BLKÖ:Sterzinger, Ferdinand

Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
korrigiert
Band: 38 (1879), ab Seite: 311. (Quelle)
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Sterzinger, Ferdinand (gelehrter Theatiner-Mönch, geb. auf Schloß Lichtenwörth in Tirol 24. Mai 1721, gest. zu München 18. März 1786). Sein Vater war kaiserlicher Gubernialrath zu Innsbruck. Schon in früher Jugend zeigte S. große Lernbegierde, und da zu seiner Zeit der Orden der regulirten Theatiner viele gelehrte Männer aufzuweisen hatte, war sein Entschluß gefaßt, Theatiner zu werden und am 11. September 1740 nahm er das Ordenskleid, 1742 legte er die Ordensgelübde ab. Im Kloster wurde der Theatiner Emanuel Valberga sein Lehrer in der Redekunst und Weltweisheit, überdies studirte er mit großem Eifer die römischen Classiker und andere Wissenschaften. Im Jahre 1747 schickten ihn seine Oberen nach Rom und, da ihm das dortige Klima nicht wohl bekam, nach Bologna, wo er die Theologie und das Kirchenrecht studirte. In Rom waren Caraffa und Velo, in Bologna Masi und Offredi seine Lehrer. Nach seiner Rückkehr aus Italien übernahm er 1750 in Prag das Lehramt der Moraltheologie, welches er bis 1753 versah, dann wurde er nach München geschickt, wo er, wie einer seiner zahlreichen Biographen berichtet, „eine dem Menschenverstande zusagende Weltweisheit seinen Mitbrüdern vortrug“. In der That gebührt auch dem Tiroler Sterzinger der Ruhm, in unserem Nachbarlande Bayern den Grund zu einer von jesuitischem Beiwerke gereinigten Philosophie gelegt zu haben. Bis 1756 lehrte Sterzinger in München, nun wurde er wieder nach Prag geschickt, wo er bis 1759 das geistliche Recht vortrug. Im letztgenannten Jahre aber verlor Oesterreich für immer den geistvollen aufgeklärten Tiroler, der wieder nach München zurückkehrte, wo ihn der um die Aufklärung seines Volkes so hochverdiente, in Bayern noch heute unvergessene Kurfürst Maximilian Joseph bei der im Jahre 1759 stattgehabten Gründung der Akademie der Wissenschaft sogleich zum ordentlichen Mitgliede derselben ernannte. Seine Ordensbrüder wählten ihn zu gleicher Zeit zu ihrem Oberen, welche Würde er durch drei Jahre versah. Sein Wirken würde, auf den engeren Kreis der Gelehrten beschränkt, wohl wenig beachtet geblieben sein, wenn nicht ein Ereigniß im Jahre 1766 seinen Namen in weiteren Kreisen bekannt und gefeiert gemacht hätte. Am 12. October g. J., am Namenstage des Kurfürsten, hielt er nämlich, nicht wie Ludwig von Steub in seinen genußreichem „Wanderungen in Tirol“ [Presse 1871, Nr. 68] berichtet, die berühmte Predigt – woraus man auf einen Vorgang in einer (Theatiner-) Kirche schließen muß – sondern seinen Vortrag in der Akademie „Von dem Vorurtheile der Hexerei“. Er bestritt in diesem Vortrage die Wirklichkeit der Zauberei und Hexerei. Da er darin allen Hexenglauben und alle Zauberei entschieden bekämpfte und widerlegte, so machte sein Beginnen ungeheueres Aufsehen und er selbst sich durch seine Wahrheitsliebe und Freimüthigkeit zum Gegenstande der gröbsten Verfolgungen. Das Volk nannte ihn einen Spötter und Volksverächter und wurde von jenen Leuten, die in der Verdummung [312] des Volkes das sicherste Zaubermittel aller Regierung erblickten, in dieser Ansicht bestärkt, dadurch aber der Unwille gegen den aufgeklärten Theatiner nur gesteigert. Sterzinger jedoch ließ auf dem betretenen Wege sich nicht irre machen. In seinem Bewußtsein, der Wahrheit die Ehre gegeben zu haben, verlor er nicht den Muth und ließ nun die Rede sogar drucken. Sie erschien unter dem Titel „Akademische Rede von dem gemeinen Vorurtheile der wirkenden und thätigen Hexerei“ (München 1766, 4°.) gedruckt und fand in den „Göttinger gelehrten Anzeigen“, in der „Leipziger neuen Zeitung von gelehrten Sachen“, in der „Allgemeinen teutschen Bibliothek“ und in anderen periodischen Schriften die wohlwollendste Aufnahme. Im Jahre 1768 übernahm S. wieder das Lehramt des geistlichen Rechtes. Noch hatte sich die Aufregung in den bürgerlichen Gesellschaftskreisen nach der oben erwähnten Rede nicht ganz gelegt, als S. im Jahre 1773 wieder einen Vortrag in der Akademie hielt, welcher gleichfalls unter dem Titel „Akademische Rede über den Entwurf von dem Zustande der bayerischen Kirche unter dem ersten christlichen Herzog Theoda II.“ (München 1773, 4°.) im Druck erschien und wieder, dieses Mal jedoch mehr in den nächst betheiligten Kreisen Aufsehen erregte. Sterzinger entwarf in dieser Rede ein Bild der neubekehrten Christen in Bayern, von ihrem Hange, ihrer Vorliebe zu Träumereien, Zeichendeutungen, Beschwörungen und Teufeleien, und in so drastischer Weise, daß man nicht umhin konnte, diese Zustände mit ähnlichen noch damals im Lande bestehenden zu vergleichen und des Redners Absicht zu errathen. Es war, wie man sieht, nur eine Fortsetzung und Vervollständigung jenes oben erwähnten ersten Vortrages. Einen großen Schritt weiter in der Reinigung des Augiasstalles von Vorurtheilen, Aberglauben und dergleichen Blendwerken des menschlichen Geistes sollte S. schon im nächsten Jahre thun, als der bekannte Thaumaturg Johann Joseph Gaßner [Band IV, S. 99], dessen Ehrenrettung erst jüngst wieder der Pustetsche „Deutsche Hausschatz in Wort und Bild“ (1879) unternahm, seine Wundercuren begann und Sterzinger’s mühevolle Errungenschaft der wenigstens theilweise beseitigten Vorurtheile mit einem Male über den Haufen geworfen zu werden, bedroht war. Gaßner begann alle vom Teufel Besessenen zu heilen, und nun tauchten an allen Ecken und Enden solche Besessene auf und Gaßner verrichtete seine Wundercuren und gewann mit jedem Tage an Ansehen, aber zu seiner Ehre sei es gesagt, nicht an Geld, denn er nahm keines für seine Curen. Hingegen da er alle Krankheiten dem Teufel zuschrieb und sie nur im Namen Jesu zu heilen vorgab, so waren dem Wunder-, Aber- und Hexenglauben, Thür und Riegel geöffnet. Dieser Spuk blieb von Sterzinger nicht unbeachtet. Die Wallfahrten, die zu dem Wunderthäter in ganzen Schaaren stattfanden, machten ihn nur noch aufmerksamer. Dazu kam noch, daß der damalige Bischof von Regensburg auf Seite des Thaumaturgen stand und diesen in seinen besonderen Schutz nahm. Was man schrieb, was man erzählte, genügte Sterzinger nicht, er wollte mit eigenen Augen schauen und sich dann sein Urtheil über die ganze Geschichte zurecht legen. So reiste er denn nach Ellwangen, wo eben damals Gaßner seinen Spuk trieb. Sterzinger fand den Betrug – den wissentlichen oder unwissentlichen mag [313] dahingestellt bleiben – bald heraus und nahm keinen Anstand, dem Publikum reinen Wein einzuschänken. Denn kaum war er nach München zurückgekehrt, als er auch schon die Schrift „Die aufgedeckten Gassner’schen Wundercuren; aus authentischen Urkunden beleuchtet und durch Augenzeugen bewiesen“ (München und Augsburg 1774; 2. Auflage 1775) erscheinen ließ. Sterzinger rückt Gaßner in dieser Schrift hart zu Leibe. Er zeigt mit der ihm eigenen Gründlichkeit, daß Gaßner nichts weniger als ein Teufelsbanner (Exorcist) sei, und weist nach, daß er mit seinen unwahren Wundercuren und Teufelsaustreibungen der katholischen Religion und dem römischen Rituale zuwider handle. Nun hatte S. dem Fasse den Boden ausgeschlagen. Die Zahl der Gegner wuchs wie die der Besessenen, welche Gaßner zu heilen hatte und auch an heftigen Gegenschriften fehlte es nicht. Doch ließ sich Sterzinger von dem Allen nicht anfechten; er schritt auf dem Wege der Wahrheit wie bisher weiter, überzeugt, sie, die Tochter des Himmels, müsse über alle Teufel und Hexen der Hölle endlich siegen. Im J. 1779 wurde S. von der Akademie zum Director der historischen Classe gewählt und ihm die Aufsicht über die akademische Buchdruckerei, über den Kauf und Verkauf der Bücher übertragen. In dieser Stellung wirkte er bis zu seinem im Alter von 65 Jahren erfolgten Tode. Außer den schon erwähnten Schriften sind von ihm noch im Druck erschienen: „Positiones selectae ex Philosophia mentis et sensuum“ (Monachii 1755; Pragae 1756, Fol.); – „Positiones selectae ex Philosophia sensuum“ (Monachii 1756); – „Disputatio canonica de V. libro decretalium“ (ibid. 1756 et 1761, Fol.); — „Disputatio theologico-canonica“ (ibid. 1763, 4°.); – „Betrügende Zauberkunst und träumende Hexerey oder Vertheidigung der akademischen Rede von dem gemeinen Vorurtheile der Hexerey wider das Urtheil ohne Vorurtheil“ (München 1767, 4°.); – „Gedanken über die Werke des Liebhabers der Wahrheit (Agnellus März) von der Hexerey“ (ebenda 1767, 4°.); – „Disputationes duo de jurisprudentia ecclesiastica“ (ibid. 1769, 4°.); – „Francone dell’ Amavero Untersuchung, ob es eine Festigkeit gebe? Dabey viele abergläubische Irrthümer aufgedeckt werden. Nebst beygefügtem Catechismus von der Geisterlehre“ (München 1775, 8°.); – „Beurtheilung der Gassnerischen Wundercuren, von einem Seelsorger und Eiferer für die katholische Religion“ (ebenda 1775, 8°.); – „Johannes Trithemius Abts zu Sponheim Unterricht wie ein Priester wohlanständig leben solle; aus dem Latein. übersetzt“ (ebd. 1774, 8°.); – „Chronologische Einleitung in die Kirchengeschichte; eine Uebersetzung und Sammlung.“ Vierter Theil, vom Jahre 1350 des 14. bis 1550 des 16. Jahrhunderts; Fünfter und letzter Theil, von 1550 des 16. bis 1701 des 18. Jahrhunderts. (München 1776–1778). Die ersten drei Bände dieses Werkes sind von Christian Friedr. Pfeffel und Peter von Osterwald 1767–1774 herausgegeben worden. Sterzinger hat in seiner Fortsetzung auch die bayerische Kirchengeschichte berücksichtigt; – „Der in die katholische Schule geführte Fragsteller über den Catechismus von der Geisterlehre“ (Augsburg 1775, 8°.); – „Geister und Zauber-Catechismus“ (München 1783, 8°.); – „Bemühung den Aberglauben zu stürzen“ (ebd. 1785, 8°.); – „Die Gespenster-Erscheinungen, eine Phantasie oder Betrug durch die Bibel, Vernunft und Erfahrung bewiesen“ (ebd. 1786, 8°.); – „Anmerkung über ein St. Blasianisches Manuscript, in welchem von einer Liutgard, [314] welche eine Gemalin Adalberts I. von Windenberg gewesen sein soll, von Conrad, Bruder einer Liutgard und Engelbert Grafen von Hall (nicht Hals) avunculo Alberti II. bogensis Meldung geschieht“ (München 17..); – In den „Abhandlungen der Kurbayerischen Akademie der Wissenschaften“: „Historisch-kritische Untersuchung: ob die Bojer von Theodorich dem Könige der Ostgothen oder unter dessen Regierung geschriebene Gesetze empfangen haben“ [Bd. I, S. 135]; – „Entwurf von dem Zustande der bayerischen Kirche, von dem Jahre n. Ch. G. 717 bis auf das Jahr 1800“ [Bd. X]; – „Erläuterung über drei Anmerkungen vom Sterbejahr und der Grabschrift des heil. Ruperts; als ein Anhang zu dem Entwurfe vom Zustand der bayerischen Kirche“ [ebd.]. Sterzinger, ein echter Fortschrittsmann, war in seinem Wesen bescheiden, gegen Jedermann offen und dienstfertig, heiter und gesellig. Seinen Feinden, und er hatte in Folge seines ehrlichen Strebens deren genug, und solchen, die ihn schwer beleidigten, trug er nichts nach; er schied den Menschen von seinen Schwächen und ließ nie jenen dieser wegen entgelten. Er war ein frommer Priester und während er den Aberglauben rücksichtslos bekämpfte, ein treuer Diener der Religion, der er mit Wort und That anhing. Sein gefälliger Witz, sein geselliges Wesen, seine stets heitere Weise, machten ihn zum beliebten Gesellschafter und so gründlich und ausgebreitet sein Wissen war, er prunkte nie damit und brachte es nur zur Geltung, wo es entscheidend in die Wagschale fiel

Der nach Möglichkeit entschuldigte Sterzinger (Augsburg 1775, Wolff, 8°.). – Zech (Joh. Nep. Gr.), Rede zum Andenken des Don Ferd. Sterzinger (München 1787, 4°.). – Allgemeine deutsche Bibliothek Bd. LXXXIII, S. 523. – Baader (Ferd.), Rede, was hat die Stiftung der Akademie zur Aufklärung beigetragen? 1783, S. 26 u. f. – (De Luca), Das gelehrte Oesterreich. Ein Versuch (Wien 1778, von Trattner, 8°.) I. Bds. 2. Stück, S. 199 u. f. – Denkwürdigkeiten aus dem Leben ausgezeichneter Deutscher des 18. Jahrhunderts S. 483 u. f. – Nicolai, Reise.... Bd. VI, S. 549, 613 und 679, – Zapf’s literarische Reisen. Neue Auflage Bd. I, S. 8 u. f.
Porträte. 1) Unterschrift: P. Don Ferdinand Sterzinger, | Regulierter Priester, Theatiner, der | geistl. Rechte Professor Mitglied der | Churbaier. Acad. der Wissenschaften in | München u. der historis. Classe Director. | In seinem 55sten Jahre 1775. | Oefele pinx. Söckler sculp. – 2) Unterschrift: „Don Ferdinand Sterzinger, Ord. S. Caet. Acad. | boi. Membrum. Nat. 24. Mai 1721. Mort. 18. Mart. | 1786 Monach.“ Oefele pinx. J. A. Zimmermann Calcogr. Ele.