BLKÖ:Thürheim, Joseph Wenzel Franz Graf

Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Band: 44 (1882), ab Seite: 301. (Quelle)
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Thürheim, Joseph Wenzel Franz Graf (k. k. Kämmerer, geb. zu Linz am 13. September 1749, gest. zu Wien am 21. August 1808), ein Sohn Joseph Gundakars Grafen Thürheim aus dessen Ehe mit Maria Dominica Freiin Hager zu Allentsteig. Während seines Aufenthaltes im k. k. Theresianum zu Wien zugleich Edelknabe am Hofe der Kaiserin Maria Theresia, trat er 1771 als Lieutenant in das k. k. Kürassier-Regiment Voghera (1801 als Czartoryski reducirt), in welchem er 1772 bereits zum Rittmeister vorrückte. Ein schleichendes Fieber, das er in der südungarischen Station sich zugezogen hatte, veranlaßte ihn 1777, den Militärdienst zu quittiren. 1781 wurde er k. k. Kämmerer. In Folge seiner Vermälung nahm er auf der im damaligen Fürstenthume Lüttich gelegenen Besitzung Ermeville seiner Gemalin einen mehrjährigen Aufenthalt, zur Winterszeit abwechselnd zu Orbeck, Tirlemont und Huy lebend. Auch wurde er im Fürstenthume naturalisirt und zum Deputirten des Lütticher Adelstandes gewählt. Durch die Revolution vertrieben, zog er sich in seine eigentliche Heimat Oesterreich zurück, wo er entweder zu Schwertberg oder auf der von ihm angekauften Herrschaft Chotowin in Böhmen oder auch zu Wien weilte. Durch Vergleich mit seinem Vater Joseph Gundakar gelangte er in den Besitz der Herrschaften Schwertberg, Windegg, Pragstein, Puchenau und Hartheim. Die beiden letzteren aber verkaufte er 1799 und 1803 dem Fürsten Georg Adam Starhemberg, sowie einige Jahre später Chotowin einem [302] Herrn von Nadherny. 1806 übernahm er von seinem Vetter Christoph Wilhelm dem Jüngeren die Herrschaft Weinberg cum appertinentiis, gegen Auszahlung des dafür bestimmten fideicommissarischen Einstandes von 200.000 fl. an die drei Töchter des früheren Besitzers. Nach kurzer Krankheit in Folge einer anfänglich vernachlässigten Zahngeschwulst starb er zu Wien im noch nicht vollendeten 59. Lebensjahre. Seine Leiche wurde nach Weinberg überführt und in der Familiengruft zu Käfermarkt beigesetzt, in welcher seine Gedenktafel nebst der seiner Gemalin in der Mauer angebracht sind. Ungemein streng moralisch und wahrhaft fromm, war er auch unbestechbar rechtlich und Cavalier im edleren Sinne des Wortes. Die anziehende äußere Erscheinung, welche den Grafen in seiner frühen Jugend auszeichnete, setzte ihn manchem verführerischen Entgegenkommen aus, so daß er bei einer neuen Verlockung um Zerstörung seiner Schönheit flehte und sogar für den Fall der Erhörung ein Gelübde that. Da mußte er als Edelknabe einmal einer Folter beiwohnen, welche auf ihn einen so qualvollen Eindruck machte, daß er unwohl nach Hause kehrte und schon nach wenig Stunden die Blattern in bösartiger Menge bei ihm zum Ausbruch kamen. Er genas wohl, aber die Anmuth seiner Physiognomie war für immer zerstört, da sein Gesicht von den Pocken entstellt blieb. Der Graf erfüllte nun sein Gelübde. Als einst eine bedeutende Herrschaft in Niederösterreich versteigert wurde, erstand er dieselbe um einen Spottpreis; dieser vortheilhafte Kauf hätte sein durch den Verlust von Ermeville geschwächtes Vermögen wieder vollkommen aufgebessert. Der Kauf war abgeschlossen, das Geld erlegt, da erscheint 24 Stunden später bei dem Grafen ein Mann, der sich vor ihm auf die Knie wirft, ihn beschwörend, den Kauf rückgängig zu machen, da seine ganze Existenz als Familenvater davon abhänge und er nur durch ein Ungefähr sich verspätet habe, und weist gleichzeitig seinen schriftlichen Auftrag von hoher Seite vor. Darauf hin erklärt Graf Thürheim seinen Kauf als nichtig und überläßt sein Kaufsrecht jenem Manne, einem kaiserlichen Beamten, dessen Existenz dadurch gerettet ist. Ein anderes Mal entließ der Graf einen seiner Diener mit einer Abfertigung, die auf 300 fl. lauten sollte. In der Eile schrieb er eine Null mehr, also 3000. Als der Betreffende zum Oberbeamten kommt, der ihm die Summe auszuzahlen hat, bemerkt dieser den Irrthum und eilt seinen Herrn davon zu verständigen. Der Graf war keineswegs angenehm von dieser Entdeckung überrascht, gab aber die Antwort: „Es ist allerdings ein Fehler und meine Schuld, was aber der Graf Thürheim mit seinem Namen unterschrieben hat, muß er auch halten! Zahlen Sie daher die 3000 fl. aus. Diese Charakterzüge sind sämmtlich Familienaufzeichnungen entnommen. Graf Joseph Wenzel vermälte sich am 8. September 1783 mit der 1781 verwitweten Gräfin Maria Luise Berlo-Hausemont geborenen Gräfin Berghe de Trips (geb. 1759). Dieselbe war von 1770 bis zu ihrer ersten im Jahre 1779 geschlossenen Ehe Stiftsdame des St. Gertrudenstiftes zu Nivelles, welches die strengsten Ahnenproben jener Zeit forderte. Ihren Gemal nur um vier Jahre, überlebend, starb sie am 16. September 1812 plötzlich vom Schlage gerührt, als sie sich eben zum Mittagstische setzen wollte, im Schlosse Schwertberg. Außer einem einzigen [303] Sohne Joseph Ferdinand Ignaz [S. 298] entstammen Joseph Wenzels Ehe nur Töchter: Isabella (geb. 1784, gest. zu Rodaun nächst Wien 6. October 1855), Palast- und Sternkreuzordens-Dame, sowie Johanniterordens-Ehrendame, vermält 1807 mit ihrem Vetter Peter Grafen von Goës, späterem wirklichen geheimen Rath, Kämmerer, Ritter des goldenen Vließes, Obersthofmarschall etc., der am 11. Juli 1846 zu Wien starb. Sie zeichnete sich durch Herzensgute und Frömmigkeit, sowie durch hohe wissenschaftliche, insbesondere historische Kenntnisse aus und war stets bemüht, interessante historische Denkmäler vor dem Untergange zu bewahren. So wurde auf ihre Anregung Kärnthens alter Herzogsstuhl am Zollfelde unweit Klagenfurt mit einem schützenden Eisengitter umgeben und das Gemälde aus dem Leben des Königs Boleslaus von Polen, der in der Kirche zu Ossiach in Kärnthen begraben liegt, wieder hergestellt. In ihrer Jugend leistete sie ihrem Vater Secretärsdienste. [Ueber sie vergleiche das Lexikon Bd. V, S. 243 und 245, Nr. 5]. – Constantine Dominica (geb. 1785, gest. zu Linz 7. October 1867), erst Stiftsdame des freiweltlich adeligen Damenstiftes Maria Schul zu Brünn, vermälte sich am 15. Jänner 1816 mit Andreas Fürsten Rasoumoffsky, dem kaiserlich russischen geheimen Rathe, Senator, Ritter des Sanct Andreasordens und vormaligen russischen Botschafter am kaiserlich österreichischen Hofe (gest. zu Wien 1836) [über diesen siehe das Lexikon Bd. XXV, S. 56 u. f]. Die irdischen Ueberreste Beider sind in der Thürheim’schen Familiengruft zu Schwertberg beigesetzt. – Luise [siehe S. 282, Nr. 30][WS 1]. – Josephine (geb. 1791, gest. im März 1847 zu Venedig, zwar erst Stiftsdame des savoyischen Damenstiftes zu Wien, später Hofdame bei Maria Elisabeth geborenen Prinzessin Savoyen-Carignan, Gemalin des Vicekönigs der Lombardie, Erzherzogs Rainer. 1832 vermälte sich Josephine mit dem k. k. Kämmerer Grafen Franz Contarini aus dem bekannten Venetianer Dogengeschlechte, der sie überlebend, 1869 starb.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: [siehe S. 282, Nr. 29].