BLKÖ:Wratislaw-Mitrowicz, Wenzel

Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Band: 58 (1889), ab Seite: 161. (Quelle)
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32. Wenzel (geb. 19. Juni 1576, gest. 22. November 1635), der Stifter der Linie, welche nach ihm ob seiner Reisen in der Türkei und den auf derselben bestandenen Gefahren und Drangsalen die „türkische“ genannt wird. Der älteste Sohn des Freiherrn Stephan aus dessen Ehe mit Katharina von Bieschin, erhielt er den ersten Unterricht von den damals von Kaiser Ferdinand II. nach Böhmen berufenen Jesuiten. Bei dem feurigen Sinne des Jünglings ging es aber mit der Erlernung des Latein nicht besonders vorwärts, und er war vielmehr von dem Drange erfüllt, die verschiedenen Länder der Erde zu besuchen. Als er das 15. Lebensjahr erreicht hatte, trug er seine Absicht den Eltern vor, die ihn jedoch für zu schwach erklärten, die Strapazen einer Reisen auszuhalten, und ihn auf eine spätere Zeit vertrösteten. Der Jüngling aber gab nicht nach, und als eben damals wieder eine Gesandtschaft an den Sultan vorbereitet wurde, baten die Eltern Kaiser Rudolph II. um die Erlaubniß, daß ihr Sohn sich dieser Gesandtschaft anschließen dürfe. Die Erlaubniß wurde gewährt, und Wenzel Wratislaw trat in der Eigenschaft eines Edelknaben des kaiserlichen Gesandten Friedrich von Krechwitz die Reise an. Dieselbe ging durch das damals von den Türken zum größeren Theile eroberte Ungarn im Herbste 1591 vor sich. Bis Gran reiste die Gesandtschaft unter kaiserlichem Geleite. Von da ab kam sie unter die Obhut der Osmanen, die bei der feindlichen Stellung, welche diese den Kaiserlichen gegenüber einnahmen, nicht gerade zärtlicher Natur war. Doch ging die Reise auf der Donau im Ganzen anstandslos vor sich, besonders in der Strecke durch Bulgarien wirkte sie auf den Jüngling anziehend. Nur einmal, als sich Wratislaw mit einigen Reisegefährten zu weit vom Schiffe entfernt hatte und an den Meeresstrand gerathen war, kam er in die Gefahr, von Seeräubern ergriffen zu werden. Derselben entging er zwar durch eiligste Flucht, der Gesandte aber, nachdem er den Vorfall vernommen, bedrohte den jungen Wratislaw mit körperlicher Züchtigung, und dieser blieb nur durch die Fürbitte der Türken verschont, welche den jungen Edelmann auf diesem Ausflug begleitet hatten. Der Aufenthalt in Constantinopel brachte im Anbeginn keine Gefahren und Unannehmlichkeiten. Nur der Besuch eines Harems, in den er nicht aus eigenem Antrieb gelangte, sondern durch einen geglückten Bestechungsversuch von Seite der Bewohnerinen des Harems, die den Gesandtschaftsaga gewonnen und beredet hatten, ihnen den jungen Wratislaw, den sie wiederholt gesehen und an dem sie Gefallen gefunden, zu überbringen, trug ihm die empfindliche Strafe von Seite seines Gesandten ein, von der er einmal auf Fürbitte Anderer verschont geblieben. Als um diese Zeit mehrere böhmische Edelleute in Constantinopel auf der Durchreise nach Jerusalem ankamen, wollte sich der junge Wratislaw den Wallfahrern anschließen, gab aber wegen Ausbruches der Pest in Syrien sein Vorhaben auf. Indessen gestalteten sich die Beziehungen zwischen der Pforte und dem Kaiser, da dessen Truppen in Ungarn einige Vortheile gegen die Türken errungen hatten, immer mißlicher und gediehen zuletzt so arg, daß der Gesandte von Krechwitz von den Türken festgenommen wurde, worauf er im Lager des türkischen Heerführers infolge der erlittenen Mißhandlungen gestorben sein soll. Die übrigen Gesandtschaftsmitglieder wurden verhaftet. Wratislaw an den Gesandtschaftscaplan Johann Winorze angekettet und in den sogenannten schwarzen Thurm gebracht. Die Haft, welche Wratislaw zu erdulden hatte, war grausam, alle Versuche, [162] die Befreiung zu erlangen, scheiterten an den verschiedenartigsten Umständen; erst als der bisherige Großvezier Sinan Pascha in Ungnaden fiel und an dessen Stelle Ibrahim Pascha trat, der den Kaiserlichen wohlwollte, erlangte Wratislaw durch reiche Geldspenden die Freiheit. Die Reise durch Ungarn in seine Heimat war mit nicht geringen Gefahren verknüpft, da ersteres Land ein steter Schauplatz der Kämpfe zwischen den Kaiserlichen und Osmanen war. Endlich nach vierjähriger Abwesenheit kehrte Wratislaw 1595 heim, wo er, da indessen sein Vater Stephan gestorben, das väterliche Erbe antrat. Nun nahm er kaiserliche Dienste an und versah verschiedene Aemter. Als dann die Wirren in seinem eigenen Vaterlande ausbrachen, hielt er treu zu seinem Kaiser und wurde infolge dessen von den rebellischen Ständen zum Landesverräther erklärt und seiner Güter beraubt. Nach der Schlacht am weißen Berge 1620 gab der Kaiser seinem getreuen Diener die diesem von den Rebellen geraubten Güter zurück, ernannte ihn zum Kreishauptmann, dann zum obersten Landrichter und erhob ihn in den Grafenstand. Wratislaw starb nahezu 60 Jahre alt. Aus seiner Ehe mit Ludmilla Gezowsky hatte er mehrere Söhne und eine Tochter. Letztere, Elisabeth, vermälte sich mit Nicolaus Deym. Von den Söhnen pflanzten Johann[WS 1] Albert, Adam Leopold und Peter Ernst das Geschlecht fort; aber die Nachkommenschaft Johann Alberts erlosch schon in der zweiten, jene Adam Leopolds in der dritten Generation, und nur jene des Peter Ernst gedieh bis auf unsere Tage, in welchen sie in mehreren Zweigen fortblüht. Die Reise nach Constantinopel und alle auf derselben erlittenen Drangsale hat Wratislaw niedergeschrieben. Dieselbe, in čechischer Sprache verfaßt, befand sich in Handschrift unter dem Titel: „Příhody Wácslawa Wratislawa swobodného pána z Mitrowic, kteréž w tureckém hlawním městě Constantinopoli widel, w zajetí swém 1591 skusil a po štastném do wlastí swé se nawrácení sám léta 1599 sepsal“, d. i. Schicksale des Wenzel Wratislaw Freiherrn von Mitrowicz, welche derselbe in der türkischen Hauptstadt Constantinopel auf seiner Reise im Jahre 1591 erlebt u. s. w. Ein Nachkomme des Grafen, den wir Hynek Wratislaw genannt finden, bereitete die Herausgabe des Manuscriptes im Jahre 1727 vor, sie kam aber nicht zu Stande, und erst Martin Pelzel veranstaltete sie zu Prag im Jahre 1777, worauf durch Kramerius 1805 eine neue Ausgabe erfolgte. Auch erschien eine deutsche Uebersetzung unter dem Titel: „Merkwürdige Gesandtschaftsreise des Grafen Wratislaw nach Constantinopel“ (Leipzig 1786 [Schönfeld in Prag] 8°.), welcher Titel in Kaiser’s „Bücherlexikon“ Bd. VI, S. 293 zur merkwürdigen „Gesundheitsreise“ entstellt ist. Diese deutsche Uebersetzung ist von Joseph Schiffner ausgeführt worden. [Pelzel (Martin). Abbildungen böhmischer und mährischer Gelehrten und Künstler u. s. w. (Prag 1775, Hruba, 8°.) Theil II, S. 27 u. f. – Schiffner (Joseph). Galerie der interessantesten und merkwürdigsten Personen Böhmens, nebst der Beschreibung merkwürdiger böhmischer Landesseltenheiten alter und neuer Zeiten (Prag 1803, J. Buchler, 8°.) Bd. IV, S. 248–299. – Obecné listy, d. i. Allgemeine Zeitung (Prag, Kober, 4°.) 1860, S. 101 u. f. – Porträts. 1) Unterschrift: „Wenceslaus Comes | Wratislaw de Mitrowicz“ Balzer sc., Pragae (8°.). – 2) Holzschnitt ohne Angabe des Zeichners und Xylographen in der vorerwähnten Kober’schen „Obecné listy“.] –

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Johannn