Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Tonsoris, Johann
Band: 46 (1882), ab Seite: 126. (Quelle)
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Tonner, August, Emanuel und Franz, Brüder. August (Journalist, geb. zu Zdikov im Prachimer Kreise Böhmens am 27. August 1823). Der Sohn eines herrschaftlichen Beamten, besuchte er die Schulen zu Pisek, Prag und Wien. An letzterem Orte beendete er die Rechte und wirkte dann als Erzieher, zugleich mit landwirthschaftlichen Studien sich beschäftigend. Im Jahre 1867 übernahm er die Redaction des politischen Blattes „Národni pokrok“, d. i. Der nationale Fortschritt, dessen erste Nummer am 19. December g. J. erschien, und wurde Mitarbeiter an der Prager illustrirten Wochenschrift „Světozor“. In seiner Eigenschaft als Redacteur gerieth er wegen wiederholter Preßvergehen mit den richterlichen Behörden in Conflict. Besonders bemerkenswerth war seine Vertheidigung, als er am 18. October 1868 aus Anlaß eines Artikels im „Světozor“, vor einem Dreirichter-Collegium sich zu verantworten hatte. Unter mehreren von dem Untersuchungsrichter beanständeten Stellen befanden sich auch folgende: daß in Böhmen und Mähren Rumpflandtage (sněmové kusé) tagen, um welche das Volk sich nicht viel kümmere, weil es wisse, daß sie nach der Pfeife der Regierung tanzen (že tanči podle pisfaly vládni); ferner, daß durch [128] die unabsehbaren politischen Processe, welche mit löblichem Eifer geführt werden, Tausende nationaler Märtyrer hervorgebracht würden. In der Vertheidigung dieser Stellen, in welchen die Staatsanwaltschaft den Thatbestand des Vergehens der Aufwiegelung fand, bemerkt Tonner, der sich als Verfasser des beanständeten Artikels bekannte, daß man den Ausdruck sněmové kusé nicht mit „Rumpfparlament“ ober „Rumpflandtag“ übersetzen dürfe; es sollte damit nicht gesagt werden, daß es dem Landtage an einem Kopfe fehle, sondern nur, daß der Landtag nicht vollständig war, was vollkommen begründet sei, da 82 Abgeordnete an den Sitzungen nicht Theil genommen. In den Worten, daß der Landtag nach der Pfeife der Regierung tanze, könne er auch nichts Ehrenrühriges erblicken. „Tanzen sei etwas Erlaubtes, nach einer Pfeife tanzen sei auch nichts Verbotenes, und das Tanzen nach der Pfeife der Regierung könne der Staatsanwalt doch nicht beanständen. Wenn also derselbe daran etwas Anstößiges finde, daß man nach der Pfeife der Regierung tanze, so beleidige er die Regierung“. Nun ersuchte wohl der Präsident, keine Ausfälle auf den Staatsanwalt zu machen, aber dieser war doch mitten in der Gerichtsverhandlung lächerlich gemacht worden. „Endlich was den Ausdruck Märtyrer (mučedlníci) betreffe, so sei derselbe gebraucht worden, weil man doch einen Unterschied machen müsse zwischen politischen und gemeinen Verbrechern. Selbst Graf Belcredi habe sich dieses Ausdruckes bedient, indem er sagte: „Ich will keine politischen Märtyrer machen“. Man müßte also auch den Grafen Belcredi anklagen“. Der Angeklagte hatte es verstanden, den Wortlaut der beanständeten Stellen ganz aus ihrem Zusammenhange zu reißen, und dadurch über das, was er gesagt und was mit Grund beanständet worden, als über etwas Selbstverständliches, Unverfängliches hinwegzugehen. Thatsächlich erfolgte auch in diesem Falle die Freisprechung, und zwar mit der Begründung: daß, wenn man Staatseinrichtungen lächerlich mache, man damit noch immer nicht zur Verachtung und zum Hasse gegen die Regierungsorgane reize! In anderen Fällen konnte sich Tonner mit seinem Humor nicht schuldlos sprechen machen und wurde wiederholt zu Gefängnißstrafen verurtheilt. –{{Anker|Tonner, Emanuel} Der zweite Bruder Emanuel (geb. zu Zdikov am 25. December 1829) besuchte anfänglich das Gymnasium in der Prager Altstadt, setzte aber seine Studien zu Tarnow in Galizien fort, wo sein Onkel mütterlicherseits ein Erziehungsinstitut leitete. Nach Prag zurückgekehrt, beendete er daselbst 1845 das Gymnasium und die philosophischen Studien. 1849 trat er als Hauptmitarbeiter bei der „Lipa Slovanská“ ein. Wegen seiner Theilnahme an dem Vereine der „Čechisch-mährischen Bruderschaft“ wurde er wohl von dem Kriegsgericht auf dem Hradschin zur Verantwortung gezogen, aber unbeanständet entlassen. Im Jahre 1851 gaben die Südslaven in Prag zum Besten des čechischen Nationaltheaters seine metrische nach den Originalen durchgeführte Uebersetzung der serbischen Volkslieder heraus. 1854 erhielt er eine Supplentenstelle zuerst am Gymnasium in Przemyśl, dann an jenem zu Rzeszow in Galizien, von wo er 1856 einem Rufe als Professor an der neu errichteten Handelsakademie in Prag folgte. Nun wendete er sich der Publicistik zu und wurde 1860 Mitarbeiter der Zeitung „Čas“, d. i. Die Zeit, von welcher er [129] nach Jahresfrist zur Redaction der „Národne listy“, d. i. National-Zeitung, übertrat. Aus dieser erschien in Separatabdruck die Flugschrift: „Polaci a Češi“, von der auch eine polnische Uebersetzung (Krakau 1863, Friedlein, 8°.) herauskam, deren Reinertrag zum Andenken der tausendjährigen Jubelfeier der Einführung des Christenthums und des fortwährenden Bestehens Polens für einen in der h. Cyrill- und Methodiuskirche zu Prag von den. Polen zu erbauenden St. Adalbertaltar bestimmt war. Im Jahre 1861 von dem Strakonitzer, dann 1867 von dem Horozdovicer Wahlbezirke in den böhmischen Landtag gesendet, hielt er stets entschieden zur nationalen Partei. Wegen seiner ausgesprochenen oppositionellen Haltung wurde er von dem Schulrathe 1863 seines Lehramtes enthoben, aber noch im nämlichen Jahre an der eben neuentstandenen Mädchenschule als Lehrer angestellt. Von Emanuel Tonner’s übrigen literarischen Arbeiten ist zu erwähnen: „Ondřeje z Habernfeldu vypravování o vojně české od roku 1617. Z latiny přeložil E. Tonner“, d. i. Des Andreas von Habernfeld böhmischer Krieg vom Jahre 1617. Aus dem Lateinischen übersetzt von E. Tonner (Prag 1866, Gregr, XXXVI und 140 S., 8°.); im nämlichen Jahre 1867 trat er die Redaction des „Světozor. Illustrovaný beletristicko-politický časopis“, d. i. Světozor, illustrirte belletristisch-politische Zeitschrift, an, wovon am 13. Juli 1867 die erste Nummer im Verlag des Dr. Skrejšovsky in Prag herauskam; – dann veröffentlichte er noch die Flugschrift: „Slovo upřimné Polákům a Rusům“, d. i. Ein offenes Wort an Polen und Russen (Prag 1870, Gregr, gr. 8°., 26 S.), mit welcher seine Versuche, eine Annäherung zwischen den Polen und Russen, blos weil letztere Slaven, herbeizuführen, auf das kläglichste scheiterten. Ein polnisches Blatt fertigte diesen Versöhnungsversuch rund weg mit den Worten ab: „Noch sind die Polen nicht so tief gefallen, um sich den Mördern ihrer Freiheit, den Räubern ihres Wohlstandes in die Arme zu werfen“. Und den gleichen Ton schlugen alle polnischen Blätter an. Um seiner Flugschrift Nachdruck zu geben, reiste Tonner 1868 selbst nach Galizien, das ihm ja noch aus seinen früheren Jahren her bekannt war. Auch ein von den Bürgen Lembergs ihm zu Ehren veranstaltetes Festessen ließ den politischen Zweck der Reise nicht verkennen; dieselbe blieb aber ohne Folgen, indem man dem Festmahle einen Erklärungsgrund darin gab, daß man Tonner für seine den Polen im Jahre 1863 bezeigten Sympathien danken wolle. Für seine im „Světozor“ begangenen Preßvergehen mußte er mit mehrmonatlicher Haft büßen, welche er gemeinschaftlich mit seinem Bruder August im Neustädter Rathhause absaß. Im dritten Jahrgange der „Matice lidu“ erschien unter Nr. 3 von ihm: „Rozprava na obranu jazyka slovanského zvláště pak českého. Z původního spisu latinského věrné přeložil a poznámkami jakož i životopisy Balbína a Tom. Pěšiny opatřil E. T.“, d. i. Apologie der slovenischen, besonders der böhmischen Sprache. Aus dem lateinischen Originale treu übersetzt und mit Anmerkungen, sowie mit Biographien des Balbin und Th. Pesina versehen von E. Tonner (Prag 1869, 151 S., 8°.). Während seiner oberwähnten Haft übersetzte er das wegen seiner Parteilichkeit nur mit Vorsicht zu benützende berühmte Werk des [130] Paul Stránský „De Republica Bojema“. Am 13. October 1873 wurde Tonner in das Abgeordnetenhaus des österreichischen Reichsrathes gewählt, in welchem er sich als eines der eifrigsten Mitglieder der čechischen Declarantenpartei hervorthat. In der nächsten Session ging er nicht wieder aus der Wahlurne hervor. – Der dritte Bruder Franz (geb. zu Zdikov am 20. September 1837) betrat, nachdem er zu Pisek das Gymnasium besucht und zu Prag die philosophischen Studien gehört hatte, die minder schlüpfrige Bahn der Wissenschaft, widmete sich mehrere Jahre hindurch der Chemie und arbeitete im chemischen Laboratorium des Professors Rochleder [Bd. XXVI, S. 216] in Wien. Nach bestandener Prüfung wurde er 1860 zum Professor der Chemie an der neu errichteten Oberrealschule zu Pisek ernannt, an welcher er zur Stunde die Stelle des Directors bekleidet. In seinem Fache schriftstellerisch thätig, gab er heraus: „Chemie organická. S. 6 vyobrazenimi“, d. i. Organische Chemie. Mit 6 Abbildungen (Prag 1863, Kober, 8°.); – „Chemie a technologie.. S. 28 vyobrazenimi“, d. i. Chemie und Technologie. Mit 28 Abbildungen (Prag 1869), erschien auch als 6. Bändchen des Sammelwerkes: „Škola dívčí“, d. i. Mädchenschule.

Neue Freie Presse (Wiener polit. Blatt) 1868, Nr. 1427: „ Correspondenz aus Lemberg 18. August“; 1871, Nr. 2310: „Correspondenz aus Lemberg 27. Jänner“. – Šembera (Alois Vojtěch). Dějiny řeči a literatury českoslovanské. Vek novější, d. i. Geschichte der čechoslavischen Sprache und Literatur. Neuere Zeit (Wien 1869, gr. 8°.) S. 300.
Porträt des Emanuel Tonner in einer Bildnißgruppe der „Humoristické listy1874, Nr. 27, Nr. 7.