BLKÖ:Walter, Ignaz (böhmische Musikanten)

Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Wallter, Ignaz
Band: 53 (1886), ab Seite: 23. (Quelle)
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10. Ignaz Walter ist der eigentliche Stammvater der sogenannten „böhmischen Musikanten“, welche noch zur Zeit alle Länder und Städte des Continents durchziehen. Daß die Musik im Böhmerlande, namentlich im böhmischen Erzgebirge, eine Heimstätte hat, wie kaum irgendwo anders, ist bekannt. Sie wird in Böhmen zugleich mit dem Vaterunser und den zehn Geboten erlernt. Der Schulmeister ist in der Regel auch der Musikmeister. Die vortrefflichen Musikbanden der österreichischen Regimenter recrutiren sich größtentheils aus Böhmen. Die Bergstadt Presnitz aber im böhmischen Erzgebirge ist die eigentliche Hochschule aller böhmischen Musikanten. Im letzten Viertel des achtzehnten Jahrhunderts war Ignaz Walter Bürgermeister zu Presnitz, einem im Saazer Kreise unweit der sächsischen Grenze gelegenen Städtchen von etwa vierthalbtausend Seelen, über welches Professor W. F. Warhanek in seinem Werke „Das Kaiserthum Oesterreich“ geographisch, statistisch, topographisch (Wien 1837, Zamarski, 8°.) S. 301 bemerkt: „Von hier kommen viele herumziehende Musikanten und Harfenmädchen“. Der [24] genannte Bürgermeister Ignaz Walter, war der Erste, welcher in dem Städtchen die Harfe zu spielen verstand, und wurde ob seines herrlichen Spieles weit und breit in der Umgegend „König David“ genannt. Er unterrichtete seinen Pathen Isidor Richter, dieser wieder seine Base Elisabeth Haug auf der Harfe. Eine Schülerin der Letzteren, Anna Görner, war die Erste, welche mit diesem Instrumente reiste. Sie soll vor vielen großen Potentaten, so auch vor dem Kaiser von Rußland gespielt, Gnade und Wohlgefallen vor seinen Augen gefunden haben und zuletzt mit Schätzen und kostbaren Geschenken heimgekehrt sein. Diese glückliche Ahnfrau der Harfenistinen lebt heute noch im Gedächtnisse der Presnitzer. Das weckte Nachahmung. Das Harfenspiel verbreitete sich immer mehr und mehr im Städtchen, und als die Zeit der Theuerung und des Mangels an Erwerb in den Achtziger-Jahren viele Leute, sich Unterhalt zu suchen, in die Fremde trieb, begannen die Reisen der Harfenspieler und haben seitdem nicht aufgehört. Aus Presnitz zogen die ersten Harfenistinen aus, und öfter mit männlichem musicirenden Geleite. Und als mit der napoleonischen Continentalsperre, mit der Einführung der Maschinen, mit mancherlei anderen Krisen und der Kartoffelkrankheit Noth und Elend wuchsen, da mehrten sich auch die Orchester, und das Reisen der Musikanten wurde häufiger, und dies um so mehr, als auch der klingende Lohn nicht ausblieb und wenn auch gerade nicht in übermäßiger Weise, doch hinreichend zufloß, um die Bedürfnisse der Musikanten zu bestreiten und wohl auch ein kleines Capital für die Tage des Alters zurückzulegen. Sind auch heutzutage die Harfenistinen etwas seltener geworden, so begegnet man ihnen auf dem Lande doch immer wieder. –