BLKÖ:Wonsiedler, Joseph

Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Band: 58 (1889), ab Seite: 105. (Quelle)
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Wonsiedler, Joseph (Maler und Schriftsteller, geb. zu Gratz in Steiermark 18. December 1791, gest. in dieser Stadt am 21. September 1858). Sein Vater war Burginspector in Gratz, starb aber, als der Sohn erst drei Jahre zählte. Unter der Obhut der Mutter besuchte Joseph die Gratzer Hauptschule und das Gymnasium. Als er die 6. Classe desselben beendet hatte, erhielt die Mutter den Antrag, ihren Sohn einem geachteten Eisenhandlungshause zu Esseg in Slavonien als Handlungslehrling zu übergeben. Die Wahl war schwer, die wissenschaftliche Laufbahn [106] ganz aufzugeben, um zu einem Geschäfte überzugehen, für welches der Jüngling keine Neigung zeigte, erforderte doch Ueberlegung. Aber die Schwierigkeit, mit welcher die auf eine mäßige Pension gesetzte Mutter den Haushalt für vier Kinder bestreiten sollte und dann das Verlangen, fremde Länder, fremde Menschen zu sehen, überwogen, und Wonsiedler reiste an seinen neuen Bestimmungsort wohlgemuth ab. Daselbst angelangt, empfand er, nachdem er seinen neuen Berufszweig kennen gelernt, daß er einen Mißgriff gethan, denn zwischen einem Zögling der Humanitätsclassen und einem Lehrling in einem Waarenhause war ein fühlbarer Unterschied, und in der ersten Zeit kostete es ihm Mühe, diese Wandlung zu überwinden, bis er in sich selbst eine poetische Quelle zur Würze der prosaischen Lehrzeit entdeckte. Schon als kleiner Knabe hatte er eine vorherrschende Neigung zum Zeichnen, welche in den Studentenjahren wuchs, und nun benutzte er die freien Stunden, um dieses sein Talent ferner zu bilden. Er zeichnete nach der Natur, begann mit Wasserfarben zu malen, Alles ohne einen Lehrmeister. Nachdem er Commis geworden, verließ er das Geschäft und reiste, ohne sich vorher um eine feste Stelle beworben zu haben, nach Wien, wo er sich vor Allem zum Künstler heranzubilden dachte. Aber damit ging es doch nicht so leicht, als er es sich vorstellte, der Anblick der Kunstleistungen in der Residenz machte ihm den Abstand gegenüber den eigenen Versuchen klar, und er sah sich genöthigt, wieder als Commis in ein Geschäft zu treten; um aber doch mit der Kunst Fühlung zu behalten, suchte er zunächst einen Platz in einer Kunsthandlung, den er endlich auch bei J. Schreyvogel, dem späteren Dramaturgen, fand, der damals Inhaber eines Industriecomptoirs in Wien war und den jungen Wonsiedler in welchem er die Befähigung für seinen Zweig sofort erkannte, für sein in Pesth zu errichtendes Industriecomptoir in Dienste nahm. In dieser neuen Anstellung führte Wonsiedler die Bücher und die Correspondenz, und die Mußestunden widmete er seiner künstlerischen Lieblingsbeschäftigung, dem Zeichnen und Malen, wozu sich ihm in dem an Kupferstichen und Gemälden reichen Geschäfte hinlängliche Gelegenheit darbot. Schon in einem Jahre konnte er den Commisposten mit einer Zeichenlehrerstelle in Pesth vertauschen, die ihn so sehr in Anspruch nahm, daß er Nachts die Vorlagen für seine zahlreichen Schüler ausarbeiten mußte. Nun, wenn er sich auch einerseits am Ziele seiner Wünsche sah, so wuchs doch mit seiner fortschreitenden Bildung auch der Wunsch nach einer weniger mechanischen Beschäftigung. Als er eines Tages das Bildniß eines Freundes sprechend ähnlich vollendet hatte, erwachte in ihm der Entschluß, es als Porträtmaler zu versuchen, und er gab die monotone Beschäftigung als Zeichenlehrer auf und stand, um Porträtmaler zu werden, zunächst erwerblos da. Aber in kurzer Zeit waren die mannigfachen Schwierigkeiten überwunden; er malte Bildnisse, welche sehr ähnlich waren, er wurde als Porträtmaler sehr gesucht und stand als solcher bald auf eigenen Füßen. Mit diesen Veränderungen in seinen materiellen Verhältnissen gingen aber auch Wandlungen mit dem inneren Menschen vor. Längst schon hatten den mehr zur Betrachtung als zum Genusse angelegten Wonsiedler verschiedene Fragen über menschliche Bestimmung, die Fortdauer im Jenseits u. d. m. beschäftigt, worin er durch [107] Lecture astronomischer und religiöser Schriften von Bode, Littrow, Frankenheim und Anderer nur noch mehr angeregt wurde. Und als er eines Tages in der Auslage eines Buchhändlers ein von einem Volkslehrer verfaßtes Werk fand, betitelt „Das Leben Jesu“, dasselbe kaufte und sich darin vertiefte, da ging mit ihm eine tiefinnerste, wir nennen es einfach religiöse Veränderung vor, die nun auch nicht ohne Einfluß auf seine künstlerischen Arbeiten blieb, indem er sich jetzt der religiösen Malerei zuwandte und ihr auch fortan treu blieb. Aber dieser Uebergang vom Bildnißmalen zur Historie, zu welcher das religiöse Bild gehört, war denn doch nicht so einfach zu bewerkstelligen. Er machte zunächst den Versuch mit ein paar kleineren Altarbildern, welche „Die Taufe Jesu“ und den „h. Stephan, König von Ungarn“ darstellten. Wenn auch die Bilder den Bestellern gefielen, er selbst war nichts weniger als zufrieden mit ihnen, er fühlte, daß sein autodidaktischer Dilettantismus für das erhabene und vielumfassende Kunstfach, dem er sich zu widmen entschlossen war, doch nicht ausreiche. Mit seinen Ersparnissen reiste er nun nach Wien, und obgleich schon im Mannesalter, trat er doch als gewöhnlicher Zögling in die k. k. Akademie der Künste, in welcher er nun nach der Antike und den lebenden Modellen arbeitete, zugleich die Vorträge über Anatomie hörte und die übrigen Stunden dem Studium der Geschichte und des Costumes widmete. Nachdem er so drei Jahre an der Akademie studirt hatte, wurde er mit der Urkunde eines ausübenden Künstlers entlassen. Er malte nun vorwiegend Altarbilder von größeren und kleineren Dimensionen. Unten geben wir eine Uebersicht dieser Gemälde. Da ihn Bestellungen nach den verschiedenen Städten des Kaiserstaates brachten, bot sich ihm auch vielfach Gelegenheit zu Bildnißmalerei dar, und thatsächlich malte er in den meisten Provinzen Oesterreichs und auch im Königreich Polen, in welchem Rastawiecki der Anwesenheit unseres Künstlers im Jahre 1817 ausdrücklich erwähnt, zahlreiche Bildnisse von Privaten, namentlich in den hohen Adelsfamilien, wie: Eszterházy, Batthyány, Csaki, Teleki, Goëß, dann mehrerer Bischöfe, wie jener von Sekkau, Fünfkirchen, Veszprém u. s. w. Nachdem er noch zur weiteren Vervollkommnung in seiner Kunst eine Reise nach Italien unternommen und sich namentlich in den überreichen Kunstschatz Venedigs künstlerisch vertieft hatte, kehrte er heim und nahm seinen bleibenden Aufenthalt in seiner Vaterstadt, in welcher er selbst dann noch thätig blieb, als er infolge vorgerückten Alters an einem Auge erblinder war. Aber nicht nur mit dem Pinsel arbeitete er. Unermüdet blieb er neben seiner Malerei nach verschiedenen Richtungen auch wissenschaftlichen Studien zugewandt, welche er dann auch zu schriftstellerischen Arbeiten benutzte, deren er aus dem Gebiete der Philosophie, Astronomie und Kunst seit einer Reihe von Jahren im Beiblatte der „Gratzer Zeitung“ viele veröffentlichte. Selbstständig aber erschien von ihm das Werkchen: „Gratzer Taschenbuch für das Jahr 1829. Mit 30 lithographirten Ansichten und mit historischen und pittoresken Fingerzeigen“ (Gratz 1828, Kaiser, 16°.). Nach längerem Leiden starb er im Alter von 67 Jahren.

Uebersicht der Altargemälde von J. Wonsiedler. „Die h. Elisabeth, Landgräfin von Thüringen, die Armen betheilend“, ein großes Altarbild. 15 Fuß hoch, 9 Fuß breit, zu Palkony, einer gräflich Batthyány’schen Herrschaft, unweit von Fünfkirchen; – „Die h. Familie“; – [108] „Der h. Andreas“; – „Der h. Georg“; – „Der h. Martin“ und „Der h. Johann Nepomuk“. fünf Altarbilder für die Domkirche in Fünfkirchen; – „Die Taufe Christi“, in der Domkirche zu Karlsburg in Siebenbürgen; – „Christus im Tempel“ bei den Worten: „die Lehre ist nicht von mir, sondern von dem, der mich gesandt hat“, in der Protestantenkirche daselbst; – „Der h. Emmerich“; – „Der h. Joseph“; – „Der h. Vitus“; – „Die h. Barbara“; – „Der h. Blasius“; – „Der sterbende Xaverius“, und mehrere andere Altarbilder in verschiedenen Kirchen Croatiens; – eine „h. Jungfrau“ in der Domkirche zu St. Andrä in Kärnthen; die bisher genannten sind sämmtlich Arbeiten aus seiner ersten Zeit vor seiner Reise nach Italien; die folgenden stammen aus der Zeit seiner Niederlassung in Gratz und tragen sämmtlich das Gepräge des reifen Künstlers, der sich nach guten Mustern gebildet. Von diesen sind uns bekannt: in Gratz in der Kreuzcapelle der Domkirche: „eine Madonna“; – in der Barmherzigenkirche: „Der h. Johann von Gott am Bette eines Kranken“; – In der Pauluskirche: „Die Bekehrung des Saulus“; – in der Pfarrkirche Karlau: eine „h. Jungfrau“; – in der Pfarrkirche zu St. Anna im Münzgraben: „eine Madonna mit dem Kinde“, eines der schönsten Werke des Künstlers; – in der Pfarrkirche zum h. Johannes dem Täufer am Graben in der St. Leonhard-Vorstadt, in der linken Seitencapelle: „Ein Christus mit dem Herzen auf der Brust“; – in der Karmeliterinenkirche ebenda: „Die h. Theresia“ und „Der h. Carmeliter Simon Stock“, Erstere auf dem rechten, Letzterer auf dem linken Seitenaltare; – im Bethause der evangelischen Gemeinde in der Jacomini-Vorstadt: „ein sterbender Christus im Momente seines Ausrufes: Es ist vollbracht“, wird als eine der letzten Arbeiten des Meisters betrachtet; – in der Pfarrkirche St. Veit: „Christus und Maria“; – in Maria Grün: „Eine Mater dolorosa“; in der Capelle des k. k. Strafhauses: „Christus und der fragende Thomas: Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Schen“; – in Pettau: „Der sterbende Christus am Kreuze“; – in Groß-Sonntag: „Die h. Dreifaltigkeit mit den durch drei Engel dargestellten Attributen der göttlichen Personen, im tiefsten Grunde des Bildes als Sinnbild der Schöpfung die Globen unseres Sonnensystems mit einem Kometen und einigen Sternbildern“; – in Radkersburg: ein „h. Kreuzweg“ und „Die Himmelskönigin“; – in Gutendorf: „Die h. Gertrud“; – in Doberna nächst dem Bade Neuhaus: „Die Himmelfahrt Maria“; – zu Cilli im Capucinerrefectorium: „Das h. Abendmahl“; – in Leibnitz: „Der h. Jacobus den Herrn versichernd, daß er seinen Kelch trinken wolle“; – in St. Stephan bei Stainz: „Die Steinigung des h. Stephan“; – in Gleimstätten: „Ein Graf Khuenburg’sches Votivbild“; – in Pöllau: eine „h. Jungfrau“ und ein „Ecce homo“; – im Stifte Vorau: ein „Johannes in der Wüste“ und ein „h. Aloisius“; – in Ebersdorf: „Der h. Andreas vor seiner Kreuzigung das Kreuz umarmend“; – in Kirchberg a. d. Raab: ein „h. Florian“; – in Riegersburg: „Die h. Magdalena“; – in Gnas: „Die drei Rosenkränze“; – in Pöls: „Ein gräflich Attems’sches Votivbild“; – in Allerheiligen bei Pöls: „Der h. Franciscus tauft einen Negerfürsten“; – in Maria Buch: ein „h. Wendelin“; – zu St. Peter bei Kammersberg: „Christus ernennt Petrus zum Oberhaupt seiner Kirche“; außer den genannten noch eine große Anzahl kleinerer Bilder, die sich theils in den schon angeführten, theils in anderen Kirchen befinden. Mit Ausnahme Rastawiecki’s, der unseres Künstlers in wenigen Zeilen gedenkt, fehlt dessen Name bei Nagler, Müller-Klunzinger, Tschischka und in anderen Werken, welche über Kunst und Künstler Oesterreichs berichten. Nur noch Professor Gust. Schreiner widmet diesem Maler größere Aufmerksamkeit.
Quellen. Schreiner (Gustav Dr.). Grätz (Gratz 1843, 8°.) S. 197, 265, 270, 282, 284. – Gratzer Zeitung, 1858, Nr. 235 und 236: „Joseph Wonsiedler“. – Katholischer Wahrheitsfreund (Gratz. 4°.) 1858, Nr. 41: „Joseph Wonsiedler“. – Der Aufmerksame (Unterhaltungsbeilage der Gratzer Zeitung) 1838, Nr. 126: „Gedicht von Ostf.(eller) auf Wonsiedler’s Bild: Saul vor Damascus, in der Augustiner (jetzt akademischen) Kirche. – Rastawiecki (Ed.). Słownik malarzów polskich tudzież obcych w Polsce osiadłych, d. i. Lexikon polnischer Maler, oder in Polen ansässig gewesener Maler (Warschau 1857, gr. 8°.) Bd. III, S. 70.