BLKÖ:Siarczyński, Franz

Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Seywald
Band: 34 (1877), ab Seite: 199. (Quelle)
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Siarczyński, Franz (Humanist und Schriftsteller, geb. zu Chrusowitz in Galizien 12. October 1758, gest. zu Lemberg 7. November 1829). Die unteren Schulen besuchte er in Jaroslaw, darauf trat er in Podolince bei den Piaristen ein, welcher Orden damals und mit Recht in Polen in hohem Ansehen stand, da aus demselben eine Reihe ganz tüchtiger, um das Vaterland hochverdienter Männer hervorgegangen war. Im Jahre 1775, damals erst 17 Jahre alt, legte er Profeß ab. Während er nun im Orden zu Rzeszow, dann zu Międzyrzec die Studien fortsetzte, ertheilte er den Ordensregeln gemäß selbst Unterricht in den niederen Schulen. Im Jahre 1781 kam er nach Krakau, wo er die theologischen Studien beendete, worauf er im Jahre 1783 ausgeweiht wurde und zunächst eine Caplansstelle in Warschau erhielt. Dabei blieb er fortwährend im Lehramte thätig, und zwar zunächst in Warschau, wo er im Collegium nobilium durch vier Jahre Geschichte und Geographie vortrug und seit 1786 in Radom. Neuerdings nach Warschau berufen, waltete er dort des Predigeramtes im königlichen Collegium und in dieser Stellung bot sich ihm Gelegenheit dar, mit Männern wie die Potocki, Naruszewicz, Krasicki, Piramowicz, Czacki zu verkehren; ja selbst des Königs Aufmerksamkeit richtete sich auf den jugendlichen Ordenspriester, dessen Rednergabe beachtenswerth war. Im Jahre 1789 entsendete ihn sein Orden zum Provinzial-Capitel. Da ihn die Functionen des Lehramtes stark in Anspruch nahmen, erbat er sich, um sich seinem priesterlichen Berufe ausschließlich zuwenden zu können, vom Papste die Dispens von den Ordensregeln, welche er auch erhielt, worauf ihm der König die Probstei auf dem königlichen Gute zu Kozienice verlieh. Daselbst wurde er bald der Schutz und Hord seiner Gemeinde, für welche er zunächst Schulen, dann ein Spital begründete und zu diesem Zwecke sein ganzes Einkommen verwendete, [200] so daß ihm der König noch besonders eine jährliche Zulage von 100 Ducaten anweisen ließ. Im Jahre 1790 wurde er Domherr zu Warschau und Ermeland. Verluste, welche er auf seiner Propstei in Kozienice in Folge der kriegerischen Wirren und durch Brande erlitten hatte, bestimmten ihn, eine Uebersetzung auf die Propstei in Lancut anzusuchen, die ihm auch gewährt wurde. Da aber dort die Fürstin Lubomirska, die Gattin des königlichen Kronmarschalls, zu jener Zeit ihr Hoflager hielt und es ein sehr bewegtes, geräuschvolles Leben im Schlosse gab, sagte das S., der ein beschauliches, wissenschaftlicher Arbeit gewidmetes Leben allem anderen vorzog, wenig zu und er erwirkte seine Versetzung auf die Propstei nach Jaroslaw, in deren Genusse er bis an sein Lebensende verblieb. Dreiundzwanzig Jahre lang versah er daselbst die Probstei und Dechantei und die Muße seines Berufes widmete er unausgesetzt seinen geschichtlichen Forschungen und sammelte ganze Schätze von Kenntnissen und Materialien zur Geschichte seines Vaterlandes, wovon nur ein ganz geringer Theil durch den Druck veröffentlicht wurde, während der Rest unbearbeitet und unvollendet in Notizen und begonnenen Arbeiten zurückblieb. Als im Jahre 1827 die berühmte Ossoliński’sche Bibliothek – vergleiche den Artikel Ossoliński in diesem Lexikon, Bd. XXI, S. 114 – nach Lemberg gebracht wurde, übernahm S. die Directorsstelle an derselben, in welcher Stellung zu wirken, ihm jedoch nicht lange gegönnt war, denn schon zwei Jahre darnach überraschte ihn der Tod und rief ihn, mit der Feder in der Hand, im Alter von 71 Jahren, vom Schauplatze seiner Thätigkeit ab. Die von S. durch den Druck veröffentlichten Schriften sind: „Sztuka ogrodnicza koło ogrodu kwiatów“, d. i. Die Gartenkunst im Hinblick auf Blumenzucht (Krakau 1780, 5. Auflage, ebd. 1819); – „Uwagi na koszta pogrzebowe w Wiedniu“, d. i. Bemerkungen über Leichenkosten in Wien (Breslau 1781), obgleich Breslau als Druckort angegeben ist, ist es doch in Wahrheit in Krakau gedruckt; – „Dykcyjonarz geograficzny“, d. i. Geographisches Wörterbuch, 3 Bände (Warschau 1782, 8°.). Das Originalwerk erschien im Englischen von Echard und erlebte viele Auflagen, dann übersetzte es Abbé Vosgien in’s Französische und aus der achten Auflage dieser französischen Bearbeitung besorgte S. die polnische mit vielen Berichtigungen – namentlich was sein eigenes Vaterland betrifft – und Zusätzen vermehrte Uebersetzung. Das Werk erschien ohne Angabe des Uebersetzers. – „Hystoryja polityczna rewolucyi amerikanskiej przez Rajnala“, d. i. Raynal’s politische Geschichte der amerikanischen Revolution (ebd. 1783); – „List Paryzanki do Podolanki, czyli original do kopii“, d. i. Brief einer Pariserin an eine Podolierin oder das Original an die Copie (ohne Ort 1784, wiedergedruckt ohne Ort und Jahr); – „Listy moralne do utworzenia cnotliwego serca stosowne“, 2 tomy d. i. Moralische Briefe zur Bildung eines tugendhaften Herzens, 2 Bände (Krakau 1788, Grebl; 4. Auflage ebd. 1808), ursprünglich ein englisches Werk, S. aber hatte zu seiner polnischen Ausgabe eine deutsche Uebertragung benützt; – „Pochwala Stanislawa Szczęsnego Potockiego Generala Artilleryi kor.“, d. i. Denkrede auf Stanisl. Fel. Potocki, königlichen Artillerie-General (Warschau 1789); – „Krótka fizyczna i historiczna wiadomosc o soli“, d. i. Kurze und physikalische [201] Nachricht vom Salze (Warschau 1788, 8°.); S. verfaßte diese Schrift im Auftrage des Königs selbst, der ihm dafür auch die goldene Medaille mit der Inschrift: Merentibus verlieh; – „Traktaty między mocarstvami europejskiemi od roku 1648 zaszle...“, 6 tomów, d. i. Die zwischen den europäischen Mächten seit dem Jahre 1648 geschlossenen Verträge, 6 Bände (Warschau 1773–1790, Piaristen-Druckerei, 8°.). Die Herausgabe dieses geschätzten, durch viele historische Bemerkungen nur noch werthvolleren Werkes begann der Piarist Fulgentius Obermajer, er hatte die ersten zwei Bände, ohne sich zu nennen, herausgegeben, die Ausgabe des dritten besorgte, gleichfalls anonym, Vincenz Skrzetuski, die letzten drei Bände aber edirte Siarczyński und führte sie bis zum Jahre 1789 fort; – „Traktaty konwencyine, handlowe i graniczne wszelkie publiczne umowy między Polską i obcemi Paustwami“, 2 tomi, d. i. Die Handels- und Grenztractate und Vereinbarungen zwischen Polen und den benachbarten Völkern, 2 Bände (Warschau 1794, Piaristen-Druckerei, 8°.), im Auftrage und auf Kosten des Königs aus den Archiven zusammengestellt, vom Regierungsantritte des Königs Stanislaus August bis 1791; – „Dzien trzeci Maja roku 1791“, d. i. Der Tag des 3. Mai im Jahre 1791 (Warschau 1791, Gröll, 8°.), eine geschichtlich treue Darstellung der am Tage der Verleihung der Constitution vorgefallenen Begebenheiten; – „Geografija czyli opisanie naturalne historyczne i polityczne krajów i narodów we 4 częsciach swiata etc.“, d. i. Geographie oder natürliche, geschichtliche und politische Beschreibung der Länder und Völker aller vier Welttheile, 3 Bände (Warschau 1790–1794, Piaristen-Druckerei, 8°.). Die Ausgabe weiterer drei Bände, von denen eben der vierte die Beschreibung Polens enthalten sollte, unterblieb in Folge der politischen Wirren; – „Wiadomosc historyczna i statystyczna o miescie Jarosławiu“, d. i. Historisch-statistische Nachricht von der Stadt Jaroslaw (Lemberg 1826, Kühn und Millikowski, gr. 8°.), eine eben nicht umfangreiche, aber auf Quellen gestützte, werthvolle Monographie über diese meist durch ihren Handel und ihre Handels-Industrie bedeutende Stadt; – „Obraz wieku panowania Zygmunta III. Krola Polsk. i Swedzk. etc.“, d. i. Gemälde des Zeitalters der Regierung Königs Sigismund III. von Polen und Schweden, 2 Theile (Lemberg 1828, Sznayder, 8°.); – „Obraz panowania Zygmunta III. obejmujący obyczaje, religiją, óswiecenie, towarzyskie pozycyje, moc rządu, jego wadi, zwiazki z obcymi, pomýslnosc i klęski publiczne zategoz panowania“, d. i. Gemälde der Regierung Sigmund’s III., umfassend die Gewohnheiten, Religions- und Culturzustände, gesellschaftlichen Verhältnisse, die Macht der Obrigkeiten u. s. w., zwei Theile (Posen 1843 und 1858); politische Wirren veranlaßten das späte Erscheinen dieses Werkes, das mit dem vorgenannten in ergänzender Verbindung steht. Beide zusammen, die Mangelhaftigkeit des seiner letzten Feile entbehrenden Styles und einige andere kleinere Verstöße abgerechnet, bilden S.’s Hauptwerk. Es ist gründliche, sorgfältige Quellenarbeit und ein reicher Schatz interessanter Materialien zur politischen und Personengeschichte jener Zeit; – „Zgodność i różność między wschódnim i zachodnim kosciolem przez J. H. Schmitt przelożona i pomnożona“, d. i. Einheit und Verschiedenheit zwischen der abend- und [202] morgenländischen Kirche, von J. H. Schmitt, übersetzt und vermehrt von S. (o. O. [Warschau] 1831, 8°.), weniger eine Uebertragung als völlige, durch zahlreiche Zusätze S.’s vermehrte Umarbeitung des Schmitt’schen, von Fr. Schlegel herausgegebenen Buches; – „Kazania zebrane z pozostałych rękopismów“, d. i. Aus seinem handschriftlichen Nachlasse gesammelte Predigten (Lemberg 1832, 8°.); – „Opis powiatu Radomskiego przez T. Lipińskiego“, d. i. Beschreibung des Radomer Kreises von T. Lipiński (Warschau 1847, 8°.). – Außerdem ist S. Verfasser zahlreiche kleinerer, anonym gedruckter Flugschriften, Predigten, Reden, Abhandlungen u. s. w. Im Jahre 1794 redigirte er gemeinschaftlich mit Fr. Dmochowski die Warschauer amtliche Zeitung (Gazeta rządowa); in den Jahren 1828 und 1829 war er Redacteur der wissenschaftlichen Zeitschrift der Ossoliński’schen Bibliothek (Czasopis naukowy księgozbiora imienia Ossolińskich), in deren unter ihm erschienenen acht Bänden nicht weniger denn 28 Aufsätze aus S.’s Feder herrühren, und noch im Jahre 1828 stellte er den neuen Kalender (Nowy kalendarzyk[WS 1] czyli Swiętnik Lwowski) auf 1829 für die Piller’sche Druckerei in Lemberg zusammen; die Materialien für einen folgenden Jahrgang fanden sich in seinem Nachlasse vor. In diesem letzteren fanden sich nach seinem Tode auch noch mehrere sehr schätzbare Arbeiten vor: so eine Geschichte des Volkes und Landes von Roth-Rußland und vornehmlich des mittäglichen Rußland jenseits des Dnieper, in drei Bänden, wovon einzelne Parthien, wie z. B die Geschichte der Fürstenthümer Przemysl, Trembowla, Belzk, in der vorerwähnten Ossoliński’schen Zeitschrift abgedruckt standen; ferner ein historisch-statistisch-geographisches Lexikon des Königreichs Galizien, in drei Bänden, dessen erster Band später in der Wochenbeilage der Lemberger Zeitung abgedruckt erschien. S. hatte die Absicht, das ganze Königreich Polen in gleicher Weise zu bearbeiten und herauszugeben; auch trug er sich mit dem Gedanken eines Lexikons denkwürdiger Polen aller Zeiten und hatte zu diesem Behufe auch ansehnliche Materialien gesammelt. S. war ein Mann der Arbeit. Er hatte die Wandlungen seines Vaterlandes miterlebt; er kannte genau die Gebrechen, an denen seine Nation litt. Sein Wissen war umfangreich, mannigfaltig; es ermöglichte ihm in so traurigen Zeiten, als er sie durchgemacht, seinem Volke in positiver Weise nützlich zu sein, indem er die verborgenen Schätze seiner Geschichte an’s Licht zog und in Schriften, die lange ihren Werth behalten werden, bearbeitete.

Chodynicki (Ignacy), Dykcyonarž uczonych Polaków etc., d. i. Lexikon der gelehrten Polen (Lemberg 1833, 8°.) Bd. III, S. 98 u. f. – Encyklopedija powszechna, d. i. Allgemeine (polnische) Encyklopädie (Warschau 1866, S. Orgelbrand, gr. 8°.) Bd. XXIII, S. 381. – Rycharski (Lucian Tomasz), Literatura polska w historyczno-krytycznym zarisie, d. i. Die polnische Literatur im historisch-kritischen Grundriß (Krakau 1868, Himmelblau, gr. 8°.) Bd. I, S. 48; Bd. II, S. 3, 75, 76 und 370. – Wóycicki (K. Wl.), Historyja literatury polskiej w zarysach, d. i. Geschichte der polnischen Literatur in Umrissen (Warschau 1845, Sennewald, gr. 8°.) Bd. III, S. 298. – Nehring (Władysław), Kurs literatury polskiéj, d. i. Cursus der polnischen Literatur (Posen 1866, Żupański, 8°.) S. 263.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: kaledarzyk.