BLKÖ:Schlucker, Philipp

Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Band: 30 (1875), ab Seite: 148. (Quelle)
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Schlucker, Philipp (Baumeister, geb. zu Aland in Oesterreich unter der Enns im Jahre 1747, gest. 9. Apri 1820). Keine Chronik, keine Kunstgeschichte bewahrt diesen Namen, den nur das Verzeichniß der Architekten, welches Patuzzi in dem in den Quellen bezeichneten Werke bietet, enthält, aber an diesen Namen knüpft sich eine historische Reminiscenz, wenn auch geringfügiger Art, die aber mindestens ebenso gut erhalten zu werden verdient, wie manche große, ach, nicht alles Große ist ja wirklich groß. Alland, auch mit einem l Aland, geschrieben, ist ein uraltes Pfarrdorf, in der Nähe und auf dem Wege von Baden über Heiligenkreuz, zwischen Preinsfeld und Groisbach, gelegen. Ein reizender Ort, den die Cultur noch nicht beleckt und dessen Abgeschiedenheit ihm noch lange alle Reize einer herrlichen Natur bewahren dürften. Um Aland ranken Sage und Geschichte ihre Epheugewinde, erstere, wie der Grabstein in der Pfarrkirche deutet, der eine auf dem Rücken liegende hundeähnliche Gestalt mit einem Kreuze auf dem Bauche uns zeigt; letztere, da Aland der Geburtsort des von weiblicher Seite letzten Babenberger’s, jenes unglücklichen Friedrich, ist, der zu Neapel mit dem letzten Hohenstaufen enthauptet wurde (geb. 1249, gest.1269). Philipp Schlucker war in Aland geboren, der Sohn eines mittellosen Waldbauern. Bei seiner vorherrschenden Neigung zum Bauhandwerk entschloß er sich, um derselben zu genügen, Maurer zu werden und arbeitete bis 1782 als Maurergeselle. Wie weit er über das Handwerksmäßige hinausgekommen, ist nicht bekannt, gewiß aber ist es, daß er es bald heraus hatte, es gebe nicht blos Juden, die mit dem Gelde wuchern, sondern auch andere Juden, die mit Allem und Jedem wuchern, und das sind die schlimmsten, wie z. B. die Baujuden, die nicht mit hundert, sondern mit Tausend Percent arbeiten. Im Jahre 1782 wurde die Umzäunung des k. k. Thiergartens ausgeschrieben. Der Thiergarten, welcher nächst Wien, inneralb der Ortschaften St. Veit, Hüttelorf, Weidlingau, Paunzen, Kalksburg, Mauer und Hetzendorf gelegen ist, ist auf Befehl des Kaisers Joseph II. um das den Ländereien schädliche Schwarzwild von den bäuerlichen Ansiedlungen fern zu halten, mit einer Mauer eingeschlossen worden. Diese ist 13.000 Klafter (etwa 3 Meilen) lang, 1½ Schuh dick und im Durchschnitte 7 Schuh hoch. Als Philipp Schlucker, damals noch Maurergeselle, von der Ausschreibung [149] hörte, ließ er eine Offerte aufsetzen, in der er die Klafter mit 2 Gulden anbot, während von den Concurrenten keiner den Preis unter 12 Gulden angesetzt hatte. Kaiser Joseph, der dieß auffallende Angebot selbst gelesen, ließ S. vor sich erscheinen. Der Maurergeselle kam in seiner Waldbauerntracht, in der Jacke von Manchester, mit rothem Brustfleck und in blauen Strümpfen zu Hof. Auf die Frage des Kaisers antwortete er mit offener Treuherzigkeit, und die erstaunliche Billigkeit seiner Offerte erklärte er damit, daß er nichts weiter als einen langdauernden regelmäßigen Tagelohn – eine feste Arbeit suche, und höchstens noch den Vortheil, seine Freunde durch Ziegelzuführen u. s. w. etwas verdienen zu lassen. Durch dieses offene, biedere Benehmen und da er überdieß sein Geschäft vollkommen verstand, nahm der Kaiser seinen Antrag an und legte ihm selbst per Klafter 30 kr. zu. Noch im nämlichen Jahre, 1782, begann Schlucker den Bau und vollendete ihn in fünf Jahren, 1787. Die Zufriedenheit des Kaisers über die in jeder Hinsicht correcte Ausführung war so groß, daß er nach Vollendung des Ganzen dem Gesellen Schlucker, der bis dahin in Wahrheit ein armer Schlucker war, die Stelle eines Waldamts-Baumeisters verlieh und ihm den Platz schenkte, auf welchem sich noch heute das Bergwirthshaus zu Aland befindet. Zuweilen kam der Kaiser selbst zu seinem Waldamts-Baumeister und hielt dort seinen Mittagstisch. Schlucker starb 1820 im Alter von 72 Jahren. Noch befindet sich in Aland ein kleines Häuschen, das sich der Natur-Baumeister Schlucker ganz nach eigenem Plane und unter seiner ausschließlichen Leitung erbaut hatte, und zwar zu keinem anderen Zwecke, als um in müssigen Stunden eine Beschäftigung zu haben, an der er sein nicht zur Entfaltung gekommenes Talent zur Selbstgenugthuung erproben konnte. Seit einigen Jahren und vielleicht noch ist Schlucker’s Enkel, der Sohn seiner Tochter, Eigenthümer des Bergwirthshauses und gleich seinem Großvater Gastgeber und Baumeister in einer Person. Ein Abkömmlung Schlucker’s, der seinen Namen trägt, lebt nicht mehr. Eine Zeichnung der Ringmauer des Thiergartens aus jener Zeit, da Schlucker sie gebaut, befindet sich noch heute in der Gaststube. Die Thiergartenmauer, die unter anderen Umständen mindestens 156 bis 160.000 fl. gekostet haben würde, wurde durch die Ehrlichkeit Schlucker’s um die geringe Summe von 32.500 fl. fertig gebaut.

Patuzzi (Alexander). Geschichte Oesterreichs (Wien, Wenedikt, Lex. 8°.) Bd. II, S. 232.