BLKÖ:Prato, Johann Freiherr

Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Band: 23 (1872), ab Seite: 203. (Quelle)
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Prato, Johann Freiherr (katholischer Theolog und Abgeordneter des österreichischen Reichstages 1848 und des Frankfurter Parlaments 1848/1849, geb. in Welschtirol im Jahre 1812). Entstammt einer von den österreichischen Fürsten reichbegnadeten Tiroler Adelsfamilie, den Prato Herren von Segonzano, über welche die Quellen S. 205 nähere Auskunft ertheilen. Freiherr Johann, ein Sohn des (1848) gest.) Freiherrn Johann Baptist aus dessen Ehe mit der Trientinerin Lucia de Carli, zur Zeit der Senior seiner Familie, studirte die Theologie, erlangte die Weihen, die theologische Doctorwürde, versah ein theologisches Lehramt und lebte in vollständiger Dunkelheit, bis er im Bewegungsjahre 1848 in ein – wenn die Quellen wahr berichten – zweifelhaftes Licht trat. Zu Roveredo in Welschtirol wurde er in den österreichischen Reichstag gewählt, daselbst nahm, wie die „geschriebenen Porträts der Reichstags-Gallerie“ darstellen, dicht hinter dem israelitischen Prediger und wahrhaften Priester Mannheimer, Freiherr von Prato seinen Platz ein, „ebenfalls ein Diener des Herrn – ein katholischer Priester – zugleich Graf (?) und Professor – der nach der Auflösung des Reichstages mit Fischhof verhaftet wurde.“ „Prato, setzt unsere Quelle fort, „ist mehr bemerkenswerth wegen der seltsamen Mischung seiner Attribute und wegen seiner Verhaftung – als durch seine parlamentarische Wirksamkeit.“ Diese letztere war bezeichnender im Frankfurter Parlamente. Als Mitglied desselben hatte nämlich P. seinen Sitz in der Paulskirche dazu verwendet, daß er mit noch vier anderen welschtirolischen Abgeordneten die Entlassung der Kreisbezirke Trient und Roveredo aus dem deutschen Bundesverbande verlangte. Freiherr von Prato fand für diesen Antrag thatsächlich auch Unterstützung im deutschen Parlamente. So z. B. bewies Herr Vogt, „daß es ja eben Welschtirol heiße, weil es nicht von Deutschen bewohnt sei, und daß in Mailand und Rom mehr deutsches Element sei, als in Trient und Roveredo, daß man also auch Mailand und Rom [204] in den deutschen Bund aufnehmen müsse. Ueberhaupt werde es zu arg mit dieser „Länderfresserei“ Deutschlands und dieses verderbe sich daran den Magen.“ Nun hatten die beiden Tiroler Flir und Schule, ersterer aus Landeck, letzterer aus Innsbruck, den wahren Sachverhalt schlagend nachgewiesen, und wie weder die Landesgeschichte noch das materielle Interesse, noch auch der Sinn der Bevölkerung für eine solche Trennung Welschtirols spreche. Es sei dieß Parteiung einer italienisch aufgeregten kleinen Anzahl von Signori’s und Nobili’s. Flir wies in einer erschöpfenden bündigen und vortrefflichen, öfter von allgemeinem Beifall unterbrochenen Rede vollständig nach, daß Welschtirol seit Kaiser Otto I., seit 950, deutsches Reichsfürstenthum gewesen, daß Trient im 16. Jahrhunderte zum Sitze des Concils gewählt worden, gerade darum, weil es noch eine deutsche Stadt sei, daß deutsche Colonien zahlreich vorhanden in Welschtirol und daß selbst in denen, welche durch Betrieb der Bischöfe in der Sprache verwelscht worden, das deutsche Wesen heute noch das allein herrschende sei, daß zum Beweise dafür gerade damals in der so aufgeregten Stimmung die Welschtiroler Bauern bewaffnet den Italienern entgegengetreten und die vortrefflichsten Kaiserjäger seien, und daß man sich überhaupt vor unbedingter Durchführung des Nationalitätsprincips doch weislich hüten möge, wenigstens so lange, als Elsaß und Lothringen, Kurland und Liefland noch nicht zum deutschen Reiche gehörten. Unter solchen Umständen war es für Freiherrn Prato schwer, seine Sache mit Erfolg zu führen, wenn er nicht überdieß noch einen höchst sonderbaren Weg eingeschlagen hätte. Er brachte seinen Antrag gegen Deutschland von der Tribüne herab vor, und zwar Anfangs in sehr gebrochenem Deutsch. Es wurde zwar fließend, sobald er an eine Beweisstelle kam, die ihn erwärmte, und wobei er alle Welt versicherte: „er spreche sonst ganz geläufig österreichisch-deutsch, wenn er nicht gerade beweisen wolle, daß er mit seiner Heimat wildfremd in Deutschland sei. (!) Aber allerdings, bemerkt Laube in seinem Werke: „Das erste deutsche Parlament“, hatte auch sein Aeußeres das Ansehen eines jungen italienischen Geistlichen, welcher vorsichtig den Beweis führt: der Zweck heiligt die Mittel. Die Haltung des Parlaments während dieser Rede Prato’s war charakteristisch deutsch. Man empfand das Unpassende des Antrags ärgerlich, besonders, da er mit unpatriotischer und abstrakter Uebertreibung von unzweifelhaft deutsch Gebornen unterstützt wurde, man war auch sehr unangenehm berührt von dem ersichtlichen Jesuitismus dieses Welschtirolers. – Pater Prato lebte, nachdem er aus seiner oberwähnten Haft entlassen worden, aller politischen Rechte verlustig, in Welschtirol, bis er in den Besitz derselben durch die Amnestie des Jahres 1867 wieder gelangte. Seine politischen Ansichten, gleichsam sein ganzes politisches Glaubensbekenntniß legte er in einer Reihe von Artikeln nieder, welche unter dem Titel: „A necessaria difesa“ in den Nummern 259–269, 275 des „Messaggero tirolese di Rovereto“ vom Jahre 1862 abgedruckt stehen. Jedoch blieben die darin ausgesprochenen Ansichten und Behauptungen nicht ohne Erwiederung. Joseph Durig antwortete nämlich darauf im „Tiroler Boten“ d. J, Nr. 297, und 1863, Nr. 3, 5, 13, 14, 18, 19, 37–41, 43, 53, 58, 59, 69 und 72. Auch sind diese Artikel Durig’s gesammelt und vervollständigt unter dem Titel: „Ueber die staatsrechtlichen Beziehungen [205] des italienischen Landestheils von Tirol zu Deutschland und Tirol“ (Innsbruck 1864, Wagner, 8°.) erschienen. – Des Freiherrn Johann P. Bruder Victor Napoleon (geb. zu Segonzano in Welschtirol 10. November 1822), trat in die kaiserliche Armee, in welcher er längere Zeit als Officier im Infanterie-Regimente Roßbach Nr. 40 diente und ist zur Zeit Major in der kaiserlichen Armee. Am 30. Jänner 1867 wurde er von den Landgemeinden der Bezirke Trient, Lavis, Cembra, Civezzano, Vezzano und Pergine in den Tiroler Landtag und von diesem am 1. März g. J. in den Reichsrath gewählt. Freiherr Napoleon P. schreitet nicht auf dem von seinem älteren Bruder Johann betretenen Wege fort, wenigstens hat ihn die Nationalpartei im italienischen Landestheile bald nach Beginn seiner parlamentarischen Thätigkeit mit einem Mißtrauens-Votum beehrt. Seine bei einer Debatte über die tirolische Wehrfrage im März 1870 besonders betonte Erklärung, daß die Majorität des Tiroler Landtages nicht die Majorität des Landes sei, hat ihn einerseits mit der clericalen Partei seines Vaterlandes in Conflict gebracht, während er andererseits dieser Behauptung nach als Anhänger der liberalen, der gegen die clericalen Umtriebe sich stemmenden Fortschrittspartei, erscheint.

Reichstags- Gallerie. Geschriebene Porträts der hervorragendsten Deputirten des ersten österreichischen Reichstages (Wien 1848, Jasper, Hügel u. Manz, 8°.) III. u. IV. Heft, S. 111 u. 112. – Laube (Heinrich), Das erste deutsche Parlament (Leipzig 1849, Weidmann, 8°.) Bd. II, S. 10 u. f. – Hahn (Sigmund), Reichsraths-Almanach. für die Session 1867 (Prag 1867, H. Carl J. Satow, 8°.) S. 136. – Neue Tiroler Stimmen (polit. Blatt, Innsbruck, 4°.) 1870, Nr. 73, in der Correspondenz: „Von der Etsch 27. März“. – Springer (Anton), Geschichte Oesterreichs seit dem Wiener Frieden 1809 (Leipzig 1864 und 1865, Hirzel, gr. 8°,) Bd. II, S. 611.