Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Band: 30 (1875), ab Seite: 282. (Quelle)
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76. Schmid, Karl (k. k. Hof-Opernsänger, geb. zu Aarau in der Schweiz im Jahre 1825, gest. zu Wien in der Nacht vom 25. April 1873). Er erscheint bald Schmid, bald Schmidt geschrieben; erstere Schreibung, wie sie das Facsimile seines Namenszuges auf seinem Bildnisse von Dauthage weist, ist die richtige. Er war der Sohn eines schweizerischen Pastors. In seinem Vaterlande, der Schweiz, beendigte er die Vorbereitungsstudien, und bei seiner Neigung zum ärztlichen Berufe bezog er gegen Ende der Vierziger-Jahre die Prager Hochschule, deren medicinischer Ruhm eben damals im Zenith war. Unter Männern wie Hyrtl, Oppolzer u. A. vollendete S. seine medicinischen Studien und erlangte den Doctorgrad. Er sollte aber nicht in die Lage kommen, eine eigene ärztliche Praxis auszuüben, und daran war seine Prachtstimme Schuld, die, wenn er sang, Alles entzückte, so daß er von allen Seiten aufgefordert wurde, einen solchen Schatz, wie er ihn in seiner Stimme besaß, doch nicht verkümmern zu lassen und der Bühne sich zuzuwenden. Dazu kam dem Besitzer dieser herrlichen Baßstimme noch eine prächtige Gestalt zu Statten. S. ließ sich das Alles nicht vergeblich gesagt sein, gab dem Drängen seiner Freunde nach, insbesondere war das Zusammentreffen mit dem Gesangs-Veteranen Draxler für Schmid’s Entschluß entscheidend, und so betrat er als Sarastro in Mozart’s „Zauberflöte“ zum ersten Male die Bretter. Der Erfolg war, wie man erwartet hatte, ein glänzender. Die herrliche Stimme machte die Mängel in der noch unbeholfenen Darstellung, die ja durch Uebung und Studium leicht zu beseitigen waren, vergessen, Schmid war für die Bühne gewonnen. Er sagte nun der Medicin Lebewohl und widmete sich ausschließlich der Kunst. Bald war Dr. Schmid ein Liebling des Prager Publicums, das ihm, dem feinen und wissenschaftlich gebildeten Künstler, seine ersten Kreise eröffnete. Im Jahre 1855 erhielt S. den Ruf zu einem Gastspiele an der Wiener Hofbühne, dem er auch Folge leistete. Schon sein erstes Auftreten in der Rolle des Sarastro, am 8. Juli 1855, hatte sofort sein Engagement zur Folge. Seit dieser Zeit gehörte S. ununterbrochen der Wiener Hofbühne an, die ihm eine Reihe der herrlichsten Gesangsleistungen in den Baßpartien der meisten Opern – sein Repertoir umfaßte an 30 Rollen – die in dieser Zeit zur Aufführung kamen, verdankte. Seine Glanzleistungen waren der Cardinal in der „Jüdin“, Orovist in „Norma“ und Bertram in „Robert“. In den großen heroischen und romantischen Opern, wo seine kräftige, wie Metall klingende Stimme, deren Umfang vom tiefen E – wohl auch D – bis zum eingestrichenen F in gut ausgeglichenen Registern reichte, von wunderbarer Wirkung war, befand sich S. ganz an seinem Platze. Der leichteren Spieloper, welche seiner Individualität weniger zusagte, hielt er sich ferne. Zu den Triumphen, die er in der Kunst feierte, gesellten sich noch die Freuden eines glücklichen Familienlebens. Aber das war nicht von Dauer. Im Jahre 1866 entriß ihm der Tod seine geliebte Gattin. Seit dieser Zeit hörte S.’s geregelte Lebensweise auf, sein Lebensmuth, seine Freude waren geschwunden. Dazu gesellte sich noch im Jahre 1868 ein schwerer Jagdunfall. Durch die Unvorsichtigkeit eines Jägers wurde S. auf einer Jagd angeschossen und an vier Stellen verwundet. Von den Folgen dieser Verwundung, die äußerlich wohl behoben schien, konnte sich S. doch nicht [283] mehr ganz erholen. Zu seinem Nachtheile gereichte ihm hier seine medicinische Wissenschaft, in welcher auch als Sänger fortzudilettiren er nie ganz unterlassen konnte. So wurde er bald das Prototyp des „eingebildeten Kranken“, jeden Tag entdeckte er ein neues schweres Leiden an sich und curirte sich selbst mit den energischesten Mitteln. Er ging, wie einer seiner Nekrologe berichtet, wahrhaft grausam mit seiner Person um, und die Methode, mit subcutanen Injectionen seine gesunkenen Lebensgeister zu erfrischen, trieb er in einer an Exceß streifenden Weise. Der einst so starke Mann war endlich so nervös geworden, daß er kaum mehr die Aufregung des Singens ertragen konnte; endlich in den letzten Monaten war sein Nervensystem bereits vollends zerrüttet, unter solchen Umständen nahte ihm der Tod nur noch als Erlöser. Im Alter von erst 48 Jahren raffte ihn der Tod dahin. Die allgemeine Theilnahme, die sich bei seiner Bestattung kundgab, bezeugte die Achtung, in welcher der Verstorbene gestanden. Im Nachrufe, welchen der Superintendent Franz dem früh Dahingegangenen widmete, lautet eine Stelle: „Wir müssen in dem Verstorbenen den Menschen und Mann, den Vater und Sohn, den Freund und Collegen betrauern. Der Tod raffte ihn dahin in der Vollkraft seiner Jahre, im schönsten Mannesalter. Er bekleidete keine Stelle im Staats- oder Hofdienste, er war kein Krieger, der an der Spitze seiner Truppen siegreich in die Heimat zurückkehrte, sondern er war ein Vorkämpfer des Schönen und das Schöne steht wohl über dem Nützlichen“. S. ruht an der Seite seiner Gattin, welche ihm acht Jahre im Tode vorangegangen, auf dem evangelischen Friedhofe in Matzleinsdorf. Aus seiner Ehe blieb ein früh verwaistes Mädchen, Fanny, zurück.

Breslauer Anzeiger 1855, Nr. 4: „Aus Wien ddo. 3. Jänner 1855“. – Der Bund (Berner Localblatt) 1856, Nr. 302: Kunstnotiz. – Fremden-Blatt. Von Gustav Heine (Wien, 4°.) 1869, Nr. 196, in den „Kunstnotizen“. – Neue freie Presse (Wiener polit. Blatt) Nr. vom 28. April 1873: „S.’s Leichenbegängniß“. – Neue illustrirte Zeitung. Oesterreichisches Familienblatt. Redigirt von Johannes Nordmann (Wien, Fol.) I. Bd. 1873, Nr. 18, S. 2: „Dr. Carl Schmid“.– Neues Wiener Tagblatt 1868, Nr. 334: „S.’s Jagdunfall“. – Porträte. 1) Facsimile des Namenszuges: Dr. Schmid, darunter: k. k. Hof-Opernsänger. Dauthage 1857 (lith.), gedr. bei Jos. Stoufs, Wien (Fol.); – 2) Unterschrift: Dor Carl Schmid, k. k. Hofopern-Sänger. Eduard Kaiser 1857 (lith., Fol.); – 3) Aufschrift: Dr. Carl Schmidt (sic) k. k. Hofopernsänger. In der Beilage zu Nr. 18, 1873, der „Bombe“. Fol., von Hencz; – 4) Aufschrift: Dr. Carl Schmid. Von W. Breidschwert, in Nr. 23 (7), 1873, der Illustrirten politischen Blätter des „Floh“; – 5) Holzschnitt von Rusz in Nordmann’s , Neuer illustr. Zeitung 1873, Nr. 18.