Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Band: 53 (1886), ab Seite: 194. (Quelle)
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26. Weber, Joseph (Schriftsteller, geb. 1755, Todesjahr unbekannt). Ueber sein Leben wissen wir nur sehr wenig zu berichten; er war der Milchbruder der Erzherzogin Marie Antoinette, der nachherigen unglücklichen Königin von Frankreich, und trat als Kammerdiener in die Dienste des Königs Ludwig XVI. von Frankreich. Zuletzt genoß er eine ihm von der Erzherzogin Marie Christine und deren Gemal Prinz Albert von Sachsen-Teschen ausgesetzte jährliche Pension. Er ist Verfasser des Werkes: „Mémoires concernant Marie Antoinette archiduchesse d’Autriche, reine de France etc.“ 3 Vol. (Londres 1804, 8°.). In einem in Besitz des Herrn Grafen Andreas Thürheim befindlichen Briefe an Ludwig Joseph Max Fürsten von Starhemberg, ddo. 9 Août 1809, 26. Hay-Market, nennt sich Weber gleich im Eingange ausdrücklich Verfasser dieser Memoiren. Ich verdanke der Güte des Herrn Grafen Thürheim, daß ich in eine wortgetreue Copie des Briefes Einsicht nehmen konnte. Dieses Schriftstück, in welchem sich Weber Pensionnaire de S. A. R. Msgnr. le duc Albert de Saxe-Teschen unterzeichnet, beginnt mit den Worten: „J’ai l’honneur de présenter à votre Excellence le complètement du troisième et dernier volume de mes Mémoires u. s. w. Auch der weitere Inhalt dieses Schreibens gibt keinem Zweifel Raum an Weber’s Autorschaft der erwähnten Memoiren. Nun aber wurde dieselbe doch in Zweifel gezogen, und zwar geschah es in folgender Weise. Es erschien von diesen Memoiren 18 Jahre später, 1822, in Paris – die erste Ausgabe kam in London heraus – eine neue Ausgabe bei Baudouin frères in zwei Bänden, auf dem Titelblatte mit [195] dem Zusatze: „Avec des notes et des éclaircissements historiques par MM. Berville et Barrière, und gehört dieser zweite Abdruck in die Collection des Mémoires relatifs à la Révolution française. Dieser Wiederabdruck gab nun Veranlassung zu einem Proceß zwischen Joseph Weber und den Gebrüdern Baudouin. Letztere behaupteten, daß derselbe gar nicht der Verfasser dieser Memoiren sei, und daß seine gegen sie gerichtete Klage somit jeden Grundes entbehre. Sie stützten diese Behauptung auf einen Brief des Marquis Lally-Tollendal. J. M. Quérard im 4. Bande seines Werkes „La France littéraire“, der daselbst diese „Mémoires“ unter die Werke Lally-Tollendal’s einreiht, erläutert auf S. 466 diese Behauptung mit folgenden Worten: „M. le Marquis de Lally-Tollendal avoue avoir rédigé d’après ses mémoires personnels et d’après quelques instructions particulières du duc de Choiseul, ce qui regardait l’intérieur domestique de la reine à Vienne et à Versailles; et d’après un petit nombre de notes de Weber l’avantpropos, les 1, 2 et 3me chapitres de ces Mémoires. Le premier volume, depuis la page 359, a été rédigé par un écrivain de Paris, voué à des principes en opposition avec ceux de M. Lally. Trophine Gérard Marquis von Lally-Tollendal (geb. zu Paris am 5. März 1751, gest. daselbst am 11. März 1830) war 1789 Deputirter der Generalstaaten, nach der Restauration Pair von Frankreich, Staatsminister, Mitglied des Privatconseils des Königs Karl X. und Mitglied der Akademie. Die weiteren Schritte Weber’s gegen die Gebrüder Baudouin sind uns unbekannt. In der ausführlichen Biographie, welche die Brockhaus’schen „Zeitgenossen“ in der zweiten Reihe Heft XII und XIV bringen, wird im Vorworte der biographischen Denkwürdigkeiten des „Generals Weber, Milchbruders der Königin Marie Antoinette“ gedacht. Mit diesem General ist der obige Kammerdiener Ludwigs XVI. gemeint. Wie derselbe zum General avancirte, ist uns unerfindlich. Graf Thürheim, gewiß eine Autorität in Sachen der österreichischen Kriegsgeschichte, schreibt mir auf eine Anfrage in dieser Angelegenheit: „Unter sämmtlichen Generälen von Anbeginn des stehenden Heeres in Oesterreich bis 1811 kommen nur zwei Namens Weber vor: Franz Weber von Treuenfels, der 1808 Feldmarschall-Lieutenant wurde und 1809 an den Folgen einer bei Aspern erhaltenen Wunde starb, und Conrad Weber, der gleichfalls 1808 Feldmarschall-Lieutenant wurde und 1810 starb. Aber weder der Eine noch der Andere hat Memoiren über Marie Antoinette herausgegeben, wohl aber der obige Kammerdiener Ludwigs XVI. und nachmalige Pensionär des Herzogs von Sachsen-Teschen“. Wie es sich aber mit seiner – wie aus Vorstehendem erhellt – bestrittenen Autorschaft dieser Memoiren verhält, können wir mit Sicherheit nicht bestimmen.