BLKÖ:Villani, Karl Ignaz (Karl Drahotin) Freiherr

Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Band: 50 (1884), ab Seite: 301. (Quelle)
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Villani, Karl Ignaz, auch Karl Drahotin Freiherr (čechischer Schriftsteller, geb. zu Rabin in Böhmen am 23. Jänner 1818, nach Anderen 1819). Ein Sohn des Freiherrn Maria Ignaz Ferdinand, erhielt er den ersten Unterricht durch Privatlehrer und kam später in die Normalschule der Piaristen zu Budweis. Am 30. October 1830 trat er, zwölf Jahre alt, in die Wiener-Neustädter Militärakademie ein, aus welcher er im September 1838 als Fähnrich zu Palombini-Infanterie Nr. 36 ausgemustert wurde. Im Juni 1842 rückte er zum Lieutenant im Regimente vor, quittirte aber noch im nämlichen Jahre. In der Wiener-Neustädter Akademie war es vornehmlich Professor Thomas Burian [Bd. XIV, S. 409], der in dem lebhaften empfänglichen Jünglinge den nationalen Gedanken weckte, in welchem derselbe fortan den Leitstern seines Lebens sah. Schon 1836 versuchte sich Villani in kleineren čechischen Poesien, welche auch in den schöngeistigen Blättern „Květy“, d. i. Die Blüten, und „Včela“, d. i. Die Biene, erschienen. Nach seinem Austritte aus der Akademie kam er mit seinem Regimente für die erste Zeit nach Prag, dann, in den Jahren 1840 und 1841, stand er zu Časlau in Garnison, später in Galizien, wo er bis 1846 verblieb. Als im letztgenannten Jahre daselbst die Revolution ausbrach, weigerte er sich, gegen die Rebellen zu kämpfen, und dies veranlaßte seinen Austritt aus den Reihen der kaiserlichen Armee. Aber schon das Jahr vorher hatte er sich mit Mathilde, einer Tochter des ersten Zuckerindustriellen Herz in Böhmen verheiratet und das Gut Strischkov bei Beneschau gekauft, wo er sich nun ausschließlich der Landwirthschaft, die er in ganz rationeller Weise betrieb, widmete. Auch trat er bald darauf in den böhmischen Landtag ein, in welchem er zu der damaligen Opposition gehörte. Als 1848 die Revolution in Oesterreich ausbrach und auch in Böhmen ihre unheimlichen Blasen aufwarf, schloß er sich mit dem ganzen Feuergeiste eines dem bisherigen Regime abholden Fortschrittsmannes der Bewegung an und sah sich bald zum Commandanten der čechischen unter dem Namen „Svornost“ berüchtigt gewordenen Bürgerwehr ernannt. Als nach der denkwürdigen Pfingstwoche die Bewegung in Prag, die einen gewaltsamen Charakter angenommen, ihrem Erlöschen entgegen ging, ward auch Villani gefänglich eingezogen, aber nach achtwöchentlicher Untersuchungshaft, da er keiner Schuld überwiesen werden konnte, vornehmlich auf Einschreiten des österreichischen Reichstages [302] in Wien, wieder m Freiheit gesetzt. 1850 in den Prager Gemeinderath gewählt, versah er sein Amt längere Zeit mit Eifer und Umsicht. 1865 berief ihn die Gemeinde Beneschau zu ihrem Bürgermeister, und er blieb es bis 1870. Im Jahre 1867 wählten ihn die Landgemeinden für Beneschau, Vlašim und Neveklos zum Abgeordneten in den böhmischen Landtag, in welchem er die bekannte Declaration mit unterschrieb. Von der Zeit an, in welcher er aus den Reihen der kaiserlichen Armee trat, machte er große Reisen durch ganz Europa, und 1867 befand er sich auch unter den čechischen Pilgern, welche unter dem Vorwande, die ethnographische Ausstellung in Moskau zu besuchen, Rußland für die Selbständigkeitszwecke Böhmens zu gewinnen trachteten. In den letzten Jahren, als der Gründungsschwindel wie eine Art Seuche die Menschheit befiel, ließ sich Villani zum Verwaltungsrathe der „Ersten allgemeinen böhmischen Versicherungsbank in Prag“ machen. Als dann im Jahre 1877, in welchem dieselbe fallirte, gegen die Verwaltungsräthe wegen leichtsinniger Crida die Anklage erhoben wurde, meldete die Prager Zeitschrift „Bohemia“, „daß Karl Freiherr von Villani irrsinnig geworden“. Wie schon bemerkt, wirkte derselbe frühzeitig als Schriftsteller. 1844 begann er die Herausgabe seiner „Zábavní spisy“, d. i. Unterhaltende Schriften, welche seine Dichtungen „Lyra a meč“, d. i. Lyra und Schwert, enthielten. Eine Fortsetzung dieser Sammlung erschien nicht. Ein Gleiches war der Fall mit einer zweiten im Jahre 1846 veranstalteten Ausgabe seiner „Spisy“, d. i. Schriften, wovon auch nur der erste Theil erschien, enthaltend: „Vojenské zpěry. Lípy květ. Deklamace. Smír. Dopisy z Prahy“, d. i. Soldatenlieder. Lindenblüten. Declamationsstücke. Versöhnung und Berichte aus Prag. Dieser erste (und einzige) Theil war dem Fürsten Karl Schwarzenberg gewidmet und mit dessen Bildniß geschmückt. Eine zweite (Titel-) Auflage folgte 1862 bei Dominicus in Prag. 1850 gab er auf seine Unkosten die von Malý ausgeführte čechische Uebersetzung der Geschichte der französischen Revolution von Mignet heraus. 1851 erschien aber sein Gedicht „Ulehčení“, d. i. Erleichterung, mit gegenüberstehender deutscher Uebersetzung und Pianobegleitung von Jos. Aug. Heller. 1855 unternahm er die Ausführung eines sprachlichen Kunststückes; anläßlich einer Debatte über die Reichhaltigkeit der čechischen Sprache schrieb er nämlich in acht Tagen ein didaktisches Gedicht in 15 Gesängen – einer derselben wurde in der Zeitschrift „Lumír“ abgedruckt – jedes Gedicht zählte 20 Strophen, jede Strophe 6 Zeilen und das ganze Gedicht 1800 Verse, in welchen sich nur Reime auf aní, ení und ost finden. Im Beginn seines literarischen Auftretens begegnen wir auch seinen deutschen Stylproben in der Zeitschrift von Glaser: „Ost und West“. Später, als er nur noch čechisch schrieb, erscheinen seine Dichtungen öfter im „Lumir“. Als beste Leistung seiner Muse bezeichnen seine Landsleute das Lustspiel „Štedrý večer“, d. i. Der Christabend (Prag 1869). Ungedruckt befinden sich unter seinen Papieren zahlreiche lyrische Gedichte und Balladen in čechischer Sprache. Mehrere seiner čechischen Lieder wurden von den besseren Liedercomponisten Böhmens, von Alois Jelen, Fr. Pivoda, J. Soukup und J. A. Heller in Musik gesetzt. Noch sei bemerkt, daß Villani – wie man [303] wissen will, aus Anlaß eines in den Volksmund übergegangenen und bis nach Serbien gedrungenen Liedes – als Organisator der serbischen Truppen nach Serbien berufen worden sei, welche Stelle er aber nach Vertreibung des Fürstenhauses Obrenovic niedergelegt habe.

Svoboda (Johann). Die Zöglinge der Wiener-Neustädter Militär-Akademie von der Gründung ves Institutes bis auf unsere Tage (Wien 1870, Selbstverlag, schm. 4°.) Sp. 649.