Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Band: 52 (1885), ab Seite: 201. (Quelle)
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Waldner, Thomas (Schriftsteller, geb. zu Liesing in Lesachthale Kärnthens um 1830). Mit dem später als Sprachforscher bekannt gewordenen Matthias Lexer [Bd. XV, S. 51] besuchte er die Dorfschule. Ihn zur höheren Ausbildung in die Stadtschule zu schicken, fehlten den Eltern die Mittel, und so erlernte er das Tischlerhandwerk und betrieb es dann auf seiner Wirthschaft zu Rattendorf, einem Orte außerhalb Hermagors im kärnthnerischen Gailthale. Da er sich in seiner Profession von Jahr zu Jahr vervollkommnete, erwarb er sich als Kunsttischler bald einen wohlverdienten Ruf. Seine Ornamente, Stühle und Kanzeln bilden den Schmuck mancher Kirche in und außer dem Gailthale. Die Muße, welche ihm sein Handwerk übrig läßt, benützt er zur sorglichen Fortbildung aus der Lectüre eigener oder der in der Pfarrbibliothek befindlichen Bücher, und so liebt er es, über die Grenzen des Handwerks hinaus ganz als Autodidakt Streifzüge in das Gebiet der Wissenschaften und Künste zu machen und wenn er den Hobel[WS 1] ausgeklopft, Naturwissenschaft, Mathematik, [202] Geschichte zu betreiben und mitunter ein klein wenig, aber mit sichtlichem Verständniß den Socialpolitiker zu spielen oder gar zu dichten und zu schreiben. So gab er, als das Wirtschaftsgebäude seines Bruders in Flammen aufgegangen war, ein kleines Büchlein „Ueber die Assecuranzen“ heraus, worüber dem Verfasser anerkennende Schreiben aus dem Elsaß und aus Triest zukamen, während man in seiner Heimat gar nicht wußte, wer der Autor dieser Broschüre sei. Eine andere Schrift Waldner’s betitelt sich: „Sechs Abende eines patriotischen Cirkels. Wie manchem Bedürfnisse der Menschheit auf friedlichem Wege abzuhelfen wäre. Ein gemeinfasslicher Versuch von – –“ (Villach 1856, Fr. Hoffmann). Der Reinertrag war für die durch Feuer arg heim gesuchten Gailthaler bestimmt. In einer Reihe einzelner nach Abenden abgetheilter Abschnitte behandelt Waldner in sokratisch-dialogisirender Form die wichtigsten socialen Fragen des ländlichen Gemeindelebens, das Armenwesen, die Stellung der Dienstboten zum Hause, die Feuerpolizei und Assecuranz, die Frage der Hebung der Volksschulen und dergleichen mehr in klarer, lichtvoller Darstellung. Aber auch auf dem Gebiete der Poesie begegnen wir unserem Schriftsteller, und ist seine Muse auch keine pathetisch-hochtrabende, so ist sie dafür eine um so gemüthlichere, anspruchslosere, in welcher namentlich bei den Epigrammen manchmal der lose Schalk hervorguckt. Der im Verlage des Vereines österreichischer Kunsthändler erschienene „Oesterreichische Katalog“, zusammengestellt von F. Andriessen, verzeichnet im Jahrgang 1861, S. 83 der deutschen Bücher einen Waldner als Verfasser der Schrift: „Böhmische Naturdichter“, das aber ist grundfalsch. Denn Verfasser derselben ist Alfred Waldau, dessen wir bereits S. 162 dieses Bandes gedachten. Recht eigentlich aber lenkte Waldner die Aufmerksamkeit erst auf sich, als in dem kleinen Orte, in welchem er lebte und hobelte, eines Tages im Jahre 1866 ein Schreiben des Staatsministers an ihn eintraf, welches nur eine Antwort war auf seine an diesen gerichtete Eingabe über die Reform des Notariats, in welcher er sehr praktische Winke gab, die sich der Anerkennung des Staatsmannes erfreuten. Männer von dem Schlage Waldner’s werden in den Vereinigten nordamerikanischen Staaten Senatoren, ja auch Präsidenten, bei uns bleiben sie – Tischler.

Gratzer Abendpost (polit. Blatt, kl. Fol.) 1866, Nr. 183 und 184: „Aus dem kärnthnerischen Volksleben II. Ein Naturgenie aus dem Gailthale“.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Hebel.