Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Türk, R.
Band: 48 (1883), ab Seite: 83. (Quelle)
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Türk, Johann Baptist (Obercommandant des Kärnthner Landsturmes im Jahre 1809, geb. zu Innsbruck 17. August 1775, gest. zu Töltschach am 30. September 1841). Sein Vater Franz Xaver war Universitätsbuchbinder in Innsbruck. Der talentvolle Knabe widmete sich einige Zeit den Studien, allein wie die Dinge im Elternhause lagen, wurde seine Mithilfe im Buchbindergeschäfte des Vaters nöthig, und so erlernte er, um denselben im Broderwerbe zu unterstützen, dieses Handwerk. Als aber im Jahre 1796 die siegenden Franzosenheere auch Tirol bedrohten, hielt es ihn nicht länger beim Kleistertopf, und voller Begeisterung schloß er sich der Innsbrucker Scharfschützencompagnie an, in welcher er in dem so denkwürdigen Gefechte bei Spinges am 7. April 1797 durch Muth und Tapferkeit sich hervorthat. Ebenso ehrenhaft und tapfer erwies er sich 1799 im Kampfe bei Ramüß im Engadin. Nach dem Friedensschlusse von Luneville (9. Februar 1801) trat er als Buchhalter in die Dienste des Fürstbischofs von Gurk, des Cardinals Franz Xaver Altgrafen von Salm [Band XXVIII, S. 120]. Da brach das ereignißreiche Jahr 1809 über Oesterreich herein, und als in den Apriltagen das österreichische Kriegsmanifest erschien und Tirols Schilderhebung stattfand, eilte er aus der Schreibstube sofort wieder auf den Kampfplatz, viele Gleichgesinnte schlossen sich ihm an und schaarten sich unter seine Führerschaft. Ein paar gelungene, mit ebenso viel Kühnheit als Tapferkeit ausgeführte Handstreiche brachten bald seinen Namen in Aller Mund und richteten die Aufmerksamkeit jener Männer auf ihn, welche man mit den Maßregeln betraut hatte, das hart bedrängte Vaterland aus den Gefahren zu befreien, von denen es bedroht war. Vom Generalcommando in Linz wurde er aufgefordert, den Landsturm in Kärnthen zu organisiren, und darauf mit dem Obercommando über denselben betraut. Verstand, Muth und feste Entschlossenheit leiteten alle seine Unternehmungen. Aber der übermächtige Feind drang unaufgehalten vor, und um nicht unnöthig Menschenleben zu opfern, zerstreuten sich die Schützen. Da aber die Franzosen nach ihm, als dem Oberhaupte der ganzen Bewegung, fahndeten, mußte er sich ein Versteck suchen. Am „Falkenberg“ unweit Klagenfurt war er gut geborgen und vor Verrath sicher. Da wurde er am 17. August 1809 zu einer Unterredung mit dem k. k. Appellationspräsidenten Grafen von Enzenberg und dem k. k. Landrechtspräsidenten Baron von Ulm ersucht. Verkleidet folgte er dem Rufe und erhielt den Auftrag, Nachrichten in das k. k. Hauptquartier zu Dotis in Ungarn zu überbringen. Mit einem Reisepaß auf den Namen Müller, mit 500 fl. Reisevorschuß und von dem Klagenfurter Mehlhändler Metzner begleitet, [84] sollte er sich unter dem Vorwande, Lebensmittel anzukaufen, auf den Weg begeben. Das Schreiben des Präsidenten Enzenberg an den Kaiser wurde ihm in sein Kleid eingenäht. Ein Führer brachte ihn über Großsonntag aus dem Bereiche der französischen Vorpostenkette. Dann ging die Reise mit Vorspann über Warasdin nach Dotis. Daselbst übergab er sein Schreiben an den Kaiser, der ihn an den in Köszthely weilenden Erzherzog Johann wies, von welchem er die weiteren Aufträge erhalten würde. Der Erzherzog eröffnete ihm nun, daß es im Falle eines Krieges wünschenswerth sei, daß der Landsturm im Rücken des Feindes, und zwar in Krain, Steiermark, Kärnthen und Tirol sich bilde. In den beiden ersten Ländern seien schon Vorbereitungen getroffen, Beweis dessen übergab man ihm kleine Zettelchen, mit den Namen der Ortschaften und der Gleichgesinnten ausgefüllt, die er daselbst finden würde, und machte ihn zugleich mit der Signalisirung bekannt, durch die er sich zu erkennen zu geben habe. Uebrigens wies ihn der Erzherzog an den Präsidenten Ulm, unter dessen Leitung er das Obercommando des Landsturmes zu führen habe. Nach einem Plane Leiningen’s sollte man der Stadt Klagenfurt sich bemächtigen. Mit diesen Instructionen und drei in kleinstem Format zusammengelegten Briefen an den in Mailand gefangenen Grafen Peter Goës [Bd. V, S. 245, Nr. 6][WS 1], an den Grafen Enzenberg und den Gouverneur von Triest Rosetti trat Türk unter dem Namen Johann B. Seybold seine Rückreise von Köszthely an. In Marburg angelangt, erfuhr er aus dem Munde der Wirthin „zum Lamm“, Anna Zörer, daß er bereits verrathen sei. Mit Hilfe ihres Sohnes, den er, als Fuhrknecht verkleidet, nach Völkermarkt führte, entging er den auf ihn lauernden französischen Spionen. So kam er nach St. Georgen am Sandhof, wo ihn Baron Ulm erwartete. Für den Moment war er der Gefahr entronnen, aber noch standen ihm große Fährlichkeiten bevor. Sein Herr, Fürst Salm befand sich in äußerster Geldnoth, aber in Triest lag ein großer Eisenvorrath, der versilbert und dessen Erlös dem Fürstbischof überbracht werden sollte. Nebstdem hatte er noch die geheimen in Köszthely empfangenen Briefe an Mann zu bringen. Nach Triest kam er mit dem fürstbischöflichen Vicedom Dresdner unbeanständet, aber dort, wo bei länger als dreitägigem Verweilen ein assecurirter Aufenthaltsschein zu lösen war, wurde er in dem Moment, als er denselben lösen wollte, verhaftet und auf die Polizeiwachstube abgeführt. Zum Glück hatte er von dem in Köszthely empfangenen Namensverzeichniß jener Personen, mit denen er in Verbindung treten sollte, Gebrauch gemacht und die in demselben als Patrioten bezeichneten Herren: Polizeidirector Baron v. Longo, Landrath Orefici und Dr. Hofer, ein gebürtiger Klagenfurter, bereits aufgesucht. Um 11 Uhr Morgens war er arretirt worden, Nachmittags um halb 3 Uhr ging es unter Escorte von fünf Polizeimännern auf die Stadtintendanturkanzlei zum Verhöre. Glücklicherweise gelang es ihm in der Zwischenzeit, an einem unsagbaren Orte sich des Inhalts seiner Brieftasche, durch den noch viele Andere compromittirt werden konnten, zu entledigen. Bei dem Verhöre vor dem Platzobersten rettete ihn wieder ein Zufall. Einer der anwesenden Beamten bemerkte nämlich, daß Türk nicht der Gesuchte sei, den er genau zu kennen vorgab, worauf er noch dessen äußere [85] Erscheinung, welche in keinem Stücke mit jener Türk’s zusammentraf, beschrieb. Nach kurzer Debatte des Vorsitzenden mit den übrigen Beamten ward der Angehaltene entlassen und bedeutet, seinen Aufenthaltsschein abzuwarten. Als er die Stadtintendantur verließ, wurde er bereits von Baron Longo auf der Straße erwartet, der ihm durch Winke zu verstehen gab, daß er ihm folgen solle. Er that es, und in der Wohnung Longo’s erfuhr er von dem Plane, welcher zu seiner Befreiung ausgeführt werden sollte, falls man ihn zum Tode verurtheilt hätte. Nun er glücklich der Gefahr, wenigstens für den Augenblick, entronnen, wurden sofort Anstalten zu seiner auf den nächsten Tag Morgens 4 Uhr festgesetzten Abreise getroffen. Indessen hatte auch Vicedom Dresdner die 72.000 fl. für das fürstbischöfliche Eisen in Empfang genommen. Und nun erst rückte Türk die Gefahr ganz nahe, aber wie durch ein Wunder entging er derselben, denn mit dem Courier, welchen General Rusca, als die Abreise des Flüchtigen ruchbar geworden, zu dessen Verhaftung nachgesendet hatte, kreuzte sich Türk in Adelsberg, wo er des Umspannens wegen länger verweilen mußte. Daselbst aber fand er noch rechtzeitig in einem Commis der fürstbischöflichen Eisenhandlung Namens Roder einen Warner, der ihm den Auftrag des Fürstbischofs überbrachte, jetzt ja nicht nach Klagenfurt zu kommen, da ihm dort die größte Gefahr drohe. Er eilte nun, so rasch er konnte, nach Prewald. Als der dortige Postmeister Decleva in den Paß des flüchtigen Türk Einsicht genommen, blickte er denselben zuerst mit großen Augen an und gab ihm dann durch ein Zeichen zu verstehen, ihm zu folgen. Als sie allein waren, entdeckte er dem Passagier, in welcher Gefahr derselbe schwebe, und daß er vom Gouverneur Rosetti den Auftrag habe, ihn sogleich nach Fiume zu befördern. Nun wurde Türk als Postknecht ausstaffirt, und während er mit der Briefpost nach Fiume fuhr, reiste Dresdner mit dem Gelde nach Klagenfurt. Und noch einmal entging er wie durch ein Wunder der schlimmsten Gefahr. Er hatte Fiume glücklich erreicht, aber nach sechs Tagen drängte es ihn fort, um alle in Köszthely empfangenen Aufträge auszuführen. Ungefährdet kam er bis Lindenheim, in dessen Nähe Bischof Salm in einem Elisabethinerinenkloster sich befand. In dem Orte waren zwei französische Mineurofficiere mit Arbeiten bei einer Schleuse des Stadtgrabens beschäftigt. Der Zuruf eines Bekannten, von dem er unvorsichtiger Weise mit seinem wahren Namen angesprochen wurde, erweckte die Aufmerksamkeit des Einen der beiden Officiere. Indessen erreichte er glücklich das Elisabethinerinenkloster, wo Bischof Salm ihn huldvoll empfing und ihm einen Wanderstab von Haselnußholz überreichte, der ihm von einem Bauer übergeben worden war, mit der Bitte, ihn dem Türk, wenn er käme, einzuhändigen. Dieser, der das Zeichen verstand, brach den Stock entzwei und fand in der Höhlung eine Hofdepesche, die er an Baron Ulm überbringen sollte. Während dies im Kloster vor sich ging, blieb auch der französische Officier, der Verdacht geschöpft hatte, nicht müßig und ließ in allen Häusern nach Türk suchen. Ein wackerer Wirth, Namens Jessernigg, der des Letzteren Anwesenheit im Kloster ahnte, eilte sofort dahin und theilte der Oberin mit, in welcher Gefahr der Gast schwebe. Und nun kommt das Beste. Türk wurde in ein Seitengemach gebracht, wo er sich an Speise und Trank [86] erquickte, und nachdem dies geschehen, begab sich der allerorts Gesuchte, während die französischen Stabsofficiere im Speisesaale an der Tafel saßen, durch das Zimmer des Consistorialdirectors in den Garten, brach eine Stakete aus, um auf die Wiese zu gelangen, und ging, in einem Buche lesend, langsamen Schrittes fort und immer weiter fort und kam unangefochten nach Maria Saal, wo er bei einem Freunde Zuflucht fand. Dort hielt er sich zwei Tage versteckt, fuhr dann über den Großinghof und Feldkirchen mit einem bedeutenden in Getreidesäcken verborgenen Pulvertransport in das Möllthal und gelangte von da zu seinen Tirolern. Bezüglich der ausführlicheren höchst interessanten Kreuz- und Querfahrten, die Türk im Dienste seines von den Franzosen geknechteten Vaterlandes und zu dessen Befreiung mit wahrem Heldenmuthe unternahm, wobei er überall, in der höchsten Gefahr, wie durch ein Wunder immer wieder gerettet wurde, verweisen wir auf die unten angegebenen Quellen. Zur Belohnung für seine dem Vaterlande in schlimmer Zeit geleisteten Dienste erhielt er die große goldene Civilverdienstmedaille und einen einträglichen Tabakverlag. Im Alter von 66 Jahren entriß der Tod diesen Bravsten der Braven dem Vaterlande.

Carinthia (Klagenfurter Unterhaltungsblatt, 4°.) XXXI. Jahrg., 27. November 1841 Nr. 48. – Dieselbe XLVI. Jahrg. 1856 Nr. 31: „Lebensbilder aus der Vergangenheit. Johann Türk“. – Der Aufmerksame (Gratz, 4°.) Jahrg. 1856, Nr. 180 und 181: „Lebensbilder aus der Vergangenheit“ . – (Hormayr). Lebensbilder aus dem Befreiungskriege. I. Ernst Friedrich Herbert Graf von Münster. Erste Abtheilung. Zweite vermehrte Auflage (Jena 1845, Fromann, 8°.) S. 402.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: [Bd. V, S. 244, Nr. 9]