Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Schez, Peter
Band: 29 (1875), ab Seite: 250. (Quelle)
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Scheyrer, Ludwig (Schriftsteller, geb. zu Wien 25. November 1811, gest. ebenda 10. August 1874). Sohn eines Kaufmanns, besuchte das Gymnasium und die philosophische Facultät in Wien und widmete sich dem Studium der Medicin, welches er jedoch bald aufgab, worauf er im Jahre 1830 bei der k. k. Staatsbuchhaltung in den Staatsdienst trat. Im Jahre 1867 wurde er als Rechnungs-Official der k. k. Domänen- und Gefällen-Hofbuchhaltung in den Ruhestand versetzt. Frühzeitig, schon als Student, veröffentlichte er Gedichte und Novellen in den damals sehr beliebten Wiener Journalen „Der Sammler“ und „Der Wanderer“ und in Taschenbüchern und Almanachen. Eine größere Arbeit veröffentlichte er im Jahre 1844, in welchem sein zweibändiger Roman: „Die Waise“ (Wien, Kaulfuß u. Prandel) erschien. Diesem folgte im Jahre 1851 eine Biographie des alten Walzerheros Joh. Strauß unter dem Titel: „Johann Strauss musikalische Wanderung durch das Leben“ (Wien, kl. 8°.). Nach längerer Pause trat er nun mit seinem verhältnißmäßig besten Werke auf, betitelt: „Die Schriftsteller Oesterreichs in Reim und Prosa auf dem Gebiete der schönen Literatur; aus der ältesten bis auf die neueste Zeit“ (Wien 1858, typ.-liter.-artist. Anstalt, 8°.), das den ersten Band des „Oesterreichischen Hausschatzes“ bildet und wofür S. mit der goldenen Medaille für Wissenschaft ausgezeichnet wurde. Neben diesen selbstständig erschienenen Arbeiten veröffentlichte er fleißig historische und Dorfnovellen, Balladen und lyrische Gedichte, Skizzen und Schilderungen aus dem Wiener Leben, die in den verschiedensten Journalen, Almanachen, Volkskalendern und periodischen belletristischen Unternehmungen zerstreut abgedruckt stehen. [251] Einen kleinen Theil seiner zahlreichen Novellen gab er gesammelt für die reifere Jugend unter dem Titel: „Farbige Bilder“ (Wien 1862, Mechitaristen, kl. 8°.) heraus. Anläßlich des großartigen, in Wien im Sommer 1868 abgehaltenen Schützenfestes schrieb S. das Büchlein: „Zur Geschichte des Wiener Schützenwesens und der Schützenfeste alter und neuer Zeit“ (Wien, Klemm, 8°.). Von mehreren historischen dramatischen Arbeiten, die er im Pulte liegen hatte, hat er die historische Tragödie, betitelt: „Antonia Perez“, im Jahre 1872 als Manuscript durch den Druck veröffentlicht; es ist dieß eine Arbeit, die trotz ihrer Mängel und Gebrechen dramatische Mache und Talent verräth. Haben sich doch an dem spröden Stoffe begabtere Poeten ohne Glück versucht. So hatte, wenn ich nicht irre, Gutzkow diesen Stoff gewählt und dann auch unser Bauernfeld denselben dramatisch: „Im Dienste des Königs“, bearbeitet, aber das Mitte Februar 1875 im Wiener Stadttheater aufgeführte Drama hatte keinen Erfolg. In der letzten Zeit beschäftigte sich S. mit Sammlung und Sichtung seiner in Almanachen, Journalen, Volkskalendern und fliegenden Blättern zerstreuten lyrischen und epischen Dichtungen, über welcher Arbeit ihn der Tod überraschte. In früheren Jahren schrieb er unter dem Pseudonym Viola. S. zählt zu einer Gattung österreichischer Schriftsteller, welche, aus der vormärzlichen Zeit überkommen, täglich seltener wird, In seinem ganzen Wesen ehrlich, brav, unablässig thätig, hielt er leider Alles, was er schrieb, für druckreif, weil er bei der Freude, sich nur wieder gedruckt zu sehen, den materiellen manco gern verschmerzte. Er reimte, aber er dichtete nicht, er schrieb Novellen, die sich von der nüchternsten Ammengeschichte wenig unterschieden; aber er war fleißig wie eine Biene, leider war ihm nie eingefallen, sich auf’s Sammeln von irgend etwas zu verlegen, wo er eben seines Fleißes wegen dauernd Ersprießliches hätte leisten können. Der Tod seines schon erwachsenen Sohnes hatte ihn tief erschüttert und mag mit Ursache an seinem unerwartet raschen Hingange gewesen sein.

Allgemeine Zeitung (Augsburg, Cotta, 4°.) 1874, Nr. 228, 16. August, in der Rubrik: „Todesfälle“. – Neues Wiener Abendblatt, Nr. 220 vom 12. August 1874. [Am Schlusse dieses Nekrologes heißt es: „In den letzten Jahren traf den armen Dulder noch viel Ungemach, das schwerste wohl, als ihm sein einziger Sohn, ein Jüngling voll Begabung und die gehoffte Stütze seines Alters, starb. Seit jenem Unglückstage begrub sich der rasch grau gewordene Mann förmlich zwischen Büchern, deren Studium ihm der letzte Trost in seinem freudenlosen Dasein geworden und bis an sein Lebensende geblieben. In dieser Stimmung vernachlässigte er auch den früher gern gepflegten Umgang mit Männern aus den Kreisen der Literatur, Kunst und des Theaters und war der Verdüsterte nur mehr zwischen den Quartanten und Folianten der Hofbibliothek zu finden. Ein hochachtbarer, verläßlicher Charakter, hinterläßt er zahlreiche, ihm treu gebliebene Freunde und – keinen einzigen Feind. Daß ein Mann von Scheyrer’s Begabung, Willen und geistiger Thatkraft durch Decennien in subalternsten und geisttödtendsten Bureauverhältnissen verwelken und verkümmern mußte, gehört eben zu unseren vaterländischen – Eigenthümlichkeiten. Das „graue Haus“ auf dem alten Fleischmarkte hat wohl schon manches schöne Talent mit Actenstaub erstickt – wer schreibt die Mysterien dieses finsteren, sagenreichen Gebäudes?“]