BLKÖ:Thun-Hohenstein, Joseph Maria Graf

Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Band: 45 (1882), ab Seite: 50. (Quelle)
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Thun-Hohenstein, Joseph Maria Graf (Bischof von Gurk und Passau, geb. 24. Mai 1713, gest. zu Mattighofen am 15. Juni 1763). Der in Rede Stehende gehört der Stammlinie der Thun von Castel-Brughier an. Doch läßt es sich aus den genealogischen Behelfen nicht feststellen, wer seine Eltern sind, aller Wahrscheinlichkeit nach – mit Rücksicht auf seine Lebensperiode – Graf Joseph Johann Anton von Castell-Brughier und Margarethe Veronica von Thun von der Linie Castell-Thun. 1729, mit 16 Jahren, erhielt Joseph Maria eine Domherrnstelle zu Salzburg, zwei Jahre später eine solche auch zu Passau. Als Auditor Rotae und Minister des Königs von Ungarn reiste er nach Rom, wo er am 18. Februar 1742 vom Papste zum Bischof von Gurk geweiht wurde. Sechs Tage darauf, am 24. Februar, überreichte er dem Cardinal-Staatssecretär ein Memorial über ein Breve, durch welches der Papst dem Kaiser Karl VII. zu dessen Erhöhung auf den kaiserlichen Thron und dadurch erlangter Kaiserwürde hatte Glück wünschen lassen. Bischof Thun protestirte im Namen seiner Kaiserin, welche Karl VII. als Kaiser nicht anerkennen wollte, gegen das Verfahren des Papstes, indem er unter Anderem schrieb: „wie die Königinn nimmermehr geglaubet hatte, daß der heilige Vater mit solcher Uebereilung in einer so wichtigen Sache zufahren würde, nachdem er zumahl das von Ihro Majestät an ihn abgelassene Schreiben erhalten, in Erwägung der gegen die Churfürsten gebrauchten Violenz und der Ausschließung eines katholischen Churfürsten; Ihre Majestät hätten gehoffet, es würde der heilige Vater seiner Resolution hierüber einigen Aufschub geben, und nach dem Exempel, wie es die vorigen Päpste in dergleichen nicht einmal so dringenden und zweifelhafften Umständen [51] selbst gegen die österreichischen Kaiser gehalten, dem Cardinals-Collegio Zeit lassen, die Sache zu untersuchen, welches Ihre Eminentzen auch ohne Zweifel gebilligt haben würden“. Nach Anderen hätte Joseph Maria diesen Protest nicht erst als Bischof, sondern noch in seiner Eigenschaft als Minister des Königs von Ungarn überreicht und wäre dann „zur Belohnung für diesen Eifer“ von Papst Benedict zum Bischof von Gurk bestellt worden. [Ersch und Gruber, II. Sect., 23. Theil, S. 151]. Diese Behauptung ist jedenfalls unzutreffend, denn die Erzbischöfe von Salzburg ernannten den Bischof von Gurk, Papst und Kaiser bestätigten die Wahl, und Ersterer weihte dann den Bischof. Nachdem Joseph Maria in sein Bisthum sich begeben hatte, gründete er zu Straßburg in Kärnthen, der Residenz der Gurker Bischöfe, das Priesterhaus und betraute mit dessen erster Leitung den berühmten Canonisten Gregor Zallwein. Bald stiftete er mehrere Beneficien, verbesserte die Studien und machte sich auch als wahrer Seelenhirt um seine Diöcese verdient. Zwanzig Jahre waltete er seines Amtes, da wurde er am 19. November 1761 vom Capitel zu Passau einhellig zum Bischof gewählt. Nach seiner Bestätigung durch Papst Clemens XIII. hielt er am 23. Mai 1762 daselbst seinen feierlichen Einzug, und am 16. März 1763 empfing er auch den kaiserlichen Belehnungsbrief. Aber nicht lange, anderthalb Jahre, war es ihm vergönnt, auf seinem neuen Posten zu wirken, doch standhaft bemüht, den Eingriffen Bayerns in seine geistliche Gerichtsbarkeit Schranken zu setzen, richtete er sein Augenmerk auf Verbesserung der Schulen, Belebung der Viehzucht, des Handels und Fabrikwesens, Beförderung des Flachsbaues, sowie auf Beschäftigung der Bettler und Müßiggänger in Arbeitshäusern. Im steten Verkehr mit den tüchtigsten Männern seiner Umgebung, berieth er mit ihnen unablässig die Bedürfnisse des Landes, dabei in seinem Eifer als Seelenhirt nie erkaltend. Er verlieh der Stadt Passau die Befugniß eines zweiten Jahrmarkts. Zur Unterstützung der Hausarmen gründete er die sogenannte „christliche Liebesversammlung“, und um ärmeren Classen den Ankauf des Brennholzes um billige Preise zu ermöglichen, ließ er große Holzmagazine anlegen. Um dem Straßenbettel wirksamer entgegenzutreten, errichtete er im Niederhause eine Strafanstalt für arbeitsscheue Bettler beiderlei Geschlechts und drang darauf, daß in der Stadt und auf dem Lande an den abgeschafften Feiertagen gearbeitet werde. Im Jahre 1762 gründete er zu Passau ein Clericalseminar, das jedoch erst sein Nachfolger Leopold Graf Firmian vollendete, daher es den gemeinschaftlichen Namen Josepho-Leopoldinum führt. Von den Landdekanen verlangte er Seelenbeschreibungen mit Bemerkung des Familienstandes, worüber die bayrische Regierung zu Burghausen nach München berichtete; dorthin aber hatte er selbst schon die Anzeige erstattet, daß seine Forderung sich nur auf Geistliches und geistliche Zustände beschränke, wodurch die Burghausener Beschwerde gegenstandslos wurde. Auch war der Bischof ein Freund und Sammler von Alterthümern, und seine werthvolle Sammlung römischer Antiquitäten kam 1803 bei der Säcularisation nach München, wo sie im Antiquarium des königlichen Residenzschlosses aufgestellt ist. Mitten in Erfüllung seines geistlichen Berufes, auf einer strengen Generalvisitation seiner bayrischen Diöcese, befand er sich in dem damals zu dieser [52] gehörigen Mattighofen im heutigen Oberösterreich, als er plötzlich erkrankte und, erst 50 Jahre alt, starb.

Buchinger (Joh. Nep.). Geschichte des Fürstenthums Passau. Aus archivalischen Quellen bearbeitet (Landshut 1817 [München 1824, Leutner], gr. 8°.) S. 448–453. – Godeau (Anton). Allgemeine Kirchengeschichte. Aus dem Französischen ins Italienische übersetzt von A. Speroni und aus dem Italienischen ins Deutsche übersetzt von B. Hypen und J. L. Groote (Augsburg 1768 u. f., Rieger, gr. 8°.) Bd. XVIII, S. 239. – Lenz (J.). Historisch-topographische Beschreibung der Kreishauptstadt Passau und ihrer Umgebungen (Passau 1819, Pustel, 8°.) Bd. I, S. 271 u. f. – Ersch und Gruber’s Encyklopädie, II. Abtheilung. 22. Theil, S. 151.