Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Sturm, Rudolph
Band: 40 (1880), ab Seite: 232. (Quelle)
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16. Wenzel Sturm (geb. zu Bischof-Teinitz in Böhmen im Jahre 1531, gest. zu Olmütz 27. April 1601). Frühzeitig durch Geist, Frömmigkeit und Klugheit sich auszeichnend, lenkte er die Aufmerksamkeit einiger Prälaten und katholischen Edelleute auf sich, welche bei der damals in Böhmen sich ausbreitenden Sectirerei den Kaiser Ferdinand I. zu dem Entschlusse bestimmt hatten, zwölf böhmische Jünglinge nach Rom in das deutsche Collegium zu entsenden, wo sie in den theologischen Disciplinen unterrichtet und dann in ihre Heimat zurückgebracht werden sollten, um daselbst den Kampf gegen die Lutheraner, Calviner und böhmischen Brüder mit den Waffen der Religion zu führen. Einer von diesen zwölf Jünglingen war Wenzel S. Da das deutsche Collegium nicht die Mittel dazu besaß, so viel Zöglinge heranzuziehen, so kamen einige derselben, darunter Sturm, lm Jahre 1553 in das römische Collegium, an welchem der Stifter der Gesellschaft Jesu, Ignatius Loyola, die Ausbildung und Erziehung der Jünglinge selbst leitete. 1556 nahm Sturm das Ordenskleid und gegen Ende 1558 kehrte er nach Prag zurück. Daselbst wurde er zunächst im Predigtamte verwendet, entsprach aber ganz und gar nicht den in ihn gesetzten Erwartungen. Er hatte im Römerlande seine Muttersprache zum Theil vergessen und verstieß in seinen Vorträgen nur zu sehr gegen die Regeln der Grammatik. Ueberdies hatte er im römischen Collegium weder die philosophischen, noch die theologischen Studien beendet, es ließen daher auch nach dieser Seite seine homiletischen Vorträge gar Manches zu wünschen übrig. Um nun diesen Uebelständen nach Thunlichkeit abzuhelfen, wurden die von anderen Geistlichen für ihn in lateinischer Sprache geschriebenen Predigten mehreren Prager Domherren zur Uebersetzung ins Čechische übergeben. Diese Elaborate lernte Sturm auswendig und trug sie seinen Ordenscollegen während der Mittags- oder Abendmahlzeit so lange vor, bis dieselben an seinem Vortrage nichts mehr auszustellen fanden. So in der Redekunst geschult, hielt [233] er seine Predigten mit solchem Erfolge, daß er bald zahlreicher Hörer sich erfreute. Im Jahre 1559 ging er wieder nach Rom, wo er nun mit allem Eifer den theologischen und Pastoralwissenschaften oblag und bald die theologische Doctorwürde erlangte. 1565 kehrte er nach Prag zurück, begann, von dem Erzbischof von Prag dazu aufgefordert, den Kampf gegen die Sectirer und vor Allem gegen die böhmischen Brüder, sowohl mit seinen Predigten, als auch mit seinen Schriften. Zu jener Zeit gab er die Schrift heraus: „Srovnání víry a učení bratři starších“, d. i. Prüfung des Glaubens und der Lehren der älteren Brüder (Leitomischl 1582) in Form eines Dialogs zwischen einem katholischen Priester und einem böhmischen Bruder niedergeschrieben. Als nun die böhmischen Brüder ihm die Antwort nicht schuldig blieben, trat er mit folgender Schrift hervor: „Krátké ozvání doktora Václava Šturma protí kratičkímu ohlášení jednoti Valdenské“, d. i. Kurze Erwiderung des Dr. V. Sturm auf die kurzen Erklärungen der Waldenser Brüder (Prag 1584) und nach einiger Zeit mit „Důvodů šest, že jednota bratří Boleslavských z Boha není“, d. i. Sechs Beweise, daß die Gesellschaft der Bunzlauer Brüder nicht von Gott ist. Als aber die böhmischen Brüder ihr neues großes Gesangbuch herausgegeben hatten, veröffentlichte er dagegen: „Rozšouzení a bedlivé uvážení velikého kanzionálu od bratří Valdenských, jinak Boleslavských vydaného“, d. i. Beurtheilung und sorgfältige Prüfung des von den Waldenser oder auch Bunzlauer Brüdern herausgegebenen großen Gesangbuches (Leitomischl 1590). Diese seine Bestrebungen in Wort und Schrift blieben nicht ohne Erfolg, denn viele Personen der höheren wie der niederen Stände traten aus dem Verbande der böhmischen Brüder zum katholischen Bekenntniß zurück. Geistlichkeit und Adel wurden ihm wohlgeneigt, sie förderten ihn in seinen Bestrebungen, und er verstand diese Gunst zur Verbreitung seines Ordens in Böhmen und Mähren trefflich auszunützen. So gründeten Wilhelm von Rosenberg und Adam von Hradec auf ihren Besitzungen zu Krumau und Neuhaus reich ausgestattete Jesuiten-Collegien und Jesuiten-Schulen. Sturm betheiligte sich mit allem Erfolge an der Erziehung der Jugend, trug in den Jesuiten-Collegien mehrere Jahre hindurch Theologie, lateinische und griechische Sprache vor und fungirte auch längere Zeit als Rector der Collegien zu Prag, Krumau und Olmütz. Zweimal nach Rom entsendet, wohnte er daselbst der vierten und fünften Generalversammlung seines Ordens bei und wirkte wesentlich für dessen Ausbreitung und Machtstellung. [Jöcher, Gelehrten-Lexikon Bd. IV, S. 916. – Zedlers Universal-Lexikon Bd. XL, Sp. 1428, beide Quellen nennen Sturm’s Geburtsort Tinen. – Tomek (Wenz. Wladiwoy). Geschichte der Prager Universität (Prag 1849, Haase Söhne, 8°.), S. 171. – Pelzel (Franz Martin), Böhmische, mährische und schlesische Gelehrte u. s. w. aus dem Orden der Jesuiten (Prag 1877, 8°.) Th. III, S. 56. – Klein, Lebensgemälde merkwürdiger Böhmen Seite 169 u. f. – Porträt. Unterschrift: „Wenceslaus Sturem“ (sic) Balzer sc. Pragae (8°.)].