Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Sturm, Georg
Band: 40 (1880), ab Seite: 224. (Quelle)
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Sturm, Eduard (Mitglied des Abgeordnetenhauses des österreichischen Reichsrathes, geb. zu Brünn am 8. Februar 1830). Sein Vater Dr. Math. Sturm wirkte als Professor am Gymnasium in Brünn. Der Sohn studirte in Olmütz und Brünn, erlangte in letzterer Stadt im Jahre 1852 die Doctorwürde und legte 1855 in Wien die Advocatenprüfung ab. Neben seinem praktischen Berufe in der Advocaturkanzlei lag er mit besonderer Vorliebe dem Studium der Geschichte ob und war als Mitarbeiter an verschiedenen Gerichtszeitungen auch schriftstellerisch auf juridischem Gebiete thätig. Im Jahre 1856 zum Advocaten in Pesth ernannt, wirkte er daselbst durch fünf Jahre, in welchen er sich die ungarische Sprache aneignete und als Rechtsanwalt sich einen ehrenvollen Ruf erwarb. In dieser Zeit schrieb er als juridischer Schriftsteller unter dem Namen Adam Osten. Bei dem Umschwung der politischen Verhältnisse im Jahre 1861 bat er um Uebersetzung als Advocat nach Brünn, wo er nicht nur als solcher und zugleich als Rechtsgelehrter eine umfassende Thätigkeit entfaltete, sondern sich auch durch Gründung und Förderung vieler öffentlichen Vereine und Anstalten, in denen er meist als Vorstand wirkte, um die Hebung des öffentlichen Lebens sehr verdient machte. Bald wurde der rastlos thätige und einflußreiche junge Rechtsgelehrte ein Mann des allgemeinen Vertrauens. Der Ruf seines Namens drang über das Weichbild der Stätte seiner Wirksamkeit hinaus und die Stadt Iglau entsendete ihn 1865, dann wieder 1867 in den mährischen Landtag, und dieser ihn 1869 in das Abgeordnetenhaus des Reichsrathes. In demselben zählte Sturm bald zu den hervorragendsten Mitgliedern, er wurde Führer der deutschen Partei in Mähren und fand als solcher sowohl im Hause als auch außerhalb desselben Gelegenheit, seine [225] deutsche Gesinnung entschieden zu betonen. Besonders that er dies im December 1869, als er in Brünn einer Schiller- und Arndtfeier beiwohnte, welche von der Schillerstiftung daselbst in Gemeinschaft mit den Turnern veranstaltet worden war. Bei dieser Gelegenheit sprach er einen Toast auf Oesterreich und Deutschland, in welchem es unter Anderem hieß: „Wir lieben unser österreichisches Vaterland und wollen Oesterreicher bleiben, aber wir können nicht aufhören, Deutsche zu sein. Das möge man überall wissen, wo man mit uns neue Experimente vorhat, in denen man die Schaffung einer böhmischen Ländergruppe denkt, welche sofort an die Stelle der czechischen Frage die deutsche Frage setzen müßte. Wir wollen keine Schmerzenskinder, keine verlorenen Söhne der Mutter Germania werden, sondern mit allen unseren Kräften festhalten an dem theueren Mutterlande, und wenn wir auch den Anschluß an ein geeinigtes Deutschland noch nicht verlangen können, so wollen wir wenigstens laut und entschieden ein echtes und rechtes Bündniß mit Deutschland zum Schutz und Trutz anstreben und fordern (ein Decennium später sollte Sturm’s Forderung der Verwirklichung nahe rücken) …. Gegen das cäsaristische System der stehenden Heere regt sich eine weit ausgebreitete Agitation des Friedens und der Freiheit. ... Die Völker haben es nicht nöthig, sich wechselseitig zu bekriegen. Auch in der Abrüstungsfrage muß der Wille des Volkes endlich durchdringen und es nur noch ein wahres und echtes Volksheer zur Vertheidigung der Rechte und Freiheiten des Volkes geben. Unwiderstehlich äußert sich der Freiheitsdrang der Völker nach vorwärts, und wenn sich gleich fünfhundert Bischöfe unterfangen sollten, der Fortschrittsbewegung der Menschheit Halt zu gebieten, was Wissenschaft und Recht geheiligt, zu verfehmen. ... so wird die Welt dabei ruhig bleiben und Freiheit und Wissenschaft ihre Entwickelung unbehindert fortsetzen. Die moderne Welt setzt dem mittelalterlichen Concil in Rom sofort das Freidenkerconcil in Neapel entgegen, und während man in Rom daran geht, über die Triumphe der Wissenschaft das Anathema auszusprechen, sehen wir in der Residenzstadt unseres Reiches einen der hervorragendsten Vertreter der freien Forschung (Hofrath Rokitansky) das Evangelium der Wissenschaft predigen!“. Es wurden hier die Hauptmomente jener Rede Sturm’s wiedergegeben, weil sie sozusagen sein politisches und culturelles Programm enthalten. Demselben entsprechend war auch stets seine Haltung im Abgeordnetenhause. Wie in diesem entwickelte er auch als geschäftsleitendes Mitglied des Landtags-Wahlcomités der verfassungstreuen Partei in Mähren eine eifrige Thätigkeit. Im Jahre 1871 aber trat er aus dem Reichsrathe aus, um die auf ihn gefallene Wahl als Mitglied des mährischen Landesausschusses annehmen zu können. Als er bald darauf die Advocatur in Wien erhielt, gab er jene Stelle wieder auf, da er durch dieselbe an den Ort wäre gebunden gewesen, in welchem der Ausschuß seine Geschäfte führte, und er candidirte neuerdings für den Reichsrath, in welchem seine Wahl durch den Rücktritt des Abgeordneten Leydolt möglich wurde. Im Abgeordnetenhause, dem er seit 1873 bis zur Gegenwart angehört und das ihn später auch in die Delegation wählte, vertrat er immer entschieden seine Meinung und stand damit in Opposition zur Regierung. Auch zählt [226] er zu den thätigsten Mitgliedern desselben, war Mitglied von nicht weniger denn neunzehn Ausschüssen und der Regnicolar-Deputation, fungirte u. a. als Berichterstatter über das Executionsgesetz und die neue Geschäftsordnung des Abgeordnetenhauses. In allen wichtigeren Fragen ergreift er das Wort. So erregte im December 1878 seine Rede in der Wehrgesetzdebatte großes Aufsehen. Er verlangte offen Herabminderung des Kriegsbudgets und behandelte bei seiner Forderung diese Frage eingehend. Als dann im Jänner 1879 im Abgeordnetenhause die Debatte über den Berliner Vertrag stattfand, griff er als Generalredner der Opposition das Ministerium in schonungsloser Weise an, verfehlte aber insofern alle Wirkung, als die Angriffe ein Ministerium trafen, welches ja schon im October 1878 seine Demission gegeben und nur noch interimistisch die Geschäfte fortführte. Bei der im Mai 1879 stattgefundenen Wahlbewegung für das neu zusammentretende Abgeordnetenhaus erschien Dr. Sturm wieder als einer der Führer der beiden Fortschrittsparteien, welche sich als Gegner der Occupation erklärten und überhaupt der Andrassy’schen Politik sich entgegenstellten. Diese beiden Parteien, von denen die eine Dr. Herbst, die andere Sturm in Gemeinschaft mit Dr. Kopp führte, und zu welchen sich noch das Fähnlein sogenannter „demokratischer“ Abgeordneter gesellte, vereinigten sich dann zur Bildung einer neuen „österreichischen Reformpartei“, die es sich zur Aufgabe stellt, gegen die bisherige auswärtige Politik Oesterreichs Front zu machen, in der Delegation, welche bisher die Andrassy’sche Politik am wesentlichsten gefördert, der Opposition einen größeren Einfluß zu erringen, zu diesem Zwecke durch Aenderung der Reichsrathswahlordnung eine Vermehrung der städtischen Abgeordneten zu erwirken, ferner auf Erweiterung des Absatzgebietes des österreichischen Handels, auf Hebung des Creditwesens, der Landwirthschaft, auf Herstellung des Gleichgewichtes im Staatshaushalte u. s. w. hinzuarbeiten, Aufgaben, welche, gelöst, der Opposition den Charakter einer wahrhaft patriotischen Partei geben könnten. Als nach Eröffnung des neuen Reichsrathes – des ersten, an welchem seit Schmerling die Czechen wieder theilnahmen – die Wahl des Adreßausschusses stattgefunden, welcher aus 24 Abgeordneten bestand, von denen neun der Verfassungspartei (Linken) und fünfzehn der Rechten angehörten, wurde, nachdem Dr. Herbst abgelehnt hatte, Dr. Sturm mit der Verfassung des Adreßentwurfes seiner Partei betraut. In der Sitzung jenes Ausschusses vom 23. October sollte nun über den Adreßentwurf der Mehrheit die Generaldebatte begonnen werden. Da erklärte Dr. Sturm im Namen der Minderheit: daß sie nach eingehender Prüfung des Mehrheitsentwurfes zu der Ansicht gekommen sei, derselbe könne von ihr nicht als Grundlage der Specialdebatte acceptirt werden, da jeder Absatz dieses Entwurfes sich im principiellen Widerstreite mit ihren Anschauungen befinde. Sie werde sich daher an der Specialdebatte nicht betheiligen, und er als Referent der Minderheit behalte sich vor, falls der Mehrheitsentwurf vom Ausschusse zum Beschluß erhoben werden sollte, namens seiner Gesinnungsgenossen einen Gegenentwurf einzubringen. Nun richtete Graf Hohenwart als Referent der Mehrheit an Dr. Sturm die Frage: ob er nicht näher begründen [227] wolle, warum die Minderheit gegen den Entwurf der Mehrheit sei? Abgeordneter Dr. Sturm entsprach dieser Aufforderung, indem er absatzweise die Mehrheitsadresse durchging und die Bedenken der Minderheit bei jedem Passus motivirte. Als dann in eröffneter Specialdebatte sich Niemand zum Worte erhob und die einzelnen Absätze des Mehrheitsentwurfes mit allen Stimmen der Mehrheit gegen die der Minderheit angenommen wurden, meldete er im Namen der Minderheit, bestehend aus ihm und den Abgeordneten Herbst, Kopp, Demel, Tomaszczuk, Weeber, Scharschmid, Ed. Sueß und Rechbauer, einen Gegenentwurf an und ersuchte den Schriftführer, davon im Protokoll Erwähnung zu thun. Thatsächlich übergab er auch den Gegenentwurf der Minderheit nach der Ausschußsitzung dem Präsidenten Grafen Coronini. Dr. Sturm gehört zu den meist genannten Mitgliedern des Abgeordnetenhauses, in welchem er als begabter Redner, als deutscher Parteimann und Oppositionsmitglied eine einflußreiche Rolle spielt. Die Stadt Iglau, welche ihn seit 1865 zu wiederholten Malen in den Landtag und als die directen Wahlen stattfanden, 1869 in das Abgeordnetenhaus des Reichsrathes wählte, zeichnete ihn auch durch Verleihung des Ehrenbürgerdiplomes aus.

Wanderer (Wiener Parteiblatt) 1868, Nr. 155 im „Tagesbericht“ [diese „Tagesberichte“ – die wenig beachtet wurden – sind in gereimten cäsurlosen Alexandrinern verfaßt und behandeln nicht selten mit schneidendem Witz und beißenden Sarkasmen die politische Tagesfrage und die darin agirenden Personen]. – Innsbrucker Tagblatt 1869, Nr. 262: „Dr. Sturm und Ignaz Giovanelli“. – Floh (Wiener Witzblatt) 20. September 1873, Nr. 56: „An Dr. Sturm“. – Bombe (Wiener Witzblatt) 2. Februar 1879: „An Dr. Sturm“. – Charge „Der Floh“ 9. März 1873 „Nr. 10: Dr. Eduard Sturm. Gezeichnet von A. Gill, J. Tomassich sc.