BLKÖ:Wiszniewski, Michael

Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Wiszniewski, Adam
Band: 57 (1889), ab Seite: 138. (Quelle)
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Wiszniewski, Michael (Literaturhistoriker, geb. zu Firlej in Galizien 1794, gest. in Nizza im Jahre 1865). Sein Vater Alexander war ein Zögling des berühmten Piaristen Anton Wiszniewski, mit dem ihn sehr nahe verwandtschaftliche Verhältnisse verbanden. Die ersten vorbereitenden Studien machte er an Lehranstalten in Lemberg, die höheren am Gymnasium zu Krzemeniec und zuletzt an der Universität Edinburg in Schottland. Während der Jahre 1818 bis 1822 bereiste er Italien, nahm einen längeren Aufenthalt in Paris und lernte England kennen. Nach seiner Rückkehr in die Heimat erhielt er einen Lehrstuhl der Philosophie, und zwar der Logik am Lyceum zu Krzemeniec, welchen er bis Ende 1824 versah. Nun übernahm er die Stelle eines Erziehers bei dem Fürsten Constantin Czartoryski und bereiste mit diesem zugleich Italien und das südliche Frankreich. Nachdem er für diese Dienstleistung in ansehnlicher Weise honorirt worden, kaufte er eine kleine Besitzung in Volhynien, deren Bewirthschaftung er nun selbst besorgte; aber die Früchte standen keineswegs im Verhältniß zu der darangewendeten Zeit und Mühe, und so kehrte er denn wieder zur wissenschaftlichen Arbeit zurück und folgte 1830 einem Rufe als Professor an der Jagiellonischen Universität in Krakau, an welcher er bis 1846 allgemeine Geschichte und Literatur und polnische Literatur insbesondere vortrug. Während dieser Zeit vornehmlich mit gelehrten und strengwissenschaftlichen Forschungen und Arbeiten beschäftigt, schuf er sich bei seiner genialen Auffassung der Dinge und Lebhaftigkeit des Temperamentes in der Gelehrtenzunft der Krakauer Hochschule, die sich in ihren Vorzügen und Lastern in nichts von den anderen Hochschulen unterscheidet, nicht wenig Widersacher, die ihm das Leben sauer und seine Stellung schwierig genug machten. In jener Zeit hatte ich Gelegenheit, den Gelehrten persönlich kennen zu lernen und von ihm manche Anregung zu Studien in der polnischen Literatur zu erhalten. Bei der Erhebung Krakaus 1846 spielte Wiszniewski eine hervorragende Rolle. Im Februar genannten Jahres brach die Bewegung aus. Am 25. dieses Monates hatte die österreichische Besatzung, welche damals in Krakau sich befand, die Stadt geräumt; und in einer Proclamation vom Datum desselben Tages stellte sich Joseph Tyssowski als Dictator an die Spitze der Bewegung, die einen sehr drohenden Charakter annahm, und deren nächstes Ziel darauf ausging, Galizien, wo Theophil Wisniowski [s. d. S. 130] für die Erhebung thätig war, von Oesterreich [139] loszureißen. Nun, so sehr auch Tyssowski sich Mühe gab, die Bewegung in ordentlichen Fluß zu bringen, so fand er doch bald in nächster Nähe eine Gegenpartei, und das alte berühmte polnische Spiel – daß jeder nur befehlen und keiner gehorchen will – begann auch da wieder. Sofort bildete sich diese Gegenpartei, welche wider Tyssowski auftrat, und an der Spitze derselben standen Professor Michael Wiszniewski und Hilar Męciszewski [Band XVII, S. 229], welche sogleich eine Gegenrevolution beschlossen. Wiszniewski’s Anhang bestand meistens aus Männern des Schulfaches und Studenten. An ihrer Spitze drang Wiszniewski Nachts um 2 Uhr in das Zimmer des Dictators Tyssowski und klärte diesen über die Wünsche der Nation und seine eigenen in ziemlich unsanfter Weise auf. Als derselbe einige Worte, wie Rebell und Landesverräther, fallen gelassen, setzte ihm Wiszniewski’s Sohn, Adam, eine Pistole an die Brust und unterbrach mit diesem wirksamen Gegenmittel den weiteren Redestrom Tyssowski’s, der nun seine Dictatur niederlegte, aber dieselbe sofort wieder aufnahm, als er seinen Gegendictator im Rücken hatte. So erfreute sich der alte Freistaat Krakau des besonderen Glückes, mit einem Male zwei Dictatoren der Revolution statt der bisherigen einheitlichen Regierung zu besitzen. Aber auch diese Doppeldictatur Tyssowski’s und Wiszniewski’s war von kurzer Dauer. Benedek eilte mit seinen Truppen von Lemberg herbei. Wiszniewski selbst aber war wieder von den Demagogen in kürzester Zeit gezwungen worden, seine Dictatur niederzulegen und hatte, als die kaiserlichen Truppen nahten, nichts Eiligeres zu thun, als in der Flucht seine Rettung zu suchen. Nachdem die gesetzliche Ordnung wieder hergestellt war, kehrte er wohl nach Krakau zurück, aber seines Bleibens war nicht mehr lange, er packte schon nach einiger Zeit alle seine Habe zusammen und verließ Krakau und Galizien für immer. Er übersiedelte nach Italien, lebte anfänglich einige Zeit in Mailand, später in Genua, wo er allen literarischen und wissenschaftlichen Arbeiten entsagend, sich ganz dem Finanz- und Bankgeschäft widmete und mit seinen Speculationen ein ansehnliches Vermögen erwarb. Als er aber bei der Bankkrisis 1858 wieder einen ansehnlichen Theil desselben eingebüßt hatte, nahm er seinen bleibenden Aufenthalt in Genua, wohnte den Winter hindurch im Palazzo Pallavicini, den Sommer über in der etwa eine Stunde von der Stadt an der Straße gelegenen Villa Danino, welche er käuflich erworben hatte. Dort verlebte er kränkelnd, verstimmt über sein finanzielles Mißgeschick, über die Unbilden, mit denen ihm das Schicksal in seinen politischen Unternehmungen heimgesucht, verzweifelnd an Gott und an der Zukunft seines Volkes, in völliger Zurückgezogenheit die letzten Jahre, bis er in Nizza, wo er Linderung seiner Leiden vergebens suchte, im Alter von 71 Jahren vom Tode erlöst wurde. Auf schriftstellerischem Gebiete in früheren Jahren in äußerst verdienstlicher Weise thätig, hat er folgende Werke durch den Druck veröffentlicht: „Pamiątka po dobrym ojca z rękopismu bezimiennego przerobil pomnozyl i wydal Teodozy Sierociński“, d. i. Andenken eines guten Vaters; aus der Handschrift eines Ungenannten umgearbeitet, vermehrt und herausgegeben von Theodosius Sierociński (Warschau 1825, 8°.); an dieser Schrift hatte er so wesentlichen Antheil, daß er als Mitautor [140] an derselben zu betrachten ist; – „Bakona metoda tłomaczenia natury“, d. i. Bacon’s Methode, die Natur zu erklären (Krakau 1834, 8°.); wenngleich er in dieser Schrift die Methode eines Dritten zu erläutern bestrebt ist, so bringt er doch so viel seiner eigenen originellen Ideen und Ausführungen mit, daß man das Werk gleichsam als Wiszniewski’s eigenes philosophisches System ansehen kann: – „Pomniki historyi i literatury polkskiej“, d. i. Denkmale der polnischen Geschichte und Literatur, 4 Theile (Krakau 1834 und 1835, 8°.), eine sehr werthvolle Sammlung geschichtlicher und literarischer, sein Vaterland betreffender Materialien; – „Charaktery rozumóv ludzkich“, d. i. Charaktere menschlicher Talente (ebd. 1837; 2. verm. Aufl. ebd. 1842, 8°.); erschien auch in englischer Uebersetzung (London 1860, 8°.); – „Historyja literatury polskiej“, d. i. Geschichte der polnischen Literatur, 7 Bände (ebd. 1840 bis 1845, gr. 8°.); es ist dies sein Hauptwerk, welches ihm einen bleibenden ruhmvollen Namen in der Literatur seines Volkes sichert. Diese sieben Bände reichen bis zum Jahre 1650; seine Materialien und Vorarbeiten reichten bis zur Gegenwart; das in Krakau zurückgelassene Manuscript erwarb der daselbst lebende Constantin Macewicz, welcher dann daraus im Jahre 1851 einen achten Band herausgab; eine Fortsetzung arbeitete Theophil Zebrawski aus, und diese als neunten Band mit einem Zehnten, welcher das vollständige Namensverzeichniß des ganzen Werkes enthält, veröffentlichte 1857 der um die polnische Literatur durch Herausgabe kostbarer Werke vielverdiente Alexander Graf Przedziecki; – „Podroz do Wloch, Sycylii i Malty“, d. i. Reise nach Italien, Sicilien und Malta, 2 Bände (Warschau 1847, mit KK.; 2. Aufl. ebd. 1851, 8°.). Als Literaturhistoriker seines Volkes nimmt Wiszniewski, obgleich seine „Geschichte der polnischen Literatur“ namentlich durch die Ungleichheit in ihrer Behandlung an sehr störenden Mängeln leidet, eine hervorragende Stelle ein. Das Werk ist in einer schwungvollen Sprache geschrieben, und einzelne Stücke, in welchen er über ein vollständiges Material verfügte, das er mit einer Gründlichkeit ohne Gleichen durchstudirt und mit der ihm angeborenen Genialität geistig durchgearbeitet hatte, sind wahre Muster- und Meisterstücke seines Geistes, und eben diese Ungleichheit in der Behandlung des sonst so schätzbaren Werkes ist auch sein größter Fehler.

Rycharski (Lucyan Tomasz). Literatura polska w historyczno-krytycznym zarysie, d. i. Polnische Literatur in historisch-kritischem Abriß (Krakau 1868, J. M. Himmelblau, gr. 8°.) Bd. II, S. 304 und 305. – Gwiazdka Cieszyńska. Pismo dla zabawy nauki i t. d., d. i. Das Sternlein von Teschen. Zeitschrift für Unterhaltung, Belehrung u. s. w. III. Jahrg. 1855, Nr. 19, 20, 29–32. – Světozor (Prager illustr. Blatt, kl. Fol.) 1860, Nr. 16. – Wojcicki (K. Wl.). Historyja literatury polskiej w zarysach, d. i. Geschichte der polnischen Literatur in Umrissen (Warschau 1846, Sennewald, gr. 8°.) Bd. I, S. 11, 322, 332; Bd. IV, S. 192, 598. – Łukaszewicz (Lesław). Rys dziejow Piśmiennictwa polskiego, d. i. (Grundriß der polnischen Literatur (Krakau 1848, Cypcer, 12°.) B. 121, 196 und 202 [diese 3. Auflage des Werkes von Łukaszewicz ist bei Benützung aller späteren desselben noch immer unentbehrlich]. – Blätter für literarische Unterhaltung (Leipzig, Brockhaus, 4°.) 1840, Nr. 23, und 1843, Nr. 215.
Porträt. Unterschrift: „Michal Wiszniewski“ (kreslil E. F.).