Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Weitmann, Joseph
Band: 54 (1886), ab Seite: 199. (Quelle)
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Weitlof, Moriz (Mitglied des Abgeordnetenhauses des österreichischen Reichsrathes, geb. zu Prag am 28. Jänner 1835). Seit seinem achten Lebensjahre genoß er seine Erziehung in Wien, wo er das Gymnasium, den philosophischen Curs und das Studium der Rechtswissenschaften an der Universität beendete und aus letzteren 1856 die Doctorwürde erlangte. Nachdem er in Wien die Advocatenprüfung abgelegt hatte, erhielt er 1867 eine Advocatur in Krems, von wo er 1873 wieder nach erstgenannter Stadt übersiedelte. Als Advocat wurde er wiederholt in den Ausschuß und Disciplinarrath der niederösterreichischen Advocatenkammer gewählt, stand während seines Aufenthaltes in Krems an der Spitze des constitutionellen Fortschrittsvereines, entfaltete in der dortigen Gegend eine lebhafte politische und nationale Bewegung und gleichzeitig eine hervorragende Thätigkeit in Turn- und Feuerwehrangelegenheiten, wirkte für die Verbreitung dieser ebenso nützlichen als wichtigen und einflußreichen Institute und ist zur Zeit noch Obmann des „Verbandes der Unterstützungscasse der freiwilligen Feuerwehren in Niederösterreich“, welcher sich zu einem Musterinstitute dieser Art emporgearbeitet hat. 1871 erfolgte von dem Stadtwahlbezirke Horn-Eggenburg-Langenlois-Retz-Maißau seine Wahl in den niederösterreichischen Landtag, und behielt er dieses Mandat bei den seitherigen zweimaligen Wahlen bei. 1873 von dem niederösterreichischen Landesausschuß in den Landesschulrath entsendet, arbeitete er in wirksamster Weise für das Erblühen des Schulwesens. Zugleich mit den von Ersterem in diese Schulbehörde gewählten Mitgliedern trat er aus derselben aus, als gegen deren Votum das Ministerium die Errichtung einer von dem Landesausschusse unter allen Umständen als überflüssig erkannten besonderen čechischen Schule bewilligte. 1874 entsendete ihn Letzterer in die „Gewerbeschulcommission Wien“, von welcher er in kurzer Zeit zum Obmann gewählt wurde. Heute noch an der Spitze derselben, hat er während dieser Zeit das gewerbliche Fortbildungsschulwesen in Wien zu allseitig anerkannter Entwicklung gebracht. Ueberhaupt war und ist es die religiöse Frage und das Schulwesen, denen er seine ganze Aufmerksamkeit zuwendet, und bezüglich deren er die öffentliche Meinung durch geharnischte Flugschriften zu beeinflussen sucht. Die bereits erschienenen hat der constitutionelle Fortschrittsverein in Krems herausgegeben und in Auflagen von mehreren Zehntausenden verbreitet; ihre Titel sind: „Die confessionellen Gesetze, besprochen von Dr. M. Weitlof“ (Krems, Druck von Max Sommer; 2. Aufl. ausgegeben am 23. April 1874, 8°., 11 S.); – „Religion und Politik“ (ebd., ausgegeben am 20. Juni 1874, 8°., 10 S.); – „Unsere heutige Volksschule und ihre Gegner, besprochen von Dr. M. Weitlof“ (ebd., ausgegeben am 14. Februar 1875, 8°., 16 S.). In allen diesen Schriften, in denen sich Weitlof knapp an die Sache hält, spricht er sich ganz im freiheitlichen Sinne aus und stützt sich auf die Gesetze [200] welchen zufolge ausschließlich der Staat die Oberaufsicht über die Schule zu führen habe; wie er auch ferner allen Einfluß der Religion von der Entwicklung der politischen Verhältnisse im Staate ferngehalten wissen will. Am 13. Mai 1881 wurde zu Wien in einem kleinen Kreise von deutschen Männern, zu welchem Dr. Weitlof gehörte, der Umstand erörtert, daß überall in Oesterreich die deutschen Sprachgrenzen gegen die fremden zurückweichen. Da sprach einer der Anwesenden den Gedanken aus: man würde wohl auf massenhafte Theilnahme stoßen, wenn man die Deutschen Oesterreichs zur Bildung eines deutschen Schulvereines aufforderte, der die Aufgabe haben sollte, überall dort, wo das deutsche Element besonders durch den Mangel an deutschen Schulen der Vernichtung anheimfalle, durch Errichtung solcher zu helfen. Sofort constituirten sich die Anwesenden als „Deutscher Schulverein“. Fünf Mitglieder wurden niedergesetzt – unter diesen befand sich Dr. Weitlof – und begannen ihre Thätigkeit. Durch anderthalb Monate arbeitete dieses „vorbereitende Comité“, da man darüber einig war, daß man nicht früher in die Oeffentlichkeit treten dürfe, bevor nicht die Sicherheit geboten sei, daß auch etwas Lebensfähiges geschaffen worden. Eine große Anzahl von Anmeldebogen wurde überallhin verschickt, und bereits zu Ende Juni waren auf zurückgelangten Bogen weit über 6000 Beitrittserklärungen verzeichnet. Darauf hin ward die constituirende Vollversammlung für den 2. Juli d J. ausgeschrieben und dieselbe dann im Saale der kaiserlichen Akademie der Wissenschaften unter großer Betheiligung abgehalten. Durch Acclamation ward die Vereinsleitung ernannt, und Dr. Weitlof, als erwählter Vereinsobmann schloß die Versammlung. Und nun entwickelte sich ungeahnter Weise der Schulverein in allen Kronländern des Kaiserstaates und vornehmlich dort, wo das Deutschthum von fremden Einflüssen bedroht, ja schon vergewaltigt war. Nach Tausenden wuchs die Zahl der Theilnehmer von Tag zu Tag und zählt heute, obgleich sich allerlei Hemmnisse demselben oft feindlich entgegenstellten, nach Hunderttausenden. Auch die Geldmittel wuchsen in erstaunlicher Weise, und der Verein begann energisch die sich gestellte Aufgabe zu lösen: überall dort, wo deutsche Minderheiten durch den Mangel an deutschen Schulen entdeutscht werden, deutsche Schulen zu errichten. Es ist nicht unsere Aufgabe, den heute noch nicht abgeschlossenen Aufschwung des segensvollen deutschen Schulvereines in Oesterreich darzustellen, von seinen geistigen Eroberungen, seinen Kämpfen mit den wie Pilze aus der Erde hervorwachsenden Widersachern zu berichten. Wir fassen uns kurz: Der deutsche Schulverein ist eine That, nicht aus momentaner Oppositionsstimmung entsprungen; weit entfernt, eine politische Demonstration zu sein, ist er nur eine bleibende Mahnung an alle deutschen Bewohner Oesterreichs, auf der Hut zu sein gegen das rücksichtslose Gebaren der fremden Stämme, welche die deutsche Nationalität bedrohen und mit allen erlaubten und unerlaubten Mitteln zu knechten, zu bedrücken, zu vernichten streben. Aber die Deutschen Oesterreichs müssen in der nationalen Sisyphusarbeit des energischesten Widerstandes gegen die ihnen feindlichen Elemente nicht erlahmen. Und zu den hauptsächlichsten Ermunterern und Ermahnern: in diesem [201] gesetzlichen Widerstande auszuharren, gehört Dr. Moriz Weitlof, ja die Geschichte des Entstehens und der Entwicklung des deutschen Schulvereines vom Jahre 1881 bis zur Gegenwart enthält auch die Hauptmomente der Biographie Weitlof’s in dieser Zeit. Nur wenig mehr haben wir beizufügen. 1881 wurde Weitlof von der inneren Stadt Wien an Stelle des gesinnungstüchtigen Dr. Brestl in das Abgeordnetenhaus des Reichsrathes gewählt. In diesem trat er zuerst dem Fortschrittsclub bei und bildete mit demselben vereint die „vereinigte Linke“. Bei den Neuwahlen 1885 wurde er wiedergewählt, und nach vergeblichen Versuchen, die ganze deutsche Opposition in einen nationalen Club zu vereinigen, wirkte er an der Bildung eines deutschen – wir beklagen es, nicht schreiben zu können deutschösterreichischen – Clubs mit, in welchem er auch die leitende Stelle übernahm. Die Pflege der nationalen Richtung, sowohl in den erwähnten Stellungen, als auch vor und außerhalb derselben in Vereinen, bei Wahlbewegungen war seit dem Beginne der constitutionellen Aera stets sein Leitstern, und in diesem Sinne hat er als langjähriges Vorstandsmitglied des „Deutschen Vereines“, als Vorsitzender und Referent in „niederösterreichischen Parteitagen“, sowie bei allgemeinen deutschen Parteitagen Oesterreichs mitgewirkt.

Neue Illustrirte Zeitung. Herausgegeben von Karl Emil Franzos (Wien, kl. Fol.) XIII. Jahrgang, 2. Band. 14. Juni 1885, Nummer 38, Seite 603: „Das neue Abgeordnetenhaus“.
Porträt. Holzschnitt nach einer Photographie, gezeichnet von J. Weixelgärtner in Paar’s xylographischer Anstalt in vorgenannter Nummer der „Neuen Illustrirten Zeitung“.