Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Scholz, Benjamin
Band: 31 (1876), ab Seite: 206. (Quelle)
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Scholl, Nikolaus (Compositeur des „Rakoczy-Marsches“, Geburtsjahr unbekannt, gest. zu Pesth um das Jahr 1845). Ist ein Sohn des Flöten-Virtuosen Karl H. N. Scholl, dessen Lebensskizze S. 205[WS 1] mitgetheilt wurde. Nikolaus erhielt seine musikalische Ausbildung von seinem Vater und widmete sich gleich diesem ausschließlich der Musik. Durch sein ungewöhnlich schönes Clarinettspiel erweckte er allgemeine Bewunderung. In der Folge wurde Nikolaus Scholl Capellmeister des Infanterie-Regiments Nikolaus Fürst Eßterházy und stand als solcher in der Musikwelt in nicht geringem Ansehen. Die Musikbande des Regiments, welche durch die Munificenz des Fürsten glänzend equipirt war, war von Scholl musterhaft eingeschult und genoß ihrer Trefflichkeit wegen in der Armee einen ausgezeichneten Ruf. Scholl, mit Leib und Seele Musiker, war auf seine Leute selbst nicht wenig stolz, und seine Verdienste um die unter seiner Leitung gestellte Musikbande fanden auch im Regimente und sonst Anerkennung. S. wurde sogar vom Regimente mit einer kleinen Pension bedacht, ein Fall, der bei Militär-Capellmeistern früher sehr selten vorkam. Seine letzten Lebensjahre brachte er in Pesth zu, wo er zu Anfang der Vierziger-Jahre in seiner Wohnung vom Schlage gerührt und als Leiche gefunden wurde. Daß Nikolaus Scholl auch componirt und endlich, daß er und kein Anderer der Verfasser des berühmten Rakoczy-Marsches (nicht Rakoczy-Liedes) ist, erhellt aus folgender, bei Mechetti in Wien erschienenen Composition: „Beliebter Marsch für das löbliche k. k. Linien-Infanterie-Regiment Fürst Eszterházy, von dessen Capellmeister componirt und für das Pianoforte zu vier Händen eingerichtet von Fr. Edl. v. Derret“, und dieser „beliebte Marsch“, von dessen Clavier-Ausgabe sich noch im Jahre 1862 ein Exemplar im Besitze des Herrn Engesser, Professors am Pesther Conservatorium, befand, ist eben der „Rakoczy-Marsch“. Im „Verzeichniß des Musik- und Kunst-Verlags von Pietro Mechetti q(uondam) Carlo kais. königl. Hof-, Kunst- und Musikalienhandlung in Wien. 1846“ (Lex. 8°.) erscheint auf S. 20, unter den „Marches pour le Piano à quatre mains“, der Marsch mit dem Namen des Compositeurs Scholl auch thatsächlich angeführt. Nun hat sich über diesen Marsch und seinen Compositeur in den Sechziger-Jahren eine nicht unbedeutende Controverse erhoben. Der Marsch selbst hat seine eigene Geschichte, denn er ist in Erwägung der heftigen Aufregungen, die der feurige Strom seiner Melodien in den Gemüthern hervorruft, von der Regierung bald verboten, bald wieder erlaubt worden. Seines Compositeurs wurde lange nicht gedacht, da die Composition sich wie ein Volkslied allgemein verbreitet hat und dessen Autor, nachdem eben die Composition Eigenthum der Welt geworden, weiter gar nicht in Betracht kam. Endlich tauchte denn doch die Frage auf, wer der Autor des Marsches sei? Um Wiederholungen zu vermeiden, sei auf die Biographie des Compositeurs Wenzel Ruziczka [Bd. XXVII, S. 319] hingewiesen, wo dieser Gegenstand ausführlicher erwähnt wird. Hier werde nur das den Capellmeister Scholl Betreffende und die Tradition mitgetheilt, die ihn als Compositeur des Liedes bezeichnet, zu dessen Autorschaft er sich auf dem Titel selbst bekennt. Als um das Jahr 1809 Oesterreich von Napoleon I. hart bedrängt, in Ungarn die Insurrection aufrief, da zogen die Werber Tag und Nacht, begleitet [207] von einer trefflichen Zigeunermusik, unter der Leitung des berühmten Bihari [Bd. I, S. 394] durch die Straßen, um die kampflustigen Söhne des Landes unter die Fahnen zu rufen. Bei diesen Querzügen hat Bihari sehr oft unter seinen anderen ungarischen Weisen die Rakoczy-Nota gespielt, ein aus den Tagen des Rakoczy stammendes Lied, welche bei der heißblütigen Jugend immer wieder einen förmlichen Sturm von Eljens hervorrief. Als Scholl in späteren Jahren diese Rakoczy-Nota spielen hörte, meinte er, daß ein darauf gesetzter Marsch auf den Soldaten von hinreißender Wirkung sein müßte, und componirte einen solchen. Die Composition war ihm glänzend gelungen, denn kein anderer berühmter Marsch, wie z. B. der Dessauer-Marsch, der Radetzky-Marsch u. a., hat einen solchen Erfolg gehabt, wie der Rakoczy-Marsch Scholl’s. Dabei ist zu bemerken, daß nicht der ganze Marsch streng dem Liede Rakoczy’s entlehnt, sondern daß gerade das so hinreißende Trio zum größten Theile Scholl’s eigene Composition sei. Er war dabei vorzugsweise darauf bedacht, einem Mitgliede seiner Bande, welches das Posthorn mit ungewöhnlicher Virtuosität behandelte, die gehörige Berücksichtigung zu Theil werden zu lassen. Ungeachtet dessen ist das erwähnte Trio dem Ganzen so geschickt angepaßt, daß es nicht im Geringsten störend auf den musikalischen Hörer zu wirken vermag. Als die starke Musikbande des Regiments Eßterházy zum ersten Male in Pesth diesen Marsch aufspielte, da konnte man durch die Straßen, wo die Bande marschirte, buchstäblich nicht durchkommen und ein fortwährendes Bravo, Vivat, Eljen erscholl aus den dichtgeballten Schaaren der unübersehbaren begeisterten Menschenmenge. Um natürlich jeder weiteren Controverse in dieser Angelegenheit die Feder abzuschneiden, sei nochmals ausdrücklich betont, daß es sich hier nur um den Marsch und nicht um das Lied (die sogenannte Rakoczy-Nota) handelt, dessen Entstehung bis in die Zeiten Rakoczy’s zurückreicht. Und eben auch der Marsch und nicht das Lied war es, der sich behördlicher Aufmerksamkeit zu erfreuen hatte, denn die ungarische Revolution der Jahre 1848/49 wurde ja förmlich nach den Tönen des Rakoczy-Marsches abgespielt, der in Folge dessen später verboten und, als Alles wieder in Ordnung war, nach geraumer Zeit wieder erlaubt wurde. Diese Mittheilungen über Scholl und seinen Marsch stammen aus dem Munde des Regenschori der städtischen Haupt-Pfarrkirche in Pesth, Franz Bräuer.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: S. 204