Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Simonyi, Anton
Band: 34 (1877), ab Seite: 340. (Quelle)
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Simony, Oskar (Mathematiker, geb. in Wien am 23. April 1852). Sohn des Universitäts-Professors Friedrich Simony (s. d. S. 322). Die Erziehung des Sohnes leitete der Vater mit besonderer Umsicht und Consequenz. Schon von der ersten Kindheit an umgab ihn der Vater – von der Ansicht ausgehend, daß die rege Phantasie des Kindes viel zweckmäßiger und bildender durch Darstellungen aus dem Natur- und Menschenleben als durch bleierne Soldaten, Trommel, Peitsche und ähnliches Spielzeug beschäftigt werden könne – mit einer stets wechselnden Gallerie von auf unverwüstliche Cartons geklebten, die verschiedensten Gegenstände vor Augen bringenden Abbildungen, die überall auf Boden, Tischen und Stühlen umherlagen, und zu welchen die Mutter die unermüdliche Interpretin bildete. In seinem 3. Lebensjahre bekam er bereits Bleistift und Pinsel in die Hand, und bald war kein Blatt [341] Papier, keine Zeitung vor seinen Zeichen- und Malversuchen sicher, Käfer, Schmetterlinge und Pflanzen, bald auch ganze Landschaften, naive Verbildlichungen von gehörten oder selbst erfundenen Märchen, wohl auch von wirklichen Geschehnissen, bildeten den Gegenstand seiner primitiven Kunstleistungen. Mit dem 5. Lebensjahre begann das systematische Lernen. Während die Mutter den gesammten Unterricht, nicht nur in den Gegenständen der Normalschule, sondern zum größeren Theile auch noch der 1. Gymnasialclasse, zu Hause besorgte, übernahm es der Vater, den Knaben Schritt um Schritt mit den Elementen der Naturwissenschaften vertraut zu machen. Im Winter wurden fleißig die verschiedenen Museen Wien’s besucht, in der warmen Jahreszeit machte die Familie an jedem freien Tage Ausflüge in die näheren Umgebungen Wien’s, wobei stets fleißig für die Vermehrung der häuslichen naturhistorischen Sammlungen gesorgt wurde. Auch weitere Excursionen in’s Hochgebirge wurden gelegentlich unternommen, wobei neben dem Wunsche, den Knaben mit der Alpenwelt bekannt zu machen, auch der Zweck in’s Auge gefaßt war, den Körper desselben durch längeren Aufenthalt in der Alpenluft und durch sorgsam geleitete maßvolle Uebung in weiteren Gebirgsmärschen möglichst zu kräftigen. Aus einem Artikel Friedrich Simony’s im Jahrbuche des österr. Alpenvereines von 1864, betitelt: „Eine Gollingfahrt“ lernen wir den damals elfjährigen Oskar S. bereits als einen gut geschulten, ausdauernden Bergsteiger kennen. Im Schuljahre 1863/4 trat Oskar S. als öffentlicher Schüler in die 2. Classe des Schottengymnasiums ein, wo er ständig den ersten Platz unter seinen Mitschülern behauptete und auch die Maturitätsprüfung mit Auszeichnung bestand. Schon zu jener Zeit, begann sich in dem zum Jüngling heranreifenden Gymnasiasten neben dem ungeschmälerten Interesse für die naturhistorischen Fächer nicht nur eine besondere Vorliebe, sondern auch eine seltene Befähigung für Mathematik auszusprechen. Wie ernst er sich mit der letzteren beschäftigte, zeigen drei Arbeiten, welche der damals 19jährige Jüngling während des ersten Semesters 1871 an die Redaction von Grunert’s „Zeitschrift für Mathematik und Physik“ einsendete, und die sich im Bd. LV derselben abgedruckt finden. Ihre Titel lauten: „Summation einiger endlichen Reihen und deren Anwendung zur Darstellung der ten[WS 1] Potenzen von und als Aggregate gleichartiger Functionen, ganzer Multipla des Bogens “; – „Eine einfache Lösung des Problems [WS 2] in der Form vollständig darzustellen“; – „Lösung des Integrales[WS 3]

durch elliptische Integrale[WS 4] erster, zweiter und dritter Gattung, vorausgesetzt, daß beliebige ganze, positive oder negative Zahlen bedeuten, von der Null verschiedene Größen sind“. Auf welche breite Grundlage der junge Mann seine wissenschaftliche Ausbildung zu stützen bestrebt war, zeigt die große Zahl von Gegenständen, welcher derselbe nicht nur hörte, sondern über welche er auch sämmtlich Colloquien (im Ganzen 32) mit Auszeichnung bestand. Philosophie, Mathematik, Astronomie, Physik, Mechanik, Meteorologie, Chemie, Botanik, Zoologie, Mineralogie wurden gleich fleißig studirt. Bei einer so umfassenden und [342] hervorragenden geistigen Thätigkeit konnte es nicht fehlen, daß auch in weiteren Kreisen die Aufmerksamkeit auf den strebsamen jungen Mann gelenkt wurde, und so kam es, daß demselben am Schlusse seines dritten Universitätsjahres die Einladung zukam, das Amt eines supplirenden Professors für Mathematik an der Mittelschule der Wiener Handelsakademie zu übernehmen, in welcher Eigenschaft er auch vom 1. October 1873 bis Ende Juli 1874 thätig war. Trotz der angestrengten Lehrthätigkeit und einer längeren Krankheit, brachte er dennoch während des letztbezeichneten Zeitraumes seine im XVIII. Bande von Dr. O. Schlömilch’s „Zeitschrift für Mathematik und Physik“ publicirte Inauguraldissertation[WS 5], betitelt: „Grundzüge einer neuen Moleculartheorie unter Voraussetzung Einer Materie und Eines Kraftprincipes“ zu Stande; die Abhandlung erhielt später in dem XIX. und XX. Bande derselben Zeitschrift noch zwei Fortsetzungen. Im April 1874 erlangte er die Doctorswürde und unterzog sich zwei Monate später der Gymnasial-Lehramtsprüfung aus Mathematik und Physik mit bestem Erfolge. Unmittelbar nach Ablegung der letzteren, ward ihm von Seite des Lehrkörpers der k. k. Forstakademie zu Mariabrunn der ehrenvolle Antrag gemacht, die Stelle eines Honorar-Docenten für höhere Mathematik und theoretische Mechanik zu übernehmen, welchem Antrage er um so bereitwilliger Folge leistete, als er in dem Bekanntwerden mit den verschiedenen forstlichen Disciplinen ein neues und ergiebiges Feld für seine wissenschaftliche Thätigkeit in Bezug auf angewandte Mathematik sich ihm erschließen sah. Im Mai 1875 habilitirte er sich als Privat-Docent für Mathematik an der Wiener Universität und mit dem Studienjahre 1875/6, wo die Mariabrunner Forstakademie als selbstständige Lehranstalt aufgelassen und als besondere Section der Hochschule für Bodencultur in Wien einverleibt wurde, trat er in seiner bisherigen Eigenschaft als Honorar-Docent in den Lehrkörper der letzteren ein. Obgleich nun an zwei Hochschulen durch eine bedeutende Zahl von Vortragsstunden stark in Anspruch genommen, entwickelt S. nichtsdestoweniger eine rege literarische Thätigkeit, welche sich, seiner Stellung entsprechend, derzeit in erster Reihe dem forstmathematischen Gebiete zuwendet. Von April 1876 bis Juli 1877 hat er in dem „Centralblatt für das gesammte Forstwesen, redigirt von R. Micklitz und G. Hempel“ folgende Abhandlungen veröffentlicht: „Ueber zwei fundamentale Probleme der Zinseszinsrechnung“ (Jahrgang 1876, Heft 4 und 5); – „Ueber eine Reihe neuer Fundamentalformeln der Zinseszins- und Rentenrechnung“ (Jahrgang 1876, Heft 6, 7 und 8); – „Ueber eine neue für die forstliche Praxis wichtige Näherungsformel“ (Jahrgang 1876, Heft 9); – „Ueber einige allgemeine, für die Holzmeßkunde belangreiche Cubirungsformel“ (Jahrgang 1876, Heft 11 und 12); – „Analytische Untersuchungen über den Zusammenhang geometrisch bestimmbarer Stammformen mit ihren Formzahlen“ (Jahrgang 1877, Heft 5, 6, 7 …, noch nicht abgeschlossen). Außer den bisher angeführten sind endlich noch zwei kleinere Arbeiten zu nennen: „Ueber die Beziehung der mittleren Bewegungsintensität der Atome eines beliebigen festen Complexes zu dessen absoluter Temperatur“ (Schlömilch’s Zeitschrift Bd. XX); – „Ueber einige bisher noch nicht allgemein gelöste Probleme der Zinseszins- und Rentenrechnung“ (ebd. Bd. XXI). [343] Wenn der Herausgeber[WS 6] dieses Lexikons recht unterrichtet ist, so wurde mit Rücksicht auf S.’s erfolgreiche Lehrthätigkeit und die literarischen Leistungen im forstmathematischen Gebiete am Schlusse des Wintersemesters 1876/7 von dem Professoren-Collegium der Hochschule für Bodencultur seine Ernennung zum außerordentlichen Professor bei dem Ackerbauministerium einstimmig befürwortet.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Darstellung  ten. [Korrigiert nach Johann August Grunert (Herausgeber) Archiv der Mathematik und Physik, C. A. Koch, 1858, S. 445 (49) Google].
  2. Vorlage:   [Siehe dazu die Diskussion].
  3. Vorlage: Intregales.
  4. Vorlage: Intregale.
  5. Vorlage: Ignauguraldissertation.
  6. Vorlage: Wenn Herausgeber.