieres zu überzeugen, und man thut in London eben das, was Barnum wollte, man bezahlt den hohen Eintrittspreis, und wird dasselbe auch in Nordamerika thun. Der König der Schaubudenbesitzer kennt sein Publicum.