Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Zurkan, Johann
Band: 60 (1891), ab Seite: 315. (Quelle)
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Zupitza, Julius (Sprachforscher, geb. zu Kerpen bei Oberglogau im Kreise Neustadt o. S. Jänner 1844). Sohn des Gutsbesitzers und Hauptmanns, später Majors a. D. Andreas Zupitza aus dessen Ehe mit Adelheid geborenen Albrecht, besuchte er mehrere Jahre die Schule seines Heimatsortes und kam zu Michaelis 1854 auf das königlich katholische Gymnasium in Oppeln. Von den Lehrern desselben hatte namentlich der Oberlehrer Johannes Ochmann einen großen Einfluß auf die Entwickelung der philosophischen Neigungen des Schülers. Im Herbst 1862 bezog Zupitza die Universität Breslau. Unter den Vorlesungen, die er im ersten Semester hörte, befanden sich die des Professors Stenzler über vergleichende Grammatik der indogermanischen Sprachen, die ihn besonders anregten, in den nächsten Semestern bei Dr. Friedrich Pfeiffer und Prof. Heinrich Rückert eifrigst altgermanische Studien zu treiben, ohne daß er darum die classische Philologie vernachlässigte, in der ihm namentlich Prof. Hertz ein anregender Führer war. Auf Rückert’s Rath ging er dann Ostern 1864 nach Berlin. Zu Müllenhoff, an den er durch Dr. Hertz empfohlen wurde, trat er bald in ein näheres Verhältniß, dem er außerordentlich viel verdankt; neben Müllenhoff’s Vorlesungen sind noch besonders Haupt’s Erklärungen römischer und griechischer Schriftsteller als für ihn fruchtbringend hervorzuheben. Nachdem er am 17. November 1865 vor der philosophischen Facultät zu Berlin das Doctorexamen bestanden (es prüften ihn Müllenhoff in den germanischen Sprachen, Haupt [316] im Lateinischen [Properz], Böckh im Griechischen [Thucydides], Trendelenburg in der Philosophie [Plato]), wurde er am 8. December desselben Jahres zum Doctor der Philosophie promovirt auf Grund einer Dissertation „Prolegomena ad Alberti de Kemenaten Eckium“. Am Anfange des nächsten Jahres bestand er vor der königlich wissenschaftlichen Prüfungscommission zu Berlin die Lehramtsprüfung und erhielt dabei die Berechtigung, Deutsch, Lateinisch und Griechisch in allen Classen zu lehren. Von Ostern 1866 bis Ostern 1867 legte er dann sein Probejahr ab am Gymnasium in Oppeln und war darauf bis Ende October 1868 wissenschaftlicher Hilfslehrer am königlich katholischen Matthias-Gymnasium in Breslau und zugleich Mitglied des pädagogischen Seminars eben daselbst. Im folgenden Winter habilitirte er sich an der Breslauer Universität als Privatdocent für deutsche Philologie, indem er kurz vor Weihnachten einen Vortrag über die Nibelungensage vor der Facultät hielt, am 29. Jänner 1867 seine Schrift „Verbesserungen zu den Drachenkämpfen“ nebst den angehängten Thesen vertheidigte und den Tag darauf seine Antrittsvorlesung über die Gudrun hielt. Seine Vorlesungen beschränkten sich bald nicht auf die deutsche Philologie, sondern erstreckten sich auch aufs Englische, sowie aufs Altfranzösische und Provenzalische. Im April 1872 wurde er zum außerordentlichen Professor für nordgermanische Sprachen an die Universität Wien berufen. Herr von Dumreicher mokivirt in seiner Schrift: „Verwaltung der Universitäten“ eingehend diese Berufung, wodurch zum ersten Male eine Vertretung der nordgermanischen Sprachen in Oesterreich stattfand. Mit seiner Berufung wurde Zubitza zugleich für den ganzen Sommer Urlaub ertheilt, den er in England zubrachte; er hat seitdem öfter England in den Ferien wieder besucht, nämlich in den großen Ferien 1874, 1877, 1878, 1879, 1880, 1882, 1887, 1890 und in den Osterferien 1884. Im Sommer 1875 wurde seine Professur in eine ordentliche verwandelt; doch schon im Herbst 1876 vertauschte er diese mit der neugegründeten ordentlichen Professur für englische Philologie an der Universität Berlin. Seit Ostern 1877 ist er ordentliches Mitglied der wissenschaftlichen Prüfungscommission zu Berlin für Englisch. Vom 15. October 1880 bis ebendahin 1881 war er Decan der philosophischen Facultät. Außer den schon erwähnten zwei Dissertationen und einer Anzahl von Aufsätzen in verschiedenen Zeitschriften, namentlich in der von Haupt begründeten „Zeitschrift für deutsches Alterthum“, in der „Anglia“, in den „Englischen Studien“, in dem „Archiv für das Studium der neueren Sprachen und Literaturen“, das er seit Anfang 1890 mitherausgibt, sind von ihm erschienen: „Ueber Franz Pfeiffer’s Versuch, den Kürenberger als den Dichter der Nibelungen zu erweisen“, in der dem Director Dr. August Stinner in Oppeln aus Anlaß dessen 25jährigen Directorjubiläums am 17. März 1867 vom Lehrercollegium gewidmeten Schrift S. 25 bis 31. – „Rubin’s Gedichte, Kritisch bearbeitet“ (Oppeln 1867, A. Reisewitz), Müllenhoff zu seinem 25jährigen Doctorjubiläum am 7. April 1867 gewidmet; – „Einführung in das Studium des Mittelhochdeutschen. Zum Selbstunterricht für jeden Gebildeten“ (Oppeln 1868, Reisewitz; 2. Aufl. 1874; 3. Aufl. 1884: 4. Aufl. 1890); – „Dietrichs Abenteuer von Albrecht von Kemenaten nebst den Bruchstücken von [317] Dietrich und Wenezlar“ (Berlin 1870, Weidmann’sche Buchhandlung) [„Deutsches Heldenbuch“, 5. Theil]; – „Zur Literaturgeschichte des Guy von Warwick“ (Wien 1873, K. Gerold); aus dem Julihefte des Jahrgangs 1873 der Sitzungsberichte der phil. histor. Classe der kaiserlichen Akademie der Wissenschaften“ Bd. LXXIV, S. 623 besonders abgedruckt; – „Altenglisches Uebungsbuch zum Gebrauche der Universitätsvorlesungen, mit einem Wörterbuche“ (Wien 1874, Braumüller); später unter dem Titel: „Alt- und mittelenglisches Uebungsbuch“ u. s. w. (2. Aufl. 1882; 3. Aufl. 1884; 4. Aufl. 1889); „The Romance of Guy of Warwick. The second or 15th century Version. Edited from the Paper Ms. Ff. 2. 38 in the University Library, Cambridge“ (London 1875 bis 1876 [Early English Text Society, Extra Series XXV – XXVI]); – „Cynewalt’s Elene mit einem Glossar herausgegeben“ (Berlin 1877, Weidmann’sche Buchhandlung; 2. Aufl. 1883; 3. Aufl. 1888); – „Arlfrie’s Grammatik und Glossar. Erste Abtheilung: Text und Varianten“ (Berlin 1880, Weidmann’sche Buchhandlung); – „Chaucer. The Book of the Tales of Canterbury. Prolog (A 1–858) mit Varianten, zum Gebrauch bei Vorlesungen herausgegeben“ (ebd. 1882, Weidmann’sche Buchhandlung); – „Beowulf. Autotypes of the Unique Cotton Ms. Vitellius A XV in the British Museum with a Transliteration and Notes“ (London 1882, Early English Text Society, Original Series 77; – „The Romance of Guy of Warwick. Edited from the Auchinlak Ms. in the Advocates-library-Edinburgh and from Ms. 107 in Caius College Cambridge Part I 1883, Part II 1887, Part III 1891“ (London, Early English Text Society, Extra Ser. XLII, XLIX, LIX; – demnächst soll erscheinen: „Specimens of all the Accessible Unprinted Manuscripts of the Canterbury Tales. The Doctor-Pardoner Link, and Pardoner’s Prologue and Tale. Part I: Seven Mss.“ Herr Dumreicher schließt seine ausführliche Charakteristik unseres Gelehrten mit den Worten: „Zupitza erscheint als eine junge Kraft, um deren Besitz die Wiener Facultät beneidet werden darf, zumal auch seine didaktische Befähigung von mehreren Capacitäten der Berliner und Breslauer Universität lebhaft constatirt wurde und sich in Wien bereits vollständig bewährt hat.“ Leider hat man diese Capacität in Oesterreich nicht zu fesseln gewußt.

Dumreicher. Die Verwaltung der Universitäten seit dem letzten Systemwechsel (Wien, 1873, 8°.). S. 80. – Deutscher Literatur-Kalender auf das Jahr 1889. Herausgegeben von Jos. Kürschner (Berlin und Stuttgart, Spemann, 32°.) XI. Jahrg. (1889) S. 561.