Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Tschego, N.
Band: 48 (1883), ab Seite: 31. (Quelle)
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Tschaup, Joseph (Bauernrebell, geboren in Tirol in der ersten Hälfte des achtzehnten Jahrhunderts, enthauptet und nach der Enthauptung geviertheilt zu Innsbruck am 22. December 1764). Im sogenannten Burggrafenamte Tirols hatte sich im Frühjahre 1762 mancher Zündstoff angehäuft, welcher den endlichen Ausbruch der damaligen Bauernunruhen [32] erklärt, die lange durch die Umsicht des Landeshauptmannes Paris Dominik Grafen von Wolkenstein niedergehalten wurden. Die Werbesoldaten hatten um diese Zeit, wie auch schon früher, fortwährend die Bauernjungen mit Gewalt in die Soldatenjacke gepreßt, wodurch sie Zusammenrottungen und Raufereien hervorriefen, welche, obwohl stets unterdrückt, doch immer von Neuem die öffentliche Ruhe störten. So fanden wieder Anfangs Mai 1762 in einem Gasthause der Gemeinde Obermais, beim sogenannten Bruggerwirth, zwischen einigen Bauernburschen und einer Abtheilung des in Meran stationirten Werbecommandos Schlägereien statt, bei welchen die Soldaten den Kürzeren zogen. Dafür aber sprachen diese nachher die Drohung aus, daß man alle in die Schlägerei verwickelten Burschen mit Gewalt aufheben und in die Soldatenjacke stecken werde. Dies war das eine Moment. Dazu gesellte sich als zweites nicht minder beunruhigendes die in der Nacht auf den 13. Mai im Auftrage der o. ö. Repräsentanz und Hofkammer, wie damals die oberste Landesstelle hieß, erfolgte Verhaftung dreier Mitglieder der Gemeinde Mais. Diese Männer: Gottlieb Andre von Hafner in Untermais und zwei Brüder Raffl, von denen der eine, Peter, Müller am Greifen in Obermais war, hatten sich bereits bei der Münzabwechslungsgeschichte im Jahre 1761 sehr tumultuarisch benommen. Mit dieser Münzabwechslung aber hatte es folgende Bewandtniß. Tirol war im achtzehnten Jahrhunderte durch seine eigenthümlichen industriellen und gewerblichen Verhältnisse mit einer unglaublichen Menge kleiner Münzen aus allen angrenzenden Nachbarländern überschwemmt. So berechnete man blos die Summe der in Tirol gleichzeitig circulirenden ausländischen Zwölfer und Sechser im Durchschnitte auf 23 Millionen Stücke. Nun, wären dieselben gutmetallig, d. h. vollwerthig gewesen, dann würde ihre Menge dem Lande nicht geschadet haben, so war aber der größte Theil dieser Scheidemünzen, namentlich die kurbayrischen, gehalt- und werthlos. Das aber war keine geringe Calamität für das Land, welches für seine Bedürfnisse, die es aus der Fremde bezog, und die sich nach mehreren Millionen berechneten, seine gute Münze bezahlte, während ihm von außen, von den zahllos durchreisenden Fuhrleuten, Hausirern, Händlern, Arbeitern u. s. w. schlechte Münze zugeschleppt wurde. Diesem für die volkswirthschaftlichen Verhältnisse des Landes sehr gefährlichen Zustande mußte ein Ende gemacht werden. Und so befahl die Kaiserin Maria Theresia, daß alle umlaufende schlechte Scheidemünze, vorzugsweise die bayrischen Zwölfer und Sechser, abgewürdigt, dann eine neue Münzordnung und ein auf reellen Werth gegründetes sogenanntes Patentgeld eingeführt, den Unterthanen aber, durch deren Schuld das schlechte Geld nicht ins Land gekommen sei, gestattet werde, die verrufenen Münzen innerhalb einer gewissen Frist bei öffentlichen Cassen gegen Patentgeld auszuwechseln. Sobald jedoch diese Frist verstrichen wäre, sollte das schlechte Geld sämmtlich außer Curs gesetzt und die Einnahme und Ausgabe desselben ein- für allemal verboten werden. So schön und wohlmeinend dieser Gedanke an und für sich und so groß der Verlust war, den blos die Auswechslung in Tirol dem Aerar verursachte – er bezifferte sich nach späterer Berechnung auf etwa 70.000 fl. – so hatte diese Maßregel für Tirol ihre bitteren Folgen. So lange [33] das Ausland dieser neuen Einrichtung nicht beitrat, war nicht nur der Transito-, sondern auch jeder andere Handel mit den Nachbarländern wie mit einem Schlage vernichtet. Dann waren auch sofort die Juden bei der Hand, die das Patentgeld als werthvolle Münze auffischten und dafür Tirol neuerdings mit einer Fluth schlechten Geldes überschwemmten. Dies erzeugte im ganzen Lande Verstimmung und Entmuthigung, und im Burggrafenamte, wo von jeher ein etwas freisinnigeres und derberes Volk zu Hause war, geschahen Schritte, die außer den Befugnissen der Unterthanen liegen. Der Uebel größtes aber war die Art und Weise, wie die neue Münzordnung eingeführt und jede etwas schwierige Gemeinde gestraft wurde, wodurch, wie der Darsteller dieser Ereignisse wörtlich sagt: „der Geduldfaden der Leute auf eine solche Höhe gespannt worden, daß er irgendwo nothwendig reißen und die späteren Excesse herbeiführen mußte“. Ein trauriges Andenken schuf sich in Sachen der Münzordnung der Botzener Kreishauptmann Franz Andre von Franzin, der als Commissär in dieser Angelegenheit im Frühjahre 1762 im Etschlande herumzog und im übertriebenen Eifer seiner Amtspflicht in die Laden der Gewerbsleute drang und deren Schränke und Sparbüchsen durchstöberte, um verbotene Münzen zu entdecken. Der Entdeckung folgten die strengsten Strafen. Es ist haarsträubend, wenn man die Fälle liest, über welche der Geschichtsschreiber dieser Calamität ausführlich berichtet. Es war der absolute Staat in seiner Omnipotenz durch einen hirnlosen Beamten repräsentirt, der dadurch alle Behörden, die landesfürstlichen sowie die landschaftlichen, um ihre Achtung brachte und ihnen dafür Haß und Verachtung einwechselte. So hatten denn die obenerwähnte Werbeangelegenheit und die Münzgeschichte eine Stimmung im Lande erzeugt, welche von einigen verwegenen Burschen zu ihren Zwecken ausgenützt wurde und zuletzt in eine allgemeine Bewegung ausartete, die von Stunde zu Stunde einen bedrohlicheren Charakter annahm. An der Spitze dieser Unruhestörer standen Johann Verdorfer, Hasler Bauer, zubenannt Leiter Hans, Joseph Tschaup, auch Holer oder Maier im Waal geheißen, Johann Tschaup, mit dem Zunamen Katerl Hans, Ferdinand Anton von Hafner aus Meran, Martin Bernmeister und Joachim Mair, Bauernknechte von Mais, und Adalbert Hahn, ein abgedankter Soldat und Leinwanddrucker, der bei allen Zügen der Unruhestifter und Zerstörer die Trommel schlug. Als sich die Kunde von der Drohung der Werbesoldaten wie ein Lauffeuer von Hof zu Hof im Lande verbreitete, und überdies die Verhaftung der drei Excedenten anläßlich der Münzauswechslung ruchbar wurde, rotteten sich unter Anführung der Genannten die Bauern allerorten zusammen und zogen nun überall hin, wo sich ihnen Gelegenheit zu Ausschreitungen darbot, vornehmlich aber war ihre Wuth gegen Meran gerichtet, weil mehrere Bürger dieses Ortes bei der Verhaftung der Maiser mitgewirkt hatten. Tschaup an der Spitze, drohten die Haufen, Meran zu plündern und niederzubrennen. In der That wurden auch die Wohnungen Einzelner erbrochen, die Thüren eingeschlagen und Laden geplündert. Von Einzelnen wurde mit Gewalt Geld erpreßt. Der Haufe schwoll immer mächtiger an, und es schienen sich die Tage des fürchterlichen „Bundschuh“ zu wiederholen. In der Wohnung des Grafen [34] von Hendl, der beim Geldabwechslungsgeschäfte im Oberinnthal und Vintschgau Commissär gewesen, brach der Haufe ein, zertrümmerte Thüren und Thore, richtete überall grauenvolle Verwüstung an, soff den Weinvorrath im Keller theils aus, theils ließ er ihn auslaufen und raubte, was zu rauben war. Nun ging es nach Lana, wo der tolle Haufe den geängstigten Bewohnern Wein und Gewehre abtrotzte. Wie von einer Epidemie wurden von diesem Gebaren andere Gemeinden angesteckt, und in Taufen, Algund und in Schoina rotteten sich die Burschen zusammen. Die Gefahr begann immer drohender zu werden, da nicht mehr nur junge Burschen, sondern auch Männer an der Bewegung Theil nahmen und derselben schon die Gemeinden Morling, Tscherms und Lana sich anschlossen. Als die Rotte Miene machte, nach Botzen zu gehen und an dem Kreishauptmann von Franzin, der als der Urheber der Unzufriedenheit im ganzen Lande galt, Rache zu nehmen, da erst begann man die Tragweite der Erhebung zu überdenken und Anstalten zur Niederwerfung derselben durch Militär zu treffen. Für Botzen blieb es bei der bloßen Drohung, denn man brachte in Erfahrung, daß der Kreishauptmann im Urlaube das Land verlassen habe und aus der Ferne die Dinge ansehe, welche sein Amtseifer eingeleitet. Am 16. Mai traten Leopold Graf von Künigl, Herr von Schulern und der Secretär von Weinhart mit dem Landeshauptmanne Paris Dominicus Grafen Wolkenstein-Trostburg im Landhause zu Innsbruck zusammen, um über die Maßregeln zu berathen, die der gefahrvollen Lage gegenüber zu ergreifen seien. Die unten angegebene Quelle berichtet bis in alle Einzelheiten die Bemühungen des Landeshauptmannes, der Bewegung Herr zu werden. Und in der That waren Aller Augen auf ihn gerichtet, denn er galt viel beim Volke. Von unserem Berichterstatter wird er als ein talentvoller, klarsehender, in Schrift und Vortrag gleich gewandter, bei Hoch und Niedrig beliebter Mann von durchsichtiger, offener, wohlmeinender Handlungsweise geschildert. Dabei war er doch wieder imponirend mit väterlichem Ansehen, entwickelte eine unermüdliche Thätigkeit und stand in einem Alter – er zählte 65 Jahre – wo leidenschaftliche Hitze nicht mehr so leicht zu Mißgriffen verleitet. Und in der That, mit beispielloser Geduld, mit einer Zähigkeit ohne Gleichen bot er Alles auf, um die erregten Schaaren zu beschwichtigen und allmälig zu entwaffnen. Besonders machte ihm ein schwer zu umgehender Punkt zu schaffen. Die Gemeinden in ihrer urwüchsigen loyalen Treue, mit welcher sie zum Hause Habsburg hielten, wollten immer wieder Deputationen an die Kaiserin schicken und durch dieselben Abhilfe von den Uebelständen erbitten. Nun wollte jede Gemeinde ihre Deputation absenden, das aber ging nicht an, erstens durfte eine solche nicht ohne vorangegangene Erlaubniß dem Throne nahen, und welche Bewegung würde am kaiserlichen Hoflager entstanden sein, wenn eine Deputation um die andere auf eigene Faust in der Residenz erschienen wäre. Und trotz aller Popularität, trotz aller Vorstellungen des Landeshauptmannes gelang es demselben doch nicht in allen Fällen, die Leute von ihrem Vorhaben, Deputationen nach Wien zu senden, abzubringen. Aber die Ruhe allgemach herzustellen, die Leute zur Rückkehr zu ihrer Arbeit zu überreden, das brachten seine unablässigen Bemühungen zuwege. Indessen wurden [35] auch in Wien Anstalten getroffen, die Uebelstände zu beseitigen, welche die Unzufriedenheit der Bewohner veranlaßt hatten. Die Deputationen freilich, welche auf eigene Faust in Wien erschienen, machte man eine nach der anderen dingfest und entließ sie dann unter der Androhung: wenn sie nicht schleunigst sich heimbegäben, sie als treuvergessene Aufwiegler nach der äußersten Schärfe der Gesetze zu behandeln. Dagegen wurde eine Deputation, deren Mitglieder der Landeshauptmann zusammengestellt und für welche er die Erlaubniß der Kaiserin erwirkt hatte, vor ihr zu erscheinen, in Gnaden empfangen und ihr gestattet, die Klagen und Bitten des Landes vorzubringen. Diese bezogen sich im Wesentlichen auf das Münzwesen, auf die drückende Vermehrung der Zölle und Weggelder, auf die Neckereien von Seite der Wald- und Forstmeister, auf die den Handel und Wohlstand des Landes vernichtenden Monopole, auf die immerwährende Erhöhung der Steuern bei überhandnehmender Armut und unerhörten Elementarschäden, auf die Einfuhr wälscher Weine und auf eine Menge anderer größtentheils localer Beschwerden. Am 3. September wurde die Deputation von Maria Theresia empfangen. Am 12. November behändigte die Kaiserin derselben die allergnädigste Resolution, die in vierzehn Punkten die Verfügungen enthielt, welche den Uebelständen abhelfen sollten, und beschenkte jeden der Deputirten mit einer goldenen Kette. Der Geschichtsschreiber bemerkt zu diesen Verfügungen: alle athmen Billigkeit und Gerechtigkeit und reduciren sich auf den Grundsatz: „Wer Schaden erlitten zu haben actenmäßig nachweisen kann, soll Ersatz und Abhilfe finden“. Dabei breitete die milde Kaiserin huldvolle Vergessenheit über das thörichte und sträfliche Beginnen und erließ im Juni 1763 eine allgemeine Amnestie, von welcher nur acht Haupträdelsführer ausgeschlossen blieben. Mehrere hatten sich bereits durch die Flucht gerettet, für Einige erfolgte auf Verwendung des Landeshauptmannes die Begnadigung. An den Uebrigen fand am 22. December 1764 zu Innsbruck die Vollstreckung des gegen sie gefällten Urtheiles statt. Die Hauptanführer bei allen Gewaltthätigkeiten: Joseph Tschaup und Adalbert Hahn, der die Trommel geschlagen, wurden durch das Schwert hingerichtet und Tschaup’s entseelter Körper noch darüber hin geviertheilt. Martin Bernmeister, Bauernknecht aus Mais, erhielt noch unter der Hand des Henkers Pardon und ward des Landes verwiesen. So endete die Bauernrevolution in Tirol, welche, in der Geschichte unter dem Namen „der Auflauf im Burggrafenamte 1762“ bekannt, mit der Parole: „Nieder mit den Stiefelherren“ eine Wendung zu nehmen drohte, die an die Erhebung des „Bundschuhs“ des sechzehnten Jahrhunderts erinnert.

Zeitschrift des Ferdinandeums für Tirol und Vorarlberg. Herausgegeben von dem Verwaltungs-Ausschusse desselben (Innsbruck, Wagner’sche Druckerei, 8°.) Bd. VIII, S. 1 bis 53: „Der Auflauf im Burggrafenamte 1762“. Von Albert Jäger.