BLKÖ:Senac de Meilhan, Gabriel

Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Band: 34 (1877), ab Seite: 100. (Quelle)
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Senac de Meilhan, Gabriel (Schriftsteller, geb. zu Paris im Jahre 1736, gest. zu Wien 16. August 1803). Der unten in den Quellen mitgetheilte Nekrolog bezeichnet ihn als einen natürlichen Sohn des durch sein Werk über die Herzkrankheiten berühmten Leibarztes Ludwig’s XV. Johann Bapt. Senac und einer Herzogin. Aber schon zwei Monate später wurde in ziemlich heftiger Weise im nämlichen Wiener Blatte diese Nachricht widerrufen. Senac’s Jugend verfloß unter sehr günstigen, für seine künftige Lebensstellung förderlichen Umständen. Er wurde, nachdem er nach beendeten Studien die staatsamtliche Laufbahn eingeschlagen, früh Mitglied des großen Rathes, dann Maitre de requêtes und zuletzt Intendant der Provence und von Hennegaut. Auf diesem Posten verstand er es, durch seine Leistungen sowohl die Gunst seines Königs, als die Achtung der Bevölkerung zu gewinnen. Die Stadt Rochelle, deren Hafen verbessert zu haben, zumeist Senac’s Verdienst gewesen, ließ eine Medaille zu seinem Gedächtniß prägen und die Stadt Valenciennes, für welche er sich auch verdient gemacht, ehrte ihn dadurch, daß sie sein Bildniß durch Berwic[WS 1] stechen ließ. In der Folge wurde S. dem Grafen von Saint Germain unter dem Titel eines Intendant general de la guerre an die Seite gegeben, und nachdem Ormesson sich zurückgezogen, hieß es, Senac solle an die Spitze des Finanzwesens treten, was aber nicht geschah. Als die Revolution in Frankreich ausbrach und die Dinge daselbst eine Wendung nahmen, welche eine baldige Herstellung der Ordnung nicht mehr erwarten ließen, verließ auch S. im Jahre 1791 Frankreich, besuchte zunächst verschiedene Höfe, vielleicht mit dem Gedanken, an einem oder dem anderen eine entsprechende Stelle zu finden und kam um das Jahr 1792 nach Wien, wo er seither im freiwilligen Exil, in völliger Zurückgezogenheit, nur mit seinen Studien und wissenschaftlichen Arbeiten beschäftigt, lebte und erst durch sein Ableben die öffentliche Aufmerksamkeit auf sich zog, da man nun erfuhr, daß Wien über ein Jahrzehend hindurch einen nicht unverdienstlichen Schriftsteller des alten königl. Frankreich beherbergt habe. Die Titel von Senac’s Schriften sind: „Memoires d’Anne de Gonzague princesse Palatine“ (Londres et Paris 1786 et 1789, 8°.), das Werk erschien anfänglich anonym und erregte allgemein großes Aufsehen, welches sich steigerte, als man erkannte, man habe es hier mit einer geschickten Geschichtsfälschung zu thun; denn das waren nicht die Memoiren der Pfalzgräfin, sondern nur nachgeahmte, aber ganz im Geiste der Schreiberin und [101] ihrer Zeit verfaßte Denkwürdigkeiten, zu denen der Autor freilich Alles sorgfältig hervorgesucht, was darauf Bezug hatte, so daß das, was im Buche stand, die Pfalzgräfin in der That selbst hätte schreiben können; – „Considerations sur les richesses et le luxe“ (Paris 1787, Valade, 8°.); neue verbesserte und vermehrte Auflage (Amsterdam 1789, 8°.); ein geistvolles, gegen Necker und seine Ansichten gerichtetes Buch, dessen Endergebniß in dem Princip gipfelt: „Jede menschliche Gesellschaft beruht auf zwei Grundlagen: auf dem Bedürfniß des Bestehens und der Eigenliebe“; – „Considerations sur l’esprit et les moeurs“ (Paris 1788, Gastelier, 8°.); neue Auflage (Londres 1789,12°.); ein Buch im Geiste Duclos[WS 2] geschrieben, mit Darstellungen, worin S. seinem Vorbilde La Bruyère nahe kommt; – „Annales de Tacite, traduction nouvelle. livr. I et II“ (1790, 8°.); eine Uebersetzung nur des 1. und 2. Buches des berühmten römischen Geschichtschreibers; – „Les deux Cousins, histoire veritable“ (Paris 1790, Deseune, 8°.), ein Roman im Geschmacke des Voltaire’schen „Zadig“; – „Des principes et des causes de la revolution en France“ (Londres et Paris 1790; St. Petersburg 1791, 8°.); – „Mélanges de philosophie et de litterature“ (Brunswick 1789, kl. 8°.); – „Lettre a Mme. de ***“ (Paris 1792, 8°.); der erste Bericht Senac’s über seine Begegnung mit der Kaiserin Katharina II.; – „L’Émigré, roman historique“ 4 vol. (Hambourg 1787, 12“.). Eine Sammlung der vorgenannten Schriften mit Beigabe manches noch Ungedruckten erschien unter dem Titel: „Oeuvres philosophiques et litteraires“ 2 vol. (Hambourg 1795, B. G. Hoffmann 8°.). Diese beiden Bände enthalten die schon erwähnten Betrachtungen über Geist und Sitten, die philosophischen und literarischen Miscellen, ferner die Porträte einiger berühmter Persönlichkeiten Frankreichs, Dialoge über die Zahl 10, vier Briefe, darunter einer an Klopstock, ein zweiter an Potemkin einen Aufsatz über die eiserne Maske, und endlich das Pikanteste von Allen: eine Vergleichung des h. Petrus von Rom mit Katharina II. (!), welche ganz ernsthaft gehaltene und eben deßhalb grotesk-komische und bizarre Parallele zu einer Zeit erschien, da die Kaiserin noch lebte. Einige Jahre nach seinem Tode gab der Herzog von Levis das Werk Senac’s: „Portraits et Caracteres des Personages distingués de la fin du XVIII. siècle suivis de pièces sur l’histoire et la politique“ (Paris 1803, J. G. Deuta, 8°.) heraus, welches er mit Nachrichten über Senac’s Leben und Werke einleitete. Man will auch wissen, daß Senac ganz im Geiste des sittenlosen Frankreich von 1789 die Literatur der Priapeja[WS 3] mit einem mehrmals nachgedruckten Beitrag bereichert habe, welcher sich „La F. .... manie“ (Sardanapolis 1775, 8°.) betitelt; wenigstens schreibt Herr von Salgues in einer Note des dritten Bandes der zweiten Abtheilung der Correspondenz des Baron Grimm[WS 4] die Autorschaft dieser obscönen Schrift Herrn Senac zu. Wie schon bemerkt, hatte Senac, ehe er Wien zum bleibenden Aufenthalt seines freiwilligen oder mit Rücksicht auf die Revolution, der er aus dem Wege ging, unfreiwilligen Exils gewählt, eine Art Rundreise an verschiedenen Höfen des Continents gemacht und sich bald kürzer, bald länger in Deutschland, Rußland, Polen, Venedig aufgehalten und an den Höfen des Herzogs von Braunschweig, [102] Friedrich Wilhelms Königs von Preußen, des Prinzen Heinrich von Preußen zu Rheinsberg, des Königs Stanislaus August von Polen und der Kaiserin Katharina II. von Rußland verweilt, wo ihm überall eine huldvolle Aufnahme zu Theil wurde. Die Kaiserin Katharina trug sich sogar mit der Absicht, ihre eigene Regierungsgeschichte von Senac schreiben zu lassen, unterhielt mit ihm dieser halb einen eigenhändigen und dauernden Briefwechsel und gab ihm auch eine Pension von 6000 Rubeln, welche S. bis zu ihrem Ableben (9. Nov. 1796) bezog. Senac war während seines Aufenthaltes in Wien nicht unthätig geblieben und hatte eine beträchtliche Anzahl Manuscripte hinterlassen, welche sämmtlich in den Besitz eines Abbé Kintzinger in Wien gelangten und woraus der Herzog von Levis einen Theil, die obgenannten „Portraits et Caractères etc.“ veröffentlichte. Ob Kentzinger ein Wiener oder aber auch ein Emigrant gewesen, ist nicht bekannt. Ein Kentzinger ist aus Elsaß gebürtig und hat in den Jahren 1818–1824 mehrere Schriften über den Elsaß und namentlich über Straßburg in französischer Sprache herausgegeben; ein Anderer und wahrscheinlich der mit Senac befreundete, hat Kotzebue’s Schauspiel „Octavie“ in’s Französische übersetzt.

Annalen der Literatur und Kunst in den österreichischen Staaten (Wien, 4°.) 1803, Intelligenz-Blatt des Monats November, Nr. 32, Sp. 252: „Nekrolog“ von Marialla; – Dieselben 1804, Intelligenzblatt des Monats Jänner, Nr. 1, Sp. 6: „Berichtigung“. – Craufurd (Quentin), Essais sur la litterature francaise ecrits pour l’usage d’une dame etrangere (Paris 1803, 4°, oder Paris 1815, 8°.).
Porträt. Gemalt von Duplessis[WS 5], gest. von Bervic.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Charles Clément Balvay (Wikipedia französisch).
  2. Charles Pinot Duclos (Wikipedia).
  3. Priapea (Wikipedia).
  4. Friedrich Melchior Grimm (Wikipedia).
  5. Joseph Siffred Duplessis (Wikipedia französisch).