Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Werle, Ignaz
Band: 55 (1887), ab Seite: 40. (Quelle)
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Werndl, Joseph (Erfinder des nach ihm benannten Gewehrsystems und Director und Leiter der österreichischen Waffenfabrik in Steyr, Ort und Jahr seiner Geburt unbekannt). Zeitgenoß. Die dem Verfasser Verfasser des biographischen Lexikons zu Gebote stehenden Quellen über Werndl, so zahlreich sie sind, berichten alles Mögliche, nur nichts über Lebens- und Bildungsgang dieses Großindustriellen, dessen Namen insbesondere seit 1866 oft genannt wird. Und gerade bei einem Manne von so großartiger Thatkraft, welche die umfassenden Bauten beweisen, die er aufgerichtet, die vielen und verschiedenartigsten Maschinen, welche er aufgestellt, würde es wichtig genug sein, zu erfahren, wie, wo und von wem er zu einem Berufe herangebildet worden, den er mit seltener Vollkommenheit ausfüllt. Ein Versuch, von authentischer Seite etwas zu erfahren, scheiterte in kläglicher Weise. Das Nachfolgende gibt also nur Thatsachen über die Fabrication der Waffen in Werndl’s Fabriken und somit einen Begriff von der Großartigkeit dieses Betriebes. Vor Entstehung der Werndl’schen Fabriken in Stadt Steyr wurden österreichische Militärgewehre – außer im k. k. Arsenal zu Wien – in Privatwerkstätten aller österreichischen Kronländer erzeugt und vornehmlich diese Waffe aus Wien, Weipert im Saazer [41] Kreise Böhmens, Ferlach, Prag und anderen Orten geliefert. Als nach dem Kriege 1866 man in den preußischen Hinterladern die eigentliche Ursache der uns so schwer demüthigenden Siege Preußens zu finden glaubte, entschloß sich auch die österreichische Regierung endlich zum Hinterladungssystem. Da in Oesterreich aber keine große Waffenfabrik existirte, war die kaiserliche Regierung genöthigt, die Lieferung für die nach neuem System construirten Gewehre ausländischen Firmen anzuvertrauen. Nun faßte Werndl den Muth, eine Waffenfabrik zu gründen in einem Umfange, wie eine ähnliche in der Monarchie noch nicht bestand, und so der ausländischen Concurrenz zu trotzen. Es wurde ihm denn auch die Anfertigung sämmtlicher Gewehre nach dem neuen System für das kaiserliche Heer überlassen, Nach Erledigung dieses Auftrages konnte er seine Arbeit auch dem Auslande anbieten und mit dem besten Erfolge mit den bedeutendsten österreichischen Firmen concurriren. In der That schuf er großartige Anstalten. Längs des Ufers der Steyr erhebt sich eine Reihe von zwei bis drei Stock hohen Gebäuden, sämmtlich im Rohbaustyl ausgeführt. Das sind die Werndl’schen Fabriksgebäude, etwa 13 an Zahl, und das kleinste derselben immer noch groß genug, um ein ansehnliches Zinshaus in Wien zu repräsentiren. Daselbst befinden sich die verschiedenen Schleifereien, Schaftmaschinen, Montirmaschinen u. s. w. Aber in diesen 13 Gebäuden wurde nur das bearbeitete Product der Vollendung zugeführt. Mit der Werndl’schen Fabrikstadt in Steyr stehen die Fabriken in Letten, einer etwa eine Stunde von Steyr entfernten Ortschaft in Verbindung. Diese Filiale ist eine Anlage, etwa so groß wie das kaiserliche Arsenal zu Wien und besteht aus sechs größeren Gebäuden am rechten Ufer der Sirming, welche das Maschinengebäude, die Magazine, die Arbeiterwohnungen und die Tormentirhütte und am linken Ufer die Hammerschmiede und Reparaturwerkstätte, den Glühofen, einen Kalkofen, Schleifereien, eine Sägemühte u. s. w. enthalten. Die Gesammtanlagen umfassen einen Flächenraum von fast 5000 Quadratklaftern und beschäftigen 1200 Maschinen, welche von 2500 Arbeitern überwacht und geleitet werden, wöchentlich 1000 Centner Gußstahl, 300 Centner Steinkohle und 3000–4000 Metzen Holzkohle consumiren. Eine sehr eingehende Beschreibung der Werndl’schen Fabriken und ihrer Leistungen brachte die „Neue Freie Presse“ 1868 im Feuilleton der Nr. 1439. Werndl’s Name wird übrigens in der Geschichte der Schießwaffen, welche verschiedene von ihm gemachte Erfindungen und Verbesserungen verzeichnet, oft genannt. Da aber bei andauerndem Frieden in der Gewehrfabrication Stockungen eintreten können und wirklich auch eintraten, welche die Entlassung von zahlreichen Arbeitern und damit den Eintritt von allerlei Nothfällen und noch schlimmeren Verwicklungen zur Folge haben, war Werndl auf einen Ersatz bedacht, der seinen Arbeitern auch weiter Beschäftigung sicherte. Und da trat eben die Frage der elektrischen Beleuchtung und überhaupt die der Benützung der Elektricität als Kraft für das praktische Leben an die Tagesordnung. Mit der ihm angeborenen Energie bemächtigte er sich sofort dieser wichtigen Angelegenheit, und er war es, der in Stadt Steyr der Erste eine elektrische Ausstellung ins Leben rief, welche allgemeine und gerechte Bewunderung erregte und welcher [42] dann die Ausstellungen von München und Wien folgten. Und so bewährte er sich denn auch da als der Mann der Zeit, der ebenso für den Fall eines blutigen Krieges wie für den dauernden Friedens seine Anstalten zu treffen und seinen Arbeitern, die nach Tausenden zählen, Beschäftigung zu schaffen verstand. In der Stadtgemeinde Steyr spielt Werndl, der in derselben so zahlreiche Arbeiter beschäftigt, begreiflicher Weise eine einflußreiche Rolle, und die Zeitungen geben ab und zu Nachricht, wie mächtig er in den Gang der Ereignisse, wie solche sich in einer kleineren Gemeinde abspielen, einwirkt. Im Jahre 1878 wurde auch berichtet, daß Generaldirector Werndl seine im Rohbaue vollendete schloßartige Villa sammt den dazu gehörigen Grundstücken im Gesammtwerthe von einhunderttausend Gulden der Stadtgemeinde Steyr mit der Widmung zu einem Armenversorgungshause unter der Bedingung zum Geschenke gemacht habe, daß die in Stadt Steyr einzuleitende Subscription zur Bildung eines Fondes für dieses Armenhaus mindestens das Doppelte des von ihm zur; Verfügung gestellten Werthes erreiche, Ob diese großartige Schenkung mit Rücksicht auf die infolge der materiellen Verhältnisse einer kleinen Stadt immerhin drückende Bedingung durch Annahme von Seite der Stadtgemeinde Steyr perfect geworden, ist uns nicht bekannt. Nach dem uns vorliegenden Bildnisse Werndl’s, das den berühmten Industriellen in der Vollkraft des Lebens darstellt, möchten wir seine Geburt in die Mitte der Dreißiger-Jahre setzen, Werndl’s vielseitige Verdienste um den Staat, um die Gemeinde und die Industrie würdigte am 13. Februar 1870 Seine Majestät durch Verleihung des Ordens der eisernen Krone dritter Classe.

Arenstein (Joseph Prof. Dr.). Oesterreichischer Bericht über die internationale Ausstellung in London 1862 im Auftrage des k. k. Handelsministeriums... (Wien 1863, Staatsdruckerei, Lex. 4°.) S. 376 und 627. – Der Kamerad. Oesterreichische Militär-Zeitung (Wien, 4°.) VII. Jahrg., 25. August 1868, Nr. 67: „Die Werndl’sche Gewehrlieferung“. – Militär-Zeitung (Wien, 4°.) 1868, Nr. 62, S. 300: „Werndl’s Hinterlader“. – Neue Freie Presse (Wiener polit. Blatt) 1868, Nr. 1439 im Feuilleton: „In der Werkstätte der österreichischen Großmachtstellung“. Von W. – Dieselbe, Nr. 1520: „Die Hinterladerfrage“. – Neues Wiener Tagblatt, 1868, Nr. 229, im Feuilleton: „Herr Werndl und die Werndler“. – Dasselbe, 1868, Nr. 265, im Feuilleton: „Die Friedenswerkstätte Oesterreichs in Steyr“ – Neuer Freier Kikeriki (Wien, kl. Fol.) Beilage zu Nr. 27, 1873: „Das Ausstellungsobject der österreichischen Waffenfabriksgesellschaft“. – Presse (Wiener polit. Blatt) 26. Jänner 1878, Nr. 26: „Ein Act von Großmuth“. – Der Waffenschmied. Erste illustr. Zeitschrift für die gesammte Waffenfabrication. Redigirt von Friedrich Brandeis in Prag (gr. 4°.) V. Jahrg, Nr. 1: „Biographien berühmter Fachgenossen“ [mehr müßiges Geschwätz als eine Biographie Werndl’s].
Porträt. Unterschrift: „IX. Joseph Werndl in Steyr. R. Heber (lithogr.) in Nr. 1, 1885, des „Waffenschmied“.