Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Wahrmann, Israel
Band: 52 (1885), ab Seite: 144. (Quelle)
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Wahrmann, Jehuda (jüdischer Gelehrter, geb. zu Pesth 1793, gest. daselbst am 15. November 1868). Ein Sohn des Rabbiners Israel Wahrmann (gest. 1827), über welchen die [145] folgende Skizze handelt, besuchte er das Gymnasium in Pesth und hörte unter Schedius [Bd. XXIX, S. 149] die philosophischen Studien. Mit besonderer Vorliebe pflegte er die hebräische Sprache, in deren wissenschaftliche Durchforschung er sich ganz vertiefte. In den Zwanziger-Jahren begab er sich nach Prag, dem damaligen Hauptsitze jüdischer Bildung in Oesterreich, und dort erschienen auch seine ersten exegetischen. Versuche in den Jahrbüchern „Bikure-ha-Ittim“. Nach Pesth zurückgekehrt, setzte er daselbst seine Studien fort, und damals erschien sein erstes selbständiges Werk: „מֵעְרֶכֶת הֵהֵעְתָּקוֹת‎ oder System der Tropen. Als Beitrag zum ästhetischen Verständnisse der hebräischen Sprache in drei Abschnitten: 1. Ueber Entstehung und Bildung der Tropen; 2. Ueber die Tropen in der Poesie; 3. Ueber die Tropen in der Prosa“ (Ofen 1836, 8°.), dasselbe enthält werthvolle rhetorische, poetische und hermeneutische Untersuchungen und Abhandlungen über biblische und talmudische Themata. Nachdem er sich 1833 mit Seraphine Schlutzker aus einer Jaroslauer jüdischen Familie vermält hatte, lebte er bis 1840 im Hause seiner Schwiegereltern. Ein ihm angetragenes Kreisrabbinat lehnte er entschieden ab. Die Verhältnisse in politischer wie in socialer Beziehung, in welchen zu jener Zeit die galizischen Juden lebten, sagten ihm und seiner Gattin nicht zu und wurden zuletzt so unerträglich, daß die Eheleute beschlossen, nach Ungarn zu übersiedeln. In Miskolcz associirte sich Wahrmann mit einem verwandten Kaufmanne, der den Tuchhandel betrieb; da aber dieses Geschäft nicht nach Wunsch ging, zog er 1842 nach Pesth und befaßte sich daselbst mit der Oelraffinerie, aber auch da ging es wenig besser. Die energische Gattin raffte nun die Trümmer ihres Vermögens zusammen und flüchtete damit nach Ofen, wo das Leben billiger war. Dort übernahm Wahrmann die Leitung der israelitischen Schule und entwickelte die ersprießlichste Thätigkeit. Das Jahr 1848 lockte ihn wieder nach Pesth, aber unter den Stürmen der Revolution verlor er den Rest seines Vermögens. Nun bewarb er sich in seiner Vatergemeinde um eine Dajansstelle, welche er auch erhielt und bis an seinen Tod bekleidete. Während seiner Amtirung als Dajan versah er auch einige Jahre die Stelle des Religionslehrers am Gymnasium. Als er die Mangelhaftigkeit und Unbrauchbarkeit der vorhandenen israelitischen Religionsbücher erkannte, bearbeitete er eine „Mosaische Religionslehre. Zum Gebrauche für höhere Schulen“ (Pesth 1861, Kilian, VI und 483 S., 8°.), welchem Werke im nächsten Jahre das Buch „דֵת יְהוּדָה‎ (Dath Jehuda). Mosaische Religionslehre im Auszuge“ (Pesth 1862, Kilian, VI und 183 S., gr. 8°.) folgte. Fachmänner zählen dieses Werk in Hinsicht der Vollständigkeit, der wissenschaftlichen Haltung und des dasselbe durchdringenden religiös-philosophischen Geistes zu den besten Erscheinungen auf diesem Gebiete der jüdischen Literatur. Ein anderes umfangreicheres Werk, eine erweiterte Umarbeitung des oberwähnten „Systems der Tropen“ in deutscher Sprache, in welchem er sämmtliche rhetorische und poetische Figuren und Tropen, die in der Bibel vorkommen, theoretisch behandelt, durch Beispiele erläutert, und welches einen Schatz exegetischer und ästhetischer Bemerkungen, sowie neue Erklärungen dunkler Bibelstellen enthält, hat er in Handschrift hinterlassen. Viele hebräische und deutsche Aufsätze exegetischen und religiös-philosophischen Inhalts veröffentlichte er in verschiedenen [146] israelitischen Jahrbüchern und wissenschaftlichen Zeitschriften. Nach zweimonatlicher schmerzvoller Krankheit entschlief er mit Bibelversen auf den Lippen im Alter von 75 Jahren. Als Mensch ein Weiser, anspruchslos und bescheiden, als Hebraist wenige seines Gleichen zählend, als Religionsphilosoph der Maimonides-Mendelssohn’schen Schule angehörend, die weder starrer Negation, noch blindem Glauben oder gar modernem Pietismus das Wort gibt, suchte er Glauben und Wissen in seliger Harmonie zu vereinigen und war als Schriftsteller im Ganzen nicht eben sehr fruchtbar, aber gediegen.

Neuzeit (israelitische Zeitschrift, 4°.) 1868, Nachruf von Alex. Hochmuth.