BLKÖ:Welsperg von Raitenau und Primör, Johann Nepomuk Graf von

Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Band: 54 (1886), ab Seite: 243. (Quelle)
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Welsperg von Raitenau und Primör, Johann Nepomuk Graf von (Staatsmann, geb. zu Primör in Südtirol am 16. Februar 1765, gest. zu Bozen 29. Februar 1840). Ein Sohn des Grafen Johann Marquard von Welsperg aus dessen Ehe mit Aloisia geborenen Gräfin von Welsperg aus einer zweiten Linie dieses Hauses. Nachdem er seine Eltern in früher Jugend verloren, kam er im Alter von 12 Jahren in das Theresianum zu Innsbruck, 1770 nach Brixen und 1783 zur Vollendung seiner Studien in das berühmte Benedictinerstift Kremsmünster in Oberösterreich. Ende 1786 trat er zu Lambach bei dem k. k. Kreisamte in Praxis, wurde 1788 Regierungsconcipist in Linz und 1791 Landeshauptmannschafts-Secretär in Klagenfurt. Um der Verwaltung seines in sehr zerrüttetem Zustande übernommenen Besitzes näher zu sein, kam er durch einen genehmigten Diensttausch 1794 zum Gubernium in Innsbruck als Präsidialsecretär. Als infolge der auf dem offenen Landtage 1790 vorgebrachten Beschwerden der Tiroler den Ständen wieder ein selbständiger Landeshauptmann gegeben und dessen Amtsverwalterschaft in Bozen, sowie das alte adelige Hofrecht daselbst hergestellt war, wurde er auf Vorschlag des damaligen Landeshauptmanns Paris Grafen von Wolkenstein am 11. März 1796 zum Landeshauptmannschaftsverwalter an der Etsch ernannt, nachdem er vorher noch einige Monate im Jahre 1795 beim Innsbrucker Stadtgerichte die Praxis genommen hatte. Mit der Zeit, in welcher der Graf seinen neuen Dienstplatz antrat, brach eine der drangvollsten Katastrophen über Tirol ein, deren Einzelheiten, wie des Grafen verdienstliches und umsichtiges Walten in diesen schweren Tagen, wir nicht näher schildern können; wir deuten daher sein Wirken nur im Allgemeinen an und verweisen im Uebrigen auf das in den Quellen genannte Werk des Grafen Clemens zu Brandis. Der Graf führte in dieser schweren von Gefahren verschiedenster Art durchkreuzten Periode den Vorsitz der landschaftlichen südlichen Landesschutzdeputation mit einer Umsicht und Energie ohne Gleichen. Er erledigte mit großer Klugheit und unermüdlichem Eifer die vielfältigen und wichtigen Angelegenheiten auf den häufigen Commissionsreisen in das Lager und die Hauptquartiere der commandirenden Generale und übernahm im entschiedensten Zeitpunkte des allgemeinen Landsturms, 1797, als derselbe bei dem Vordringen der Feinde bis Brixen aufgeboten wurde, freiwillig und mit gänzlicher Vollmacht das schwere, gefahr- und mühevolle Geschäft, das nach Sterzing in Masse zusammengeeilte Volk zu reguliren, in Corps einzutheilen, für dessen Verpflegung zu sorgen und dasselbe nach dem von den commandirenden Generalen entworfenen Plane auf die angewiesenen Posten hinauszubringen, kurz den ganzen Landsturm zu organisiren und zu leiten. Feldmarschall-Lieutenant Baron von Kerpen erklärte in einem an den Landeshauptmann in Tirol aus Niederndorf am 10. April 1797 erlassenen Schreiben: „daß ohne des Grafen Welsperg rastloses und kluges Benehmen niemals etwas mit dem Volke hätte unternommen werden können, weshalb dieser auch verdiene, ganz besonders sowohl bei Seiner Majestät als bei dem ganzen Lande anempfohlen zu werden“. Von Sterzing aus wirkte der Graf auch auf die Anstalten und die Beförderung [244] des Landsturms im Süden, und zwar in Meran ein, wodurch ein gemeinschaftliches Einverständniß und einstimmiges planmäßiges Vorgehen zu gleicher Zeit und mit bestem Erfolge erzielt wurde. In gleicher Weise entfaltete er im Jahre 1801 seine einfluß- und erfolgreiche Thätigkeit zunächst dadurch, daß er im Passeier Thale einen Ausbruch der allgemeinen Bewegung unter der im hohen Grade erbitterten und aufgeregten Landbevölkerung verhinderte, welcher für diese zunächst, aber auch für das ganze Land von unabsehbar traurigen Folgen hätte werden können. Als dann General Macdonald 25 südwärts der Demarcationslinie gelegene deutsche Gerichte gegen Fug und Recht in Contribution und Requisition setzen wollte, wodurch die allgemeine Erbitterung den bedenklichsten Charakter anzunehmen drohte, gelang es dem Grafen, nicht allein die beträchtlichen Lasten von diesen Gerichten abzuwenden, sondern auch den widrigen Eindruck zu verwischen, welchen das Vorhaben des feindlichen Generals in denselben gemacht hatte. Nach Abschluß des Friedens wollte Macdonald mit einem großen Theile seiner Armee – 5000 Mann Infanterie, 1500 Mann Cavallerie und das ganze Hauptquartier – seinen Marsch durch das nördliche Tirol über Bozen, Meran, Landeck und Feldkirch nehmen, um dadurch einen Umweg von 150 Stunden zu ersparen, den er machen mußte, um den Mont-Cenis zu überschreiten. Nun würden bei der Art und Weise, wie der Feind sich zu verpflegen gewohnt war, Officiere und Mannschaft dem Lande bezüglich der Verpflegung ganz zur Last gefallen und dabei noch die Integrität des nördlichen Tirols verletzt worden sein. Das ohnehin durch den Krieg hart mitgenommene Tiroler Volk von dieser neuen erdrückenden Last zu befreien und überhaupt in allen diesen schwierigen, oft gefahrvollen Verhältnissen immer den richtigen Weg einzuschlagen, gelang nach des Feldmarschall-Lieutenants von Chasteler ausdrücklichem Zeugnisse vornehmlich den Bemühungen des Grafen. Verhängnißvolle Zeiten aber traten für denselben ein, als infolge der politischen Länder- und Grenzverschiebungen und der Besitzveränderungen, die in der napoleonischen Periode jedes Lustrum statthatten, im Jahre 1806 Tirol bayrisch wurde. Da der ganze Besitz seines Vermögens in Tirol gelegen war, sah sich Welsperg genöthigt, ungeachtet der ihm in vertraulicher Weise gemachten sehr vortheilhaften Anerbietungen auf seinem Posten in Tirol zu verharren, auf welchem er auch vorderhand von den Bayern belassen ward. Bei den Gewaltmaßregeln, mit denen nun Bayern namentlich gegen die Tiroler Bischöfe vorging, kam er in schweres Gedränge, als er als bayrischer Staatsbeamter den Auftrag erhielt, mit aller Strenge gegen den Bischof und das Domcapitel von Trient einzuschreiten. Als Beamter leistete er Gehorsam, was ihm dann, als Tirol 1814 an seinen rechtmäßigen Fürsten zurückgelangte, von seinen Feinden vielen Verdruß einbrachte. Im December 1810 berief ihn der König von Bayern für ein Jahr in seinen geheimen Rath, welcher Ruf sich bis 1814 jährlich wiederholte. Am 1. Juni 1814 wurde Graf Welsperg zum Generalcommissär des Innkreises ernannt mit der Weisung, sich sofort nach Innsbruck zu verfügen. Des Grafen Versuche, eine Zurücknahme derselben zu erwirken, scheiterten. Er ging also auf seinen Posten. So wie Welsperg waren in den letzten Monaten vor der Landesabtretung von [245] der bayrischen Regierung noch viele andere Beamte nach Tirol geschickt worden, welche von der österreichischen Regierung nun übernommen und versorgt werden sollten. Als dann der Graf als bayrischer Generalcommissär des Innkreises mit dem kaiserlichen Hofcommissär in Verhandlung treten sollte, lehnte dieser eine solche ab, was gleichbedeutend war mit der Abweisung für den Wiedereintritt in den österreichischen Staatsdienst. So zog sich Welsperg, da er ein nicht unbeträchtliches Vermögen besaß und ihm nach der Convention mit Bayern ein Ruhegehalt nicht entgehen konnte, zunächst von jedem Dienste zurück und begab sich nach Wien. Dort gelang es ihm allmälig, sein ganzes Verhalten in bayrischen Diensten zu rechtfertigen und seine trefflichen bis 1805 Oesterreich geleisteten Dienste zur Geltung zu bringen. Am 15. April 1816 erfolgte seine Anstellung als Präsident des Civiltribunals erster Instanz in Venedig. Am 2. Februar 1826 wurde er vom Kaiser zum Vice-Präsidenten des Guberniums in Laibach ernannt, mit Vorbehalt seines bisherigen Präsidentenranges und der vertraulichen Erinnerung, daß Seine Majestät die Absicht habe, ihm später die Leitung einer Landesverwaltung zu übertragen und er die jetzige Stellung nur dazu benützen solle, sich für die Uebernahme des ihm zugedachten Postens, dem er durch langjährige Dienstleistung im Justizfache entfremdet sei, vorzubereiten. Aber nach dem milden Klima Venedigs sagte das Laibacher dem Grafen nicht zu. Nach zwei Jahren bat er um Versetzung in den Ruhestand, die ihm am 19. Mai 1828 in gnädigen Ausdrücken unter gleichzeitiger Verleihung der geheimen Rathswürde auch gewährt wurde. Er zog sich nun von dem öffentlichen Leben zurück, brachte den Winter in Bozen, den Sommer auf seinen Gütern bei Fonzaso unweit Feltre und in Primör zu, sich ausschließlich mit der Verwaltung seines Vermögens beschäftigend. Besonderes Augenmerk wendete er der Hebung seines in Primör befindlichen Eisenbergwerkes zu. Thatsächlich hob sich dasselbe in solchem Grade, daß die Zahl des arbeitenden Personals von 200–250 Leuten, mit welchen er es übernommen hatte, auf 700–800 stieg. Es war ihm dabei hauptsächlich darum zu thun, den Bewohnern in dieser unwegsamen von der übrigen Welt abgeschiedenen Gegend einen Erwerb und dadurch ihren Lebensunterhalt zu sichern, weshalb er auch, um sein Vorhaben auszuführen, vor Opfern, die er thatsächlich in nicht geringem Maße brachte, nicht zurückscheute. Als 1836 die Cholera zunächst in Primör, dann in Fonzaso ausbrach, leitete er persönlich alle Anstalten zur Bekämpfung der Seuche und ließ während der Dauer derselben aus Eigenem die Krankenkost bereiten. Als er dann in Fonzaso das armselige Häuschen sah, worin nothdürftig höchstens 15 Kranke untergebracht werden konnten, verfügte er letztwillig eine Summe von 4000 fl. zur Gründung eines neuen Spitals. Durch dieses mit anderen Beiträgen der Gemeinde und sonstigen Gaben vermehrte Capital entstand nun ein großes, an gesunder Stelle erbautes Krankenhaus, in welchem 50 Betten aufgestellt werden können. Der Graf starb in Bozen nach längerer Krankheit, nachdem ihm seine Schwester Theresia, die Witwe des Grafen Joseph Khuen, die seit dem Hinscheiden der zweiten Frau Welsperg’s immer um denselben gewesen, den Tag vor’ her, nur zwei Zimmer von dem seinen entfernt, im Tode vorangegangen. Graf [246] Johann Nepomuk war zweimal verheiratet: zuerst mit Anna Gräfin von Taxis und nach deren frühem Tode mit Karoline Gräfin von Wolkenstein-Trostburg, der Witwe des letzten Freiherrn Colonna-Völs. Aus keiner der beiden Ehen hatte er Nachkommen erhalten.

Brandis (Clemens Graf). Joh. Nep. Graf Welsperg... Ein Beitrag zur vaterländischen Geschichte in den letzten Jahren des vorigen und den ersten des gegenwärtigen Jahrhunderts (Innsbruck 1864, Wagner, 8°., 161 S.) [bildet auch das vierte Heft der dritten Folge der „Zeitschrift des Ferdinandeums für Tirol und Vorarlberg“, welche von dem Verwaltungsausschusse desselben herausgegeben wird]. – Moriggl (Alois). Einfall der Franzosen in Tirol bei Martinsbruck und Nauders im Jahre 1799 (Innsbruck 1866, Wagner, 8°.) S. 22.