Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Band: 41 (1880), ab Seite: 164. (Quelle)
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Noch nennen wir von Trägern dieses Namens:

1. Johann Szántó (geb. zu Szentes in Ungarn 1820). Ein Schneider seines Zeichens, der wegen seiner Schicksale und seiner Wanderungen durch die Welt erwähnenswerth ist. Um 1844 sollte er zum Soldaten recrutirt werden, aber sich todtschießen zu lassen, dazu hatte der Ritter von der Nadel schier nicht das rechte Herz, und so nahm er, rasch entschlossen, seinen Weg nach Siebenbürgen und von da über die Gebirge durch dichte Wälder nach der Walachei. Da er hier wenig zu schneidern fand, wanderte er weiter in die Türkei, wo es ihm aber nicht besser erging, da ihm die aus den Officieren und anderen Koryphäen der polnischen Emigration recrutirten Schneider so starke Concurrenz machten, daß er nahe daran war, zu verhungern. Auf die Elle gestützt, kehrte er dem undankbaren Lande den Rücken und spazierte weiter. So kam er, ohne zu wissen wie, eines Tages nach Bagdad, dieser durch das Märchenbuch „Tausend und eine Nacht“ zu Weltruhm gelangten Stadt, wo es ihm an Arbeit nicht fehlen sollte. Und als gar ein englisches Schiff, das Muskatnüsse als Fracht führte, im Hafen einlief und Anker warf, erhielt er vollauf zu thun, da es galt, alle Schäden der durch eine lange Reise hart mitgenommenen Matrosengarderobe auszubessern. Und er bewährte sich in seiner Kunst so meisterhaft, daß ihm der Capitän freie Ueberfahrt nach Indien anbot, welche er ohne Zögern auch annahm. So ließ er sich von den Wellen des arabischen Meeres wiegen, drückte den Rücken des indischen Oceans und flog über den bengalischen Meerbusen nach Calcutta, wo er festen Fuß zu fassen gedachte, weil ihn ein gütiges Geschick wieder mit Arbeit segnete. Dies geschah im Jahre 1848. Da hörte er, daß die Revolution in Ungarn ausgebrochen sei. Nun wollte er heimkehren, und er begab sich ohne viel Federlesen zu Schiff, umsegelte Afrika und gelangte durch das mittelländische Meer nach Constantinopel, wo er vor allem durch die Nachricht von der Capitulation Görgey’s bei Világos erschreckt wurde. Als Deserteur unter den veränderten Verhältnissen heimzukehren, schien ihm doch nicht recht geheuer, und so machte er sich denn wieder auf die Beine, ging zurück nach Indien, streifte dann über China, Tibet und Turkestan nach Teheran, wo seine Begegnung mit dem berühmten Reisenden Vambéry stattfand, der uns der Erste über den weitgereisten ungarischen Schneider ausführlicheren Bericht erstattet. Während seines zwanzigjährigen Wanderlebens in Asien hatte Szántó die Kenntniß seiner Muttersprache eingebüßt, und als er Vambéry einen Brief an seine Verwandten in Ungarn einhändigte, stellte es sich heraus, daß Niemand im Stande war, die Schrift zu entziffern, indem das eine Wort chinesisch, das andere indisch, das dritte tibetanisch und so fort der ganze Brief in allen möglichen Sprachen geschrieben war und nur die Endsilben ungarisch lauteten. Vambéry erzählt nun manchen komischen Zug dieses ungarischen Schneiderleins. Als er ihn beim Abschied fragte, ob er denn nicht heimkehren möchte, erhielt er von ihm zur Antwort: „Jetzt kann ich nimmer gehen, wer kennt mich noch zu Hause und wen kenne ich? Für mich ist in meiner Heimat Alles fremd, und ich würde mir daselbst auch als Fremder vorkommen; nur das Gefühl blieb in mir ungarisch. Rede ich doch schon die Sprache meines Vaterlandes schmählich; es ist besser, ich bleibe hier. Wenn Sie fort sind, dann gehe ich auch, denn hier würde mir in steter Erinnerung an die Begegnung mit meinem Landsmann das Herz vor Sehnsucht nach meiner Heimat weh thun. Ich werde also hinüberspazieren nach China“. Damit schließen Vambéry’s Mittheilungen über seinen die Welt mit Nadel und Scheere durchwandernden Landsmann. Wie weit übrigens solche wandernde Gesellen in der Weit herumkommen, darüber gibt uns die ergötzlichsten Aufschlüsse Moriz Busch in seinem Buche „Die gute alte Zeit“ (Leipzig 1878, Grunow, 8°.) Bd. I, S. 51, im III. Capitel: „Bruder Straubinger“. [Agramer Zeitung, 1864, Nr. 297 und 298, im Feuilleton: „Ein viel gewanderter ungarischer Schneidergeselle. Aus den Abenteuern Vambéry’s“.] –