BLKÖ:Woronicz, Johann Paul

Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Worobkiewicz, Isidor
Band: 58 (1889), ab Seite: 116. (Quelle)
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Woronicz, Johann Paul (Bischof von Krakau, geb. in Volhynien 1757, gest. zu Wien am 4., nach Anderen am [117] 8. December 1829). Ein Sohn des Johann Woronicz aus dessen Ehe mit Marciana aus dem Hause Kmita. Ueber den Adel des Vaters fehlen uns alle Nachrichten, doch jener der Familie Kmita, welcher die Mutter angehört, ist einer der ältesten Polens. Johann Paul besuchte die Schulen der Jesuiten in Ostrog, wo er später selbst in deren Orden eintrat und wie es in demselben üblich war, im Lehramte beschäftigt wurde. Nach Aufhebung des Ordens kam er ins Kloster der Missionäre in Warschau. Bei denselben stand er vier Jahre als Seelsorger in den bischöflichen Diöcesen von Kiew und Chelm in Verwendung. In letzterer lernte ihn bei dem Bischof Matthias Garnysz, der zugleich Vicekanzler der Krone war, König Stanislaus August kennen. Dieser ward durch den seltenen Geist, den Woronicz auf dem vierjährigen Landtage und in ein paar politischen Flugschriften, die er hatte erscheinen lassen, kundgab, bald auf den reichbegabten Priester aufmerksam, und er verlieh ihm zunächst die infulirte Propstei von Liwa; dann 1797 die Propstei von Kazimierz und zuletzt jene von Powsin nächst Warschau. In den Tagen des Herzogthums Warschau wurde Woronicz Dekan des Capitels daselbst und Rath der Stände; bei Errichtung des Königreichs Polen auf dem Wiener Congresse 1815 Bischof von Krakau und nach zwölfjähriger Wirksamkeit daselbst 1827 Erzbischof von Warschau, Metropolit und Primas des Königreichs Polen. In dieser Eigenschaft krönte er am 24. Mai 1829 zu Warschau den russischen Kaiser Nicolaus mit der russischen Kaiserkrone zugleich als König von Polen. Doch sein hohes Alter machte sich bereits geltend, ein älteres Leiden trat immer bedenklicher auf, die Aerzte schickten ihn zur Linderung desselben in die böhmischen Bäder, ungeheilt verließ er dieselben und fuhr, um den Rath der Wiener Aerzte einzuholen, über Regensburg nach Wien, wo ihn aber in kurzer Zeit der Tod ereilte. Die Leiche wurde von Wien nach Krakau gebracht und dort in der Kathedrale auf dem Wawel zur ewigen Ruhe gebettet. Es ist ein reiches und ungemein fruchtbares Priesterleben, das sich uns in Woronicz darstellt, welcher Poet, Historiker, Staatsmann, Redner und kirchlicher Würdenträger zugleich und in allen diesen Gestalten eine Größe ersten Ranges ist. Bereits 1783 tritt er als Dichter auf, als dann 1795 die Theilung Polens statthatte, huldigte er noch mehr der Muse und fand in ihr Trost über das Unglück seines Vaterlandes. Später, als angesehene und gelehrte Männer seines Volkes daran gingen, in Warschau die Gesellschaft der Wissenschaftsfreunde zu gründen, trat er derselben als eines der ersten Mitglieder bei und sprach als solches den Gedanken aus, eine Sammlung nationaler Denkmäler anzulegen. Bald vollzog sich auch die Verwirklichung dieser Idee, als die Fürstin Isabella Czartoryska in Pulawy eine Sammlung polnischer Alterthümer veranstaltete. Er selbst weilte in jenen Tagen oft in diesem Orte, und daselbst entstanden die herrlichen Dichtungen „Die Sibylle“, „Der Reichstag von Wislica“, welche zu den Zierden der epischen Poesie Polens gehören. Später nach Powsin versetzt, lebte er dort ganz den seelsorgerlichen Pflichten für seine Gemeinde, verschönerte, mit ungewöhnlichem Geschmack begabt, seinen priesterlichen Sitz und trug sich mit dem Gedanken eines großen Cyclus polnischer Epen, genannt Lechiade. Wohl legte er sich deren Ausführung für spätere [118] Tage zurück, fand jedoch dann weder Muße noch Stimmung, daran zu gehen. Es fällt uns schwer, eine genaue, streng bibliographische Uebersicht der Werke des edlen Kirchenfürsten zusammenzustellen, die übrigens eben nur für den Bibliographen von Interesse ist, da ja eine Sammlung von Woronicz’s Dichtungen und übrigen Schriften Joseph Czech in Krakau 1832 in sieben Bändchen herausgegeben hat. Doch versuchen wir es, eine chronologische Folge seiner Werke zu bringen. Zuerst erschien die „Sielanka Bolechowice“, d. i. Die Idylle von Bolechowic (1784), dann folgten: „Sibylla, poema historyczne w czterech piesniach z wizerunkiem“, d. i. Sibylle, historische Dichtung in vier Gesängen mit einem Stahlstich (die h. Sibylle)“ (Lemberg 1818, Wojciech Niebylski, 4°., VIII und 104 S.); das Buch, wahrscheinlich in Warschau oder Krakau, aber nicht in Lemberg, wie auf dem Titel steht, gedruckt, gehört zu den bibliographischen Seltenheiten, denn es kam ohne Wissen des Dichters heraus; daraus erklärt sich auch die gleich im Eingange an den Autor gerichtete Bitte des Herausgebers: „I odpusć nam naszy winy“ (d. i. Und vergib uns unsere Schuld); – „Assarmot syn Jektana, pra-prawnuk Sema, praszczur Noega, narodów Sarmackích patryarcha“, d. i. Assarmot, der Sohn des Jektan, der Ururenkel des Sem, der Urgroßvater des Noe, Patriarch der sarmatischen Völker u. s. w., ein historisches Gedicht, das zuerst im „Pamiętnik Warszawski“, Mai 1805 abgedruckt war; – „Lech, poema historiyczne w trzech pieśniach“, d. i. Lech, historisches Gedicht in drei Gesängen (unvollendet); – „Hymn do Boga, o dobrodziejstwach opatrznosci narodowi polskiemu wyswiadzonych, po upadku Polski“, d. i. Hymnus zu Gott von den der polnischen Nation nach dem Falle Polens erwiesenen Wohlthaten der Vorsehung; – „Sejm Wislicki, ulomek z poematu: Slawniejsze czyny Polakow“, d. i. Der Reichstag von Wislica, Bruchstücke aus dem Gedichte: Glorreiche Thaten der Polen; – „Zjawienie Emilki“, d. i. Die Erscheinung Emiliens, Gedicht; – „Wiersz na pokoje nowe w zamku krolewskim, obrazami slawniejwszych czynow polskich, portretami, biustami znakomitszych polakow ozobione“, d. i. Gedicht auf die neuen Gemächer im Königsschlosse, geschmückt mit Darstellungen aller berühmten polnischen Begebenheiten, mit Bildnissen, Büsten der hervorragendsten Polen, dann lyrische und andere kleinere Gedichte. Aber wenn Woronicz auch der Poesie huldigte und mit Begeisterung, wie sie nur den wenigsten seiner dichtenden Landsleute vor ihm gegeben war, seine Schöpfungen schrieb, die damals das Land mit Hoffnungen erfüllten, welche sich nicht verwirklichten, so vergaß er darüber doch nie, daß er auch Priester, Seelsorger der seiner Führung anvertrauten Gemeinden sei, und erfüllte sein priesterliches Amt mit gleichem Pflichtgefühl, wie jeder andere Seelenhirt. Der Gabe der Rede, wie selten Einer, mächtig, hinterließ er auch Predigten, die ihn den berühmtesten Kanzelrednern seines Volkes, einem Birkowski, einem Skarga gleichstellen, und seine Landsleute nannten ihn den polnischen Bourdaloue. Seine bei einzelnen festlichen Gelegenheiten gehaltenen und zerstreut gedruckten Reden sind gesammelt zu Warschau und Krakau in den Jahren 1789 und 1826 erschienen; außerdem gab Czech in Krakau zuerst eine Sammlung in zwei Bänden 1829 [119] unter dem Titel heraus: „Kazania czyli nauki parafialne; na niektore niedziele i swięta oraz nauki przygodne“, d. i. Predigten oder Christenlehren für verschiedene Sonn- und Feiertage u. s. w., wovon dann eine neue Auflage in drei Bänden 1832 erschien, und zuletzt: „Mowy pogizebowe i homilie dotąd drukiem nieogloszone“, d. i. Leichenreden und durch den Druck noch nicht veröffentlichte Homilien (Krakau 1860, 8°.), aus des Autors eigenhändigen Entwürfen gesammelt. Doch ist dies lange nicht eine vollständige Sammlung der von Woronicz gehaltenen Kirchenreden, deren eine große Anzahl ungedruckt in Handschrift geblieben. Daß er von seinen Landsleuten hoch gehalten ist, begreift sich bei der Vaterlandsliebe, die alle seine Arbeiten durchweht, und der Begeisterung, die in allen seinen Gedichten athmet, sehr leicht, und er verdient auch in der stattlichen Reihe der polnischen Schriftsteller eine hervorragende Stelle. Manches mag wohl nicht mehr nach unserem Zeitgeschmacke sein, dies nimmt jedoch der poetischen Weihe, von der Alles, was er sprach und sang, durchhaucht ist, nichts. Schwieriger dürfte es sein, ihm die rechte Stelle in der Weltliteratur anzuweisen. Er ist von der ästhetischen Kritik mit einer Fichte verglichen worden, die ihre melancholischen Aeste über die Trümmer einer Kirche beugt. Und wenn man sich der Heiligkeit seines Berufes und Charakters, der antiken Rechtlichkeit seines Sinnes, vorzüglich der immer lebendigen, zugleich aber auch düsteren Stimmung seines Dichtergeistes erinnert, der seine grünen Blätter gleichsam über die Denkmäler des Ruhmes und der (selbstverschuldeten) Leiden seines Vaterlandes streut, so ist der Vergleich unbedingt vollkommen zutreffend. Wo Andere von der Last der Sorgen und der Pein der Schmerzen niedergedrückt oder sogar gebrochen werden, richtet er sich kräftig empor, und seine Stimme, wie seine Stellung gleicht der des Propheten. Sein vorzüglichstes Gedicht ist unbestritten das in seinen früheren Jahren entstandene „Die Sibylle“, mit großem Geschick erfunden und reich an erhabenen Bildern, welche uns in schwungvoller Sprache vorgeführt werden. Der Dichter öffnet die Gräber berühmter Könige und Krieger, und wie ihre riesigen Bilder in langer trauriger Weihe vor ihm vorüber ziehen, erinnert er sie an ihre glorreichen Thaten und den Ruhm, den sie für das Vaterland errangen, und fordert sie auf, dessen gegenwärtige Noth zu schauen; an der goldbereiften Stirn des letzten Königs erkennt er die Morgenröthe der Freiheit. In einem anderen kleineren, aber nicht minder schönen Gedichte, „Der Reichstag von Wislica“, stellt er die Polen dar mit ihren von Blut noch rauchenden Schwertern und den an ihre Pferde gefesselten Gefangenen, wie sie zusammenkamen, um einen Bund zu schließen und Gesetze zu geben über das Eigenthum, das sie so theuer erkauft hatten, und das sie so tapfer vertheidigten. Dieses an Einzelheiten von Pracht und Kraft in der Sprache reiche Gedicht ist nur das Bruchstück eines großen poetischen Nationalgemäldes, dessen oben in der Biographie Erwähnung geschieht und das der Dichter in seinen jungen Jahren entworfen, aber bei der Bürde seines heiligen Amtes auszuarbeiten nicht mehr die Zeit gefunden hat. Und wie als Poet, so steht er auch als Kanzelredner groß da, denn seine geistlichen Vorträge, mögen sie an die Großen des Reiches oder an den schlichten Landmann gerichtet sein, sind wahre Musterstücke [120] der Sprache und Meisterstücke der geistlichen Beredtsamkeit. Dabei war Woronicz auch ein Freund und Förderer der schönen Künste und ließ den bischöflichen Palast, den er in Krakau bewohnte, auf das herrlichste mit geschichtlichen Bildern ausschmücken, deren Ausführung er dem berühmten Krakauer Maler Michael Stachowicz [Bd. XXXVI, S. 314 u. f.] übertrug. Leider vernichtete die große Feuersbrunst, welche einen Theil der alten Königsstadt einäscherte, auch dieses Denkmal der polnischen Kunst. Das in den Quellen verzeichnete Hormayr’sche „Archiv“ gibt nähere Angaben über die Art dieser Ausschmückung. Łętowski in seinem Katalog der Bischöfe, Prälaten und Domherren Krakaus schreibt treffend über Woronicz: „Jeden Poeten kann man mit dem Einen oder dem Anderen vergleichen, Woronicz läßt sich mit keinem vergleichen. Seine Dichtungen sind wie die Wellen unserer königlichen Gewässer, sie fließen eine in die andere, du siehst diesem Spiele vom Strande zu und erblickst nie ein Ende. Seine Dichtungen sind wie die Klänge der Harfe Davids, welche das kranke Herz Sauls erfreuten. Seine Poesien sind durch und durch sein Eigen, sing’ sie in der Kirche oder lies sie zu Hause, aber übertrag’ sie in keine andere Sprache, denn den Gedanken kann man allenfalls wiedergeben, aber nie den Zauber der Worte, in dem er Meister war. Mit den Versen Woronicz’s ist es wie mit den Büchern Herodot’s, man kann ihre Geschichte wiedergeben, aber nicht die neun Musen, von denen sie durchweht ist. Er beherrschte wie ein König die Sprache. Achten und lieben wir ihn, einmal für das, was er uns gegeben, und dann dafür, wie er es uns gegeben. Woronicz besitzt noch kein Monument, aber er selbst ist ein Monument.“

Bentkowski (Felix). Historyja literatury polskiey, d. i. Geschichte der polnischen Literatur (Warschau und Wilna 1814, Zawadzki, 8°.) Bd. I, S. 310, – Chodynicki (Ignacy Ks.). Dykcyonarz uczonych Polaków zawierający krótkie rysy ich życia i. t. d., d. i. Lexikon der gelehrten Polen, enthaltend ihre kurzen Lebensbeschreibungen... (Lemberg 1833, Milikowski, 8°.) Bd. III, S. 335–340 [nach diesem gestorben 4. December 1829] – Encyklopedyja powszechna, d. i. Polnische Real-Encyklopädie (Warschau 1867, S. Orgelbrand, gr. 8°.) Bd. XXVII, S. 831. – Łętowski (Ludwik). Katalog biskupów, prałatów i kanoników krakowskich, d. i. Verzeichniß der Bischöfe, Prälaten und Domherren (Krakau 1852, Universitätsdruckerei, 8°.) Bd. II, S. 264 u. f. – Pamiętnik towarzystwa dobroczynnosci krakowskiego wydany z powodu obchodzonego w d. 24. i 25. czerwca 1866 pięcdziescąt letniego Jubileusza, d. i. Denkbuch der Krakauer Wohlthätigkeitsgesellschaft, herausgegeben aus Anlaß des am 24. und 25. Juni 1866 gefeierten Jubiläums ihres 50jährigen Bestandes (Krakau 1868, Kirchmayr, 4°.), S. 119–125: „Biographie des Bischofs Woronicz“. Von Heinrich Księżarski. – Rocnik XXXVI towarzystwa dobroczynnosci miasta Krakowa z roku 1854, d. i. 36. Jahrgang der Krakauer Wohlthätigkeitsgesellschaft vom Jahre 1854 (Krakau 1855, 8°.) S. 1–10: „Nekrolog“. – Rycharski (Łucian Tomasz), Literatura polska w historyczno-krytycznym zarysie, d. i. Die polnische Literatur in historisch-kritischem Abrisse (Krakau 1868, Himmelblau, gr. 8°.) Bd. II, S. 6, 13, 22, 24, 38, 50, 56. – Woycicki (K. Wl.), Historyja literatury polskiej w zarysach, d. i. Geschichte der polnischen Literatur in Umrissen (Warschau 1846, G. Sennewald, gr. 8°.) Bd. IV, S. 6. – (Hormayr’s) Archiv für Geographie, Historie, Staats- und Kriegskunst (Wien, 4°.) XIII. Jahrgang, 1822, Nr. 53, S. 287. – Blätter für literarische Unterhaltung (Leipzig, Brockhaus, 4°.) 1838, Nr. 360.
Porträt. Unterschrift: „Jan Pawel Woronicz, | Arcybiscup Warszawski Prymas [121] królestwa Polskiego | jeden z pierzwszych zalozycieli w r. 1816, Tow. Dobr. w Krakowie“. Lithogr. Czasu M. Salba w Krakowie (4°.).