Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Band: 24 (1872), ab Seite: 355. (Quelle)
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Rapaport, Jacob (Arzt, geb. zu Umain in der Ukraine im Jahre 1775, gest. zu Lemberg in Galizien 1. April 1855). Erscheint bald mit einem, bald mit zwei p (Rapaport und Rappaport) geschrieben. Sein Vater war Rabbiner und genoß als solcher einen ausgezeichneten Ruf. Der Sohn erhielt den ersten Unterricht in einer cabalistisch-talmudischen Schule und machte auf dem ziemlich nutz- und fruchtlosen Gebiete talmudischer Gelehrsamkeit große Fortschritte, nur sein eigener, vorwärtsstrebender und von der Buchstabentüftelei des Talmudismus wenig Heil erwartender Geist wendete sich bald reelleren Studien und zunächst jenem der Sprachen zu. Im Alter von 15 Jahren begann er das Studium der deutschen, lateinischen und polnischen Sprache, und machte innerhalb zwei Jahren darin solche Fortschritte, daß er die besten Schriftsteller in den genannten drei Sprachen mit vollem Verständnis zu lesen im Stande war. Um das Jahr 1790, bei Ausbruch des polnisch-russischen Krieges, flüchteten sich die Eltern nach Galizien und R. kam nach Lemberg, wo er die philosophischen Studien mit bestem Erfolge beendete und dann bei seiner Vorliebe für die Naturwissenschaft sich dem Studium der Medicin zuwendete. Im Jahre 1804 erlangte er daraus die Doctorwürde und widmete sich sofort der Praxis, in welche ihn sein Gönner und nachmaliger Freund Professor Valentin v. Hildenbrand [Bd. IX, S. 14], der den strebsamen jungen Mann bereits zur Zeit, als er sein Schüler war, liebgewonnen hatte, einführte. Bald erwarb sich R. in seiner Sphäre einen so ausgezeichneten Ruf, daß Alles in Lemberg nur von ihm behandelt sein wollte und seine eigenen Lehrer ihn zu ihren ärztlichen Berathungen zuzogen. Aus allen Ständen, aus Galizien und den Nachbarländern, oft aus weiter Ferne strömten die Kranken herbei, um seiner Kunst sich anzuvertrauen. Aber nicht bloß seine Geschicklichkeit war es, die ihn so beliebt und gesucht machte, sondern auch seine Bescheidenheit und Gelehrsamkeit in dem von ihm ausgeübten Fache, seine Humanität und Uneigennützigkeit, seine Klugheit, ohne falsch zu sein, sein gefühlvolles Herz, ohne von Schwäche sich hinreißen zu lassen, endlich seine Gottesfurcht, die jedoch weit entfernt von jeder Frömmelei war. Obgleich von allen Seiten seine Hilfe gesucht und er Tag und Nacht den anstrengenden Dienst seines Berufes ohne Unterschied gegen Arme und Reiche, erstere oft aus seinen Mitteln unterstützend, übte, so übernahm er noch in gefährlichen Perioden, wenn Epidemien herrschten, unentgeltlich den Dienst in öffentlichen Spitälern. Dabei war er seinen in jener Zeit unter einem der Menschheit unwürdigen Drucke leidenden Glaubensbrüdern nicht nur ein stets freigebiger Helfer in der Noth, sondern ein leuchtendes Vorbild, der ihnen durch sein Beispiel den so segensreichen und fruchtbringenden Impuls gab zur Erlernung nützlicher Kenntnisse und Wissenschaften; aus eigenen Mitteln beisteuerte, um die Verbesserung ihrer physischen Erziehung zu befördern; in hebräischer und deutscher Sprache eine Belehrung über die Vaccination schrieb, gegen welche eben das Vorurtheil unter seinem Volke auf das Hartnäckigste ankämpfte; und endlich durch sein Ansehen und seinen in allen Schichten der bürgerlichen Gesellschaft herrschenden [356] Einfluß nicht wenig dazu beitrug, sein Volk einigermaßen aus der Erniedrigung zu heben, in welcher es durch den Fluch eines Jahrtausend alten Vorurtheils gesunken war. Dabei bewahrte er eine treue Anhänglichkeit an sein zweites Vaterland, brachte bei allgemeinen Calamitäten große Opfer und lehnte die vortheilhaftesten Anträge zu öffentlichen und Privatdiensten, die ihm Zeit seines Lebens von verschiedenen Seiten gemacht worden, aus Liebe zu seiner Heimat ab. Als Schriftsteller zu wirken, obwohl ihn seine tiefe Gelehrsamkeit im eigenen Fache und seine ausgebreiteten Kenntnisse in den Gebieten der Geschichte, Philosophie und schönen Literatur vollkommen dazu befähigten, war ihm unter den oberwähnten Umständen keine Muße gegönnt, aber mit den ersten Männern seines Faches in Deutschland, Polen und Rußland stand er in lebhafter Correspondenz und gab auch in mehreren ärztlichen Zeitschriften öfter Mittheilungen aus seiner ärztlichen Praxis, wenn er sich aus deren Veröffentlichung einen Nutzen für das allgemeine Wohl versprach; so veröffentlichte er im Jahre 1831 im September und October in Horn’s „Archiv“ eine größere Abhandlung über die Cholera und ihre Behandlung. Seit seinem 17. Jahre verheirathet, hatte er aus dieser Ehe einen Sohn und zwei Töchter. Der Sohn, der in Wien Medicin studirte, fand in den Fluthen der Donau ein vorschnelles Ende. Von seinen Töchtern war eine an den Lemberger Landes-Advocaten Dr. Oswald Menkes verheirathet und ist bereits gestorben. Die zweite ist die Gattin des Med. Dr. Adam Barach, welcher den Namen seines Schwiegervaters sich beigelegt und sich Barach-Rapaport schreibt.

(Gräffer, Franz) Jüdischer Plutarch (Wien 1848, 8°.) Bd. 1, S. 174 – Wiener Mittheilungen, Zeitschrift für israelitische Culturzustände. Herausg. von Dr. M. Letteris. Jahrg, 1855, Nr. 17: „Nekrolog“. – Porträt. Unterschrift: Jacob Rapaport, Doctor der Medicin, prakt. Arzt in Lemberg. Lithographie (Wien, gedr. bei J. Höfelich’s Witwe).