Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Band: 51 (1885), ab Seite: 65. (Quelle)
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Visini, Andreas (Rechtsgelehrter und Fachschriftsteller, geb. zu Görz am 10. November 1799, gest. in Wien 1844). Die Normalschulen und das Gymnasium besuchte er in seiner Vaterstadt Görz und ging dann 1817 nach Wien, [66] wo er die philosophischen und rechtswissenschaftlichen Studien betrieb. Nach deren Vollendung dem judiciellen Dienste sich zuwendend, erlangte er zunächst das Wahlfähigkeitsdecret für das Civil- und Criminalrichteramt, wurde 1827 als Auscultant bei dem Criminalsenat des Wiener Magistrates angestellt und 1832 zum Criminalgerichtsactuar daselbst befördert. Zuletzt fungirte er als geprüfter Civil- und Criminalrichter bei dem Wiener Criminalgerichte, wie er auf dem vierten Bande seiner „Beiträge zur Criminalrechtswissenschaft“, welcher 1843 erschien, sich selbst nannte. Im Jahre 1844 compromittirte er sich in einer Untersuchung wegen Betruges gegen galizische (Lemberger) Juden, sogenannte Kratzer, und um sich der ihn deshalb bedrohenden Verantwortung zu entziehen, nahm er sich durch Gift noch im nämlichen Jahre das Leben. Visini war in seinem Fache auch schriftstellerisch thätig, und verdanken wir seiner Feder einige selbständige Werke und in Fachzeitschriften abgedruckte Abhandlungen. Selbstständig gab er heraus: „Handbuch der Gesetze und Verordnungen, welche hinsichtlich des österreichischen Gesetzbuches über Verbrechen vom 3. September 1803 von dem Zeitpunkte seiner Kundmachung bis zu Ende des Jahres 1831 nachträglich erschienen sind, mit allen darauf Bezog nehmenden aus der Civil- und Militärjustiz, dann der politischen und Cameralgesetzgebung entlehnten Hilfsquellen“ (Wien 1832, Anton Edler von Schmid, 8°.) das Supplement dazu (ebenda 1839, 8°.); – „Handbuch der Gesetze und Verordnungen, welche sich auf das österreichische allgemeine bürgerliche Gesetzbuch beziehen“, zwei Bände (Wien 1837, Gerold, 8°.). Wenn die beiden eben genannten Werke einen vorzugsweise compilatorischen Charakter an sich haben und also nur ihrer praktischen Brauchbarkeit wegen bemerkenswerth sind, so hat er dagegen mit seinem letzten Werke: „Beiträge zur Criminalrechtswissenschaft mit besonderer Rücksichtnahme auf das österreichische Criminalrecht“, vier Bände (Wien 1839–1843, Gerold, 8°.) [vergl. darüber die Fachschrift „Der Jurist“, Bd. I, S. 473 u. f., Bd. VI, S. 484, und die „Zeitschrift für österreichische Rechtsgelehrsamkeit“, 1840, Bd. III, S. 106 u. f.] sich als einen scharfsinnigen Denker und fein beobachtenden Psychologen auf criminalistischem Gebiete bewährt. Nur die Anstrengungen seines amtlichen Berufes hinderten ihn an der Fortsetzung dieses Werkes, dessen vierter Band den berühmten Lafarge’schen Vergiftungsproceß behandelt, und das in Fachkreisen sich bester Aufnahme erfreute. In Fachschriften veröffentlichte Visini, und zwar im „Jurist“: „Bemerkungen über den §. 154, II, litt. c, des ersten Theiles des österreichischen Strafgesetzbuches bezüglich des Diebstahls am versperrten Gute“ [Bd. XIII (I), S. 335–368], und in Vinc. Wagner’s „Zeitschrift für österreichische Rechtsgelehrsamkeit“: „Abhandlung über die Begriffe, Arten und Strafbarkeit der Urheber, Thäter, Mitschuldigen und Theilnehmer an der nach dem österreichischen Strafgesetzbuche vom 3. September 1803 bestimmten Verbrechen mit Rücksichtnahme auf das Verbrechen der Vorschubleistung“ [1833, Bd. I, S. 295 bis 331]; – „Mord am neugeborenen unehelichen Kinde, verübt durch dessen Mutter Anna R*, und Abhandlung über die Geistes- und Gemüthskrankheiten (Seelenkrankheiten) in Bezug auf die Criminalrechtspflege“ [1834, Bd. I, 12–55]; – „Criminalrechtsfall in Beziehung auf den §. 167 des ersten Theiles des österreichischen Strafgesetzbuches“ [67] [1835, Bd. I, S. 43–54]; – „Abhandlung über strafbare Tödtungen, insbesondere über Mord und Todtschlag, mit Rücksichtnahme auf die vorzüglichsten Rechtsquellen der älteren und neueren Zeit“ [1835, Bd. II, S. 339 bis 368]; – „Criminalrechtsfall und Abhandlung über strafbare Tödtungen“ [1836, Bd. II, S. 95–109].