BLKÖ:Vay, Adelina Freiin von

Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Vay, Alois Baron
Band: 50 (1884), ab Seite: 25. (Quelle)
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Vay, Adelina Freiin von (Schriftstellerin, geb. zu Tarnopol in Galizien am 21. October 1840). Sie entstammt dem alten Grafengeschlechte Wurmbrandt-Stuppach. Ihr Vater, Graf Ernst (geb. 12. März 1804), ältester Sohn des Grafen Gundakar Heinrich, welcher das Obersthofmeisteramt bei der Kaiserin Karolina Augusta bekleidete, war mit der ihrer Schönheit wegen berühmten siebenbürgischen Gräfin Rosa Teleki vermält und stand zur Zeit der Geburt Adelinas als k. k. Oberstlieutenant des Infanterie-Regiments Baron Bianchi Nr. 63 zu Tarnopol in Garnison. Er starb schon am 9. December 1846. Die Witwe vermälte sich am 4. November 1851 zum zweiten Male, und zwar mit Friedrich Grafen zu Solms-Baruth, welcher sie mit ihren beiden Töchtern aus erster Ehe, der damals einjährigen Adelina (Adelheid) und Rosa, später vermälten Johann Georg Freiherr von Saurma-Jelisch, in seine Heimat Preußen führte. Dort erhielten die Kinder eine ihrem Stande entsprechende sehr sorgfältige Erziehung, in welcher auf die religiöse Seite ohne Aberglauben, sowie auf gediegene Kenntnisse ohne strengwissenschaftliche Richtung ein besonderes Gewicht gelegt wurde. Am 12. März 1860, damals 20 Jahre alt, vermälte sich Adelina zu Golßen in der Lausitz mit Eugen Baron Vay, der als k. k. Rittmeister bei Graf Haller Palatinal-Huszaren Nr. 12 diente. Bald darauf trat ihr Gatte aus dem Militärverbande und zog sich auf sein in Ungarn gelegenes Gut Tisza-Lök zurück, wo das junge Ehepaar sieben Jahre lang zubrachte. Die klimatisch vortreffliche Lage von Gonowitz in Untersteiermark veranlaßte Baronin Adelina, sich daselbst eine Villa zu kaufen, in welcher die Familie ihren bleibenden Wohnsitz nahm. Von dort aus machen sie zahlreiche und weite Reisen: so besuchten sie 1877 Holland, England und Irland, wo sie mehrere Wochen bei dem Bischof von Limerick verweilten, und gingen dann nach Paris. 1878 bereisten sie Italien, wo sie in allen berühmten Städten sich längere Zeit aufhielten. Es war im Herbste 1865, Adelina zählte damals 25 Jahre, als die beiden Gatten die Bekanntschaft eines Magnetiseurs, des Dr. G. gemacht hatten Dieser behauptete, die Eigenschaft des geistigen Schauens auf der Stirne der Baronin phrenologisch ausgeprägt zu sehen, und rieth ihr, das magnetische Schreiben zu versuchen. Die Baronin, dieses Ansinnen als antikatholisch bezeichnend, wies es mit Unwillen zurück. Von Kindheit an war sie dazu angeleitet worden, Allem, was auf Aberglauben abzielte, ein entschiedenes Mißtrauen entgegenzubringen und es mit Ruhe und kühlem Verstande zu prüfen. Dr. G. aber gab sich mit der Abweisung nicht zufrieden, er versuchte, die Baronin zu magnetisiren, und behauptete, sie würde gleich einschlafen. Aber das Erwartete geschah nicht, auch ein Glas magnetisirten Wassers, welches sie austrank, verfehlte seine Wirkung. Nun erklärte Dr. G. die Baronin umsomehr für stark magnetisch und stellte überdies die Behauptung auf, daß sie ein Seh- und Schreibmedium sei; er rieth ihr, sich als solches zu versuchen, und zwar besonders zur Stärkung ihrer Gesundheit, die allerdings, ohne gerade angegriffen zu sein, doch bei der sehr zarten [26] Constitution der Baronin und in Anbetracht der öfteren äußerst schmerzhaften Krämpfe, an denen dieselbe litt, immerhin Manches zu wünschen übrig ließ. Schon längst hatte Adelina den Magnetiseur und dessen Rath vergessen, als sie eines Tages, von heftigen Krämpfen befallen, ihrem Manne halb im Scherz erklärte, sie wolle doch das magnetische Schreiben als Heilungsversuch anwenden. Gesagt, gethan; sie nahm einen Bleistift zur Hand und fühlte mit einem Male ihren Arm wie durch elektrische Ströme bewegt: die Hand wurde nun hin und her gerissen, und es schrieb in großen Buchstaben: „Ich bin Thomas, dein Schutzgeist – schreib magnetisch, es thut dir gut, du wirst ganz gesund. – Heinrich – Sarg – 1867 für Euch ein Trauerjahr – Napoleons Sturz 1870“. Erschöpft hielt sie inne und begann mit ihrem Gatten das Geschriebene langsam zu entziffern, da sie eben keine Ahnung von dem Wortlaute hatte. [Heinrich hieß ihres Gatten Bruder, der thatsächlich nach langwierigem schweren Leiden, 1867 starb.] Adelina und ihr Gemal fühlten sich nach diesem Erlebnisse sehr unbehaglich, das Unbekannte und Geisterhafte war Beiden unheimlich und unangenehm. Die Baronin aber hatte sich nach jenem ersten magnetischen Schreiben, wie sie es nannte, mit dem festen Vorsatze zur Ruhe begeben, dasselbe nicht mehr zu versuchen. Im Vorstehenden ist erzählt, wie Baronin Adelina eine Spiritistin geworden. Für unser Lexikon genügt die Nachweisung der Genesis eines Zustandes, welcher diese Frau auf mystische Bahnen und auf das schriftstellerische Gebiet führte. In ihren Werken versucht sie nun die von einem großen Theile des Publicums blindlings verworfenen, von einem anderen blindlings geglaubten Erscheinungen einer unter allen Umständen unheimlichen und nichts weniger als unglaublichen merkwürdigen Kraft darzustellen. Ich folgte in obiger Darstellung ganz den Mittheilungen, welche die Dame in ihren „Studien über die Geisterwelt“ S. 49, Abschnitt II: „Mediumschaft der Adelina Freiin von Vay“ veröffentlicht hat, auf welche Schrift bezüglich der weiteren Entwickelung des Spiritismus bei Baronin Vay und ihrem Gemal um so mehr hingewiesen wird, als jeder unbefangen Lesende darin weder eine Absicht zu täuschen erkennen kann, noch aber bei rein objectiver Beurtheilung Unmöglichkeiten erzählt findet, denn nicht eben Alles ist für Alle, und Etwas, was bei dem Einen nicht vorkommt, deshalb für absurd zu halten, wenn es bei einem Anderen eintritt, nur das eben ist absurd. Von dem oben erzählten Vorfalle ab gerieth Baronin Adelina immer tiefer und tiefer in das geheimnißvolle Gebiet des Spiritismus und mit ihr zugleich ihr Gemal, dessen Soldatennatur gegen allen Spuk ankämpft, hier aber doch von der Gewalt unerklärlicher Erscheinungen mit beeinflußt wurde. Die von Baronin Adelina Vay herausgegebenen Schriften, welche, vorurtheilsfrei gelesen, selbst für den Gegner des Spiritismus ungemein Interessantes und viel Anziehendes enthalten, heißen: „Betrachtungsbuch für Alle. Von Adelina“ (Wien 1867, Rudolph Lechner [Leipzig, Oswald Mutze] 12°., 136 S.); – „Geist, Kraft, Stoff. Herausgegeben von Katharina, Adelina und Ödön Vay“ (Wien 1870, Rud. Lechner, gr. 8°., VIII und 168 S. mit eingedruckten Holzschnitten); – „Studien über die Geisterwelt. Von Adelina Freiin von [27] Vay, geborenen Gräfin von Wurmbrand. Mit einem Bildniss der Verfasserin, sechs medianimischen Zeichnungen des Barons Ödön von Vay und anderen in den Text gedruckten Figuren“ (Leipzig 1874 bei Oswald Mutze, 8°., X und 408 S.) ; dieses Werk, weitaus das interessanteste, ergeht sich in der Einleitung über die Principien, die Mittel des Spiritismus, das Lebensprincip und die Erscheinungen des geistigen Princips, erzählt die Mediumschaft der Baronin und läßt dann eine chronologische Zusammenstellung von Manifestationen aus den Jahren 1865–1868 folgen, in welcher wir drei Fragen über Matthäus VII, 22–23, über die Bewohntheit der Planeten, dann eine vom Geiste des ungarischen Dichters Kölcsei über den Spiritismus beantwortete Frage, Budha’s Offenbarungen an das Medium, Manifestationen von Hahnemann und Mesmer, Kundgebungen Maria’s, Erklärungen einiger medianimischen Zeichnungen Ödön Vay’s, und zwar Beschreibungen von gelieferten Zeichnungen des Knaben Jesus, einer Thierseele, des Geistes Robespierre’s, von Gestalten aus dem Planeten Mercur, eines Mondbewohners, von der Pompadour u. A. finden. Ein eigener Abschnitt handelt über das Schauen im Wasserglase, ein anderer über die Schreibmediumschaft der Baronin Katharina von Vay geborenen Baronin von Geymüller, und den Beschluß des eigenthümlichen Werkes bilden das Buch der Curen und einige merkwürdige Manifestationen lebender wie abgeschiedener Geister. Einzelne Aufsätze veröffentlichte Adelina in den Jahrgängen 1873, 1874 und 1875 der im Selbstverlage des Vereines: Geistiger Forscher (Budapesth) herausgegebenen Monatsschrift: „Reflexionen aus der Geisterwelt“ und dann in der bei Oswald Mutze in Leipzig 1875 verlegten Monatsschrift: „Psychische Studien“. Außer vorerwähnten Schriften theilt uns ein Freund noch folgende mit, welche wir in den Bücherkatalogen vergeblich suchen: „Betrachtungen für Alle“ (Wien 1877), wohl identisch mit dem obenerwähnten „Betrachtungsbuch“; – „Glaubensbekenntnisse einer modernen Christin“ (Budapesth, Wien 1873); – „Visionen im Wasserglase“ (Budapesth 1877) und „Erzählungen des ewigen Mütterleins“ (Budapesth 1878); auch finden sich noch Artikel ihrer Feder in der Zeitschrift: „Reformirende Blätter zur Bildung reiner Ethik“, welche in Budapesth erscheint, und in dem zu Waltershausen bei Gotha herausgegebenen Blatte: „Licht, mehr Licht! psychologisches Sonntagsblatt“. Auch dürfte es hier am Platze sein, des Briefwechsels zu gedenken, den sie im Interesse des Spiritismus mit hervorragenden Vertretern desselben unterhält, von denen wir nennen: Franz Hoffmann in Würzburg, den Herausgeber der Werke des berühmten Philosophen Baader; Alexander Jung, den Bruder des Romanschriftstellers Levin Schücking in Amerika, Professor Bayer in Schweinfurt und den russischen General und Poeten Emil Prinzen Wittgenstein. Die Kritik hat die Verfasserin der „Studien aus der Geisterwelt“ mit unzarten oder sagen wir lieber gradaus mit rohen Händen ungefaßt. Ein Freund, dem ich überhaupt mehrere Aufschlüsse über diese merkwürdige Spiritistin verdanke, schreibt darüber: „Die Baronin wurde in den Tagesblättern von den Gegnern ihrer Weltanschauung mehrseitig angegriffen und mit Hohn und Spott überhäuft. Aber um so achtenswerther erscheint diese Frau durch den Muth, mit welchem sie dessenungeachtet [28] ihre Ueberzeugung offen ausspricht und vertritt. Anderseits steht sie bei ihren Meinungsgenossen, die in Amerika, England, Frankreich und Deutschland schon nach Millionen zählen und sich immer noch vermehren, in großem Ansehen. Jedenfalls würde die Journalistik geziemender gehandelt haben, wenn sie ihre Referate über die Schriften der Baronin Vay, einer in jeder Beziehung höchst achtenswerthen Dame, ganz objectiv eingerichtet hätte, zumal es auch unvorsichtig ist, über eine wichtige Frage, die sich noch sub judice befindet, vorschnell abzusprechen. Ja, offen und gelinde gesagt, man geht bei Beurtheilung der Werke dieser Dame sehr oberflächlich vor. So beschuldigt ein Kritiker der „Studien“ die Verfasserin, „„daß sie vom Ultramontanismus sich habe gefangen nehmen lassen““. Dieser Kritiker verräth aber, daß er nicht das ganze Buch – und ein Kritiker soll, wenn auch mit Ueberwindung, ein Buch, über das er schreibt, ganz und aufmerksam lesen – wenigstens nicht, was auf S. 72–76 über die abgöttische Mariaverehrung und S. 78 vom Untergange des Papstthums steht, gelesen hat; sonst müßte er zur Ueberzeugung gekommen sein, daß Adelina Vay nach ultramontanen Ansichten eher auf den Scheiterhaufen als in den päpstlichen Heiligenkalender gehört. Aber die heutigen Stoffgläubigen sehen eben Jeden für einen jesuitischen Ultramontanen an, der sich nicht als einen Gottesläugner gibt“. Ich habe diesen Worten nichts beizufügen, als daß sie mir aus der Seele geschrieben sind.

Porträt. Facsimile des Namenszuges „Adelina Vay“. Medaillonbild. Lithographie ohne Angabe des Zeichners und Lithographen (8.) [auch als Titelbild zu dem Werke: „Studien aus der Geisterwelt“].