BLKÖ:Sidoli, Alexander

Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
korrigiert
<<<Vorheriger
Siczy (Maler)
Nächster>>>
Sidon, Johann
Band: 34 (1877), ab Seite: 219. (Quelle)
[[| bei Wikisource]]
in der Wikipedia
Alessandro Sidoli in Wikidata
GND-Eintrag: [1], SeeAlso
Dieser Text wurde anhand der angegebenen Quelle einmal Korrektur gelesen. Die Schreibweise sollte dem Originaltext folgen. Es ist noch ein weiterer Korrekturdurchgang nötig.
Linkvorlage für Wikipedia 
* {{BLKÖ|Sidoli, Alexander|34|219|}}

Sidoli, Alexander (Architekt, geb. zu Cremona 30. Juli 1812, gest. zu Mailand 21. Juli 1855). Der Vater, obgleich unbemittelt, beschloß, als er die künstlerischen Anlagen des Sohnes gewahr wurde, denselben seiner Richtung unbeirrt folgen zu lassen und schickte ihn in die Cremoneser Architecturschule, an welcher damals der tüchtige, in seiner Kunst hochgeschätzte Luigi Voghera lehrte, und aus welcher nebst Sidoli noch manche andere Künstler dieses Faches hervorgingen. Nachdem er sich dort rasch und trefflich die ersten Elemente der Kunst, vornehmlich das freie Hand- und das Linearzeichnen angeeignet, kam er zur weiteren Ausbildung in die Ornamentenschule des Malers Voglia, wo er nicht minder günstige Fortschritte machte. So arm der Vater war, der Gedanke, seinem Sohne die Bahn zu ebnen und ihm so eine schönere Zukunft zu eröffnen, als ihm in seiner Dürftigkeit beschieden war, besiegte alle weiteren Bedenken, und nachdem er seine kleinen Ersparnisse zusammengerafft, [220] schickte er mit dieser ohnehin höchst geringen Baarschaft seinen hoffnungsvollen Sohn nach Mailand, wo er in einer Pension untergebracht wurde, und im Jahre 1827, also damals gerade 15 Jahre alt, den Besuch der Brera begann, an welcher zu jener Zeit Carlo Amati [Bd. I, S. 26] als Professor der Architectur thätig war. Amati, in der alten, starren, akademischen Richtung befangen, übte auf S. geringen Einfluß. Dieser trieb mit allem Eifer das Studium der architektonischen Ordnungen und aller anderen, mit diesem Hauptgegenstande verwandten Disciplinen und mit so gutem Erfolge, daß er schon im dritten Jahre seiner akademischen Lehrzeit (1830) die silberne Medaille in den Elementen der Architectur erhielt, eine zweite im folgenden[WS 1] Jahre im Perspectivzeichnen. Als im Jahre 1834 Giuseppe Girotti einen Jahrespreis für die von der Akademie anerkannt beste Arbeit in den verschiedenen Kunstzweigen gestiftet und dieser im Jahre 1835 auf die Architecturzeichnung fiel, gewann Sidoli denselben mit der gelungensten Ausführung des als Preisaufgabe gestellten großartigen Mausoleums. Und im nächsten Jahre trug er wieder mit einem ähnlichen Gegenstande im großen, von der Akademie ausgeschriebenen Concurse den ersten Preis davon. Unter so günstigen, vielversprechenden Verhältnissen beendete S. seine akademische Laufbahn. Kaum aber war dieß geschehen, so legte sich der dreiundzwanzigjährige Jüngling, der in der Kunst alle Fesseln abgestreift und seinen nicht gewöhnlichen Genius frei walten ließ, die Fesseln der Liebe auf, indem er die anmuthige und heitere Rosa Sioli zu seiner Lebensgefährtin machte. Um diese Zeit kam die Frage der Errichtung eines monumentalen Friedhofes in Mailand in der dortigen Commune auf die Tagesordnung und wurde im Juni 1838 der Preis von Einhundert Sovereigns in Gold für den besten Entwurf eines Campo santo für Mailand ausgeschrieben. Dabei gab es mancherlei und nicht leicht zu besiegende Bedingungen, die Anlage und die Summe betreffend, welch letztere die Commune dieser Schöpfung zu widmen ausgesprochen hatte. Fünfundzwanzig Bewerber, darunter Namen auf dem Felde der Architectur vom bestem Klange, waren aufgetreten und nachdem nach vielen Verhandlungen man sich zunächst für zwei Entwürfe, deren einer von Alvisetti, der andere von Sidoli herrührte, entschieden hatte, wußten Intrigue und andere unsittliche Mittel dahin zu wirken, daß man Sidoli’s Entwurf, obwohl er zweifelsohne der in jeder Hinsicht gelungenste war, bei Seite schob und die Angelegenheit einstweilen liegen ließ. Sidoli nahm sich dieses erbärmliche Gebaren tief zu Herzen, und von da ab griff er zu verwerflichen Mitteln, seinen Unmuth zu betäuben. So blieben die Dinge, bis ein neuer Gemeinderath gewählt wurde, worauf nun Bartolomeo Saldini, Redacteur des „Giornale dell’ Ingegnere architetto“, die Sache in die Hand nahm, den Entwurf Sidoli’s in sechs großen Tafeln stechen und unter seine Abonnenten, wie auch sonst noch im Publikum vertheilen ließ. Die Wirkung blieb nicht aus. Alles lernte nun Sidoli’s wohlerwogene Entwürfe kennen. Er hatte zu diesem Zwecke ganz Italien bereist, um die Friedhöfe der anderen Städte in Augenschein zu nehmen, mit dem ganzen Detail der Anlagen vertraut zu machen, und so, nicht etwa seine Phantasie mit den Keimen der Phantasien Anderer zu befruchten – Sidoli’s Phantasie, wie seine zahllosen Arbeiten [221] beweisen, war selbst reich genug, um solcher Hilfe nicht zu bedürfen – sondern nur um praktische Winke zu benützen und in seinen Entwürfen Alles zu vermeiden, was sich nicht bewährt hatte, was mit der Zeit mehr oder weniger störend oder ungeeignet befunden wurde. Im hohen Grade uneigennützig hatte sich dabei der Redacteur Saldini benommen, der den Rest der Auflage, welcher nach Betheilung der Abonnenten seines Blattes übrig geblieben, unentgeltlich der Familie Sidoli’s überließ, da dieser selbst den Triumph, den seine Arbeit zuletzt feiern sollte, leider nicht mehr erlebte. Im Jahre 1847 nahm die Mailänder k. k. Akademie der Künste S. unter ihre Mitglieder auf, im Jahre 1852 ernannte sie ihn zum Adjuncten der Perspectivzeichnung, in welcher Stellung er bis an sein im schönsten Mannesalter von erst 43 Jahren erfolgtes Lebensende verblieb. Nach Anführung obigen Hauptwerkes S.’s, ist wohl noch seiner sonstigen Thätigkeit – und um so mehr – zu gedenken, als gerade auch in seinem vielgeprüften Künstlerleben die in demselben nicht seltene Phrase non mihi sed vobis leider nur zu sehr zur Geltung kam. S. zeichnete und entwarf noch eine große Anzahl von Gebäuden und Monumenten aller Art, welche sämmtlich groß und originell gedacht sind und den Ruhm ihres Autors weit über die Grenzen des Landes, dem er angehörte, getragen haben würden, wenn sich auch immer die reichen Mittel zu ihrer Ausführung gefunden hätten, oder wenn sie nicht von S. für Andere wären entworfen worden, die als deren Urheber galten. Nebenbei aber war er – um den Hausstand dürftig zu erhalten – in zahllosen kleineren, ja unbedeutenden Arbeiten thätig, die aber alle und immer den Stempel seines Genius an sich trugen. Namentlich wurde er, wie der Maler Salvator Mazza an seinem Grabe sprach, im Decorationsfache viel beschäftigt, und vornehmlich strebte er dahin, mit Vermeidung der Verirrungen des 17. Jahrhunderts in dieser Richtung, einen geläuterten Styl zur Geltung zu bringen, worin er es geschickt verstand, seine eigenen fruchtbaren Ideen mit den besten Mustern eines guten Geschmackes der Vergangenheit zu verbinden. Eine bleibende Erinnerung gebührt ihm auch in der Wiederbelebung der Holzschnitzerei in Italien. Dieselbe war in künstlerischer Beziehung ganz gesunken und erhob sich kaum mehr zur handwerksmäßigen Schablone. Da nahm S. die Sache in die Hand, entwarf die Zeichnungen, überwachte die Arbeit, trug Sorge für ihre tüchtige Ausführung, bildete geschickte Arbeiter heran, und wieder kam das reichste Hausgeräth mit den saubersten Holzschnitzereien in Aufschwung, ein Umschwung, fast ausschließlich das Ergebniß der Bemühungen S.’s. „Wenn man“, schreibt Ravani in seinem kurzen Nachrufe S.’s, „sammeln wollte alle von Sidoli für die Schnitzer, Stuccatorer, Ornamentisten und Prospectzeichner, ferner für die Historienmaler entworfenen Zeichnungen, seine Thätigkeit würde als über die Kraft eines einzelnen Menschen hinausreichend erscheinen. Wollte man die großartigen Entwürfe veröffentlichen, welche seine Hand schuf und womit Andere Ehre und Geld gewannen, man würde erstaunen über die erfinderische Fruchtbarkeit seiner Fantasie. So sind es nur wenige Arbeiten, die von ihm entworfen und zugleich von ihm ausgeführt worden, und diese selbst sind weniger in Mailand als auswärts zu suchen, so z. B. die Villa der Gebrüder Devecchi in Tartavalle, das Gemeindehaus zu Broni in [222] Piemont, die Kaufhalle in Stradella, das Grabdenkmal der Familie Torriani in der Schweiz u. m. A. Die Krankheit, die ihn befiel, raffte ihn in wenigen Tagen hin. Er hinterließ eine Witwe und acht Kinder, sämmtlich noch unversorgt. Der mehrerwähnte Saldini veranstaltete gleich nach dem Tode des Künstlers eine Sammlung, welche zu Gunsten der Hinterbliebenen sofort eine Summe von 2000 Lire einbrachte. Zu gleicher Zeit veranstaltete S. zu gleichem Zwecke in seiner eigenen Druckerei die Herausgabe verschiedener Ornamentstudien und Architecturentwürfe, welche sich in[WS 2] S.’s Nachlasse vorfanden. Der Maler Gallus Gallina und der Bildhauer Ignaz Micotti führten, Ersterer in Lithographie, Letzterer in Gips, S.’s Bildniß aus und der Erlös des Verkaufes fiel der Witwe und ihren Kindern zu. Der Bildhauer Anton Tantardini aber erbot sich, die Büste S.’s unentgeltlich in Marmor auszuführen, damit sie in der Brera in der Reihe der übrigen dort bereits befindlichen Koryphäen der Kunst aufgestellt werde. In den letzten Jahren bemerkte einer seiner Freunde, daß S. mehr als er sollte, Wein, und spirituose Getränke zu sich nahm. Auf dessen Vorstellungen bemerkte er dann: „Wenn ich getrunken habe, vergesse ich meine zahlreichen Leiden“. Und deren hatte S. genug: geringe Bestellungen, eine zahlreiche Familie, nicht hinreichende Einnahmen, die durch Intriguen und Hinterlist bewirkte Beseitigung seines als bestes anerkannten Friedhofprojectes, wodurch er um den Lohn langer Arbeit und den verdienten Preis kam, und endlich die Undankbarkeit Jener, denen er mit seinen Arbeiten Ruhm und Geld einbrachte, während ihm das Zusehen blieb. Nun freilich konnte er dann sagen: „Wenn ich getrunken, vergesse ich meine zahlreichen Leiden“.

Corriere italiano 1855, Nr. 192. – Giornale dell’ Ingegnere-Architetto (Milano, schm. 4°.) 1856, p. 29. – Il Fuggilozio (Milano, schm. 4°.) Anno II, 1856, Nr. 24, p. 379. – Panorama universale. Giornale settimanale illustrato (Milano, kl. Fol., 1856, Nr. 2. – Cosmorama pittorico (Milano, kl. Fol.) Anno XX, 1855, Nr. 62. – Gazzetta di Cremona Anno XVIII, 1855, Nr. 31. – L’Italia musicale Giornale... (Milano, kl. Fol.) Anno VII, 1855, Nr. 60. – Gazetta uffiziale di Verona 1855, Nr. 223: „Necrologia scritta dallo scultore Antonio Tantardini“. – Ad Alessandro Sidoli. Necrologie lette sulla Salma il giorno 23. luglio 1855. Dall’ Avv. P. A. Curti.
Porträte. 1) Unterschrift: Alessandro Sidoli. Bonati incise. Ganze Figur [auch im Panorama universale]. – 2) Holzschnitt von Zambelli [auch im Fuggilozio]. – 3) Unterschrift: Facsimile des Namenszuges Alessandro Sidoli. Darunter: dal busto in plastica di Antonio Tantardini. L. Vignolo dis. Lit Pedrinelli (kl. Fol.). – 4) Als Vignette auf einem Musikstücke. Gez. und lith. von Luigi Moretti.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: folgengen.
  2. Vorlage: im.