BLKÖ:Prandstätter, Martin Joseph

Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Prandl
Band: 23 (1872), ab Seite: 192. (Quelle)
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Prandstätter, Martin Joseph (Magistratsrath der Stadt Wien, geb. zu Wien um das Jahr 1750; Todesjahr unbekannt). Einer jener Unglücklichen, die um die Mitte der Neunziger Jahre des vorigen Jahrhunderts, wie eine der unten genannten Quellen schreibt, „als Opfer fielen einer despotischen und grausamen Oligarchie oder vielmehr einer ehrgeizigen und gewissenlosen Kotterie, welche die Leiter, auf der sie zum Gipfel der Macht emporklemmen wollte, auf Leichname stützte, damit sie nicht wanke“. Prandstätter war ein Jugendfreund des nachmals so mächtigen Grafen Saurau, der in der über P. hereingebrochenen traurigen Katastrophe eine Hauptrolle spielte. Prandstätter war bei dem Magistrate der Stadt Wien in Dienste getreten und hatte es, da er geschickt und fleißig war, in verhältnißmäßig kurzer Zeit zum Rathe im Magistrate, welcher damals als erste Instanz für Criminalfälle fungirte, gebracht. P. lebte in der denkwürdigen Aufklärungsperiode des Kaisers Joseph II., war selbst eine leichtentzündliche, enthusiastische Natur, welche von dem Beispiele des philosophischen Monarchen angespornt, für die Ideen der Zeit, für Aufklärung, Menschenrechte und allgemeine Bruderschaft schwärmte. Zu Anfang der Neunziger Jahre verbreitete sich in Wien und auch anderwärts, das Gerücht von einer [193] über ganz Europa verzweigten Verschwörung, welche ebenso den Sturz der damaligen Regierungen, wie überhaupt den völligen Umsturz aller bisherigen bürgerlichen Verhältnisse beabsichtigte, und deren Mitglieder überall heimlich thätig seien und Genossen für ihre unheilvollen Absichten werben. Die grauenerregenden Vorfälle in Frankreich bestärkten die Wahrscheinlichkeit des bald heimlich bald öffentlich auftretenden Gerüchtes, dazu gesellten sich Thaten und Aeußerungen Einzelner, die wie zu jeder Zeit als beschäftigungslose Freibeuter in der bürgerlichen Gesellschaft umherstreichend nichts als Krawalle und Aufläufe herbeisehnen, um dann recht im Trüben fischen zu können. Von gewissenlosen Egoisten, welche aus der allgemeinen Panique Nutzen bereits zogen oder zu ziehen hofften, wurden die Besorgnisse der Allgemeinheit genährt, das Gespenst des Jacobinismus stand jedem bald in seiner ganzen Scheußlichkeit vor Augen und es begann die entsetzliche Periode der Jacobiner-Riecherei, indem man in jedem hellsehenden, vorurtheilslosen Manne, der überdieß so unklug war, diese seine Unbefangenheit durch Worte und Thaten zu bekräftigen, einen Jacobiner witterte, öfters geradezu mit Bestimmtheit erkannte. Unsere Zeit hat mit der „Demokraten-Riecherei“ im Jahre 1848 ein ähnliches und mitunter von blutigen Folgen begleitetes Schauspiel erlebt. Die damals bei Hofe einflußreichen Personen, die Zeitgeschichte nannte die Grafen Colloredo, Pergen, Saurau und den Freiherrn von Schloißnigg, von denen jede zur Hebung ihres eigenen Einflusses, die andere befehdete, benützten diese gedrückte Stimmung der Bevölkerung, um für sich im Trüben zu fischen und mit einem Male fand sich auch in Wien ein Jacobinercomplot. Da man dasselbe nicht als Gerücht wesenlos in der Luft schweben lassen, sondern ihm,. als wirklich bestehend, Blut, Fleisch und Bein geben wollte, bemächtigte man sich einiger Personen, die gewiß unbedachte Aeußerungen, freisinnige Reden und wohl gar straffällige Handlungen, aber lange nicht solche verübt hatten, welche die darauf folgende Procedur nur einigermaßen rechtfertigen. Der Beginn dieser traurigen Katastrophe fällt in den Monat November 1794 und währte dieselbe das Jahr 1795 hindurch, ihre kleineren Nachwehen auch noch weiter hinaus erstreckend. Zu den durch die Strafe am empfindlichsten getroffenen Personen gehörte eben Martin Joseph Prandstätter und seine schwere Verurtheilung erklärt sich um so leichter, wenn man bedenkt, wer seine Richter waren: der eine derselben war der Magistratsrath Martinolli, Prandstätter’s langjähriger Feind, ein unwissender indolenter Kriecher, der sich selbst der Veruntreuung ihm anvertrauter Gelder schuldig gemacht und der Cassation verfallen wäre, wenn ihn nicht Saurau’s mächtige Hand gerettet hätte. [Man vergleiche zur Würdigung dieses Subjects Namens Martinolli die Schrift: „Die Jacobiner in Wien“ (Zürch und Winterthur 1842, literar. Comptoir, 8°.) S. 151–154 und 265 bis 269.) Eine andere zur Untersuchungscommission gehörige Person war Orlandini, Stabsauditor beim Hofkriegsrathe, von dem die oben wegen Martinolli angeführte Quelle (S. 269) meldet, „daß er kein größeres Vergnügen gekannt habe, als ein Todesurtheil auszusprechen!“ Aus solchen Personen bestand die Commission, welche über die eingebrachten Jacobiner zu Gerichte saß und in welcher der Graf [194] Saurau den Vorsitz führte. Prandstätter wurde natürlich auch schuldig befunden und wessen, erfährt man aus seinem Urtheil, worin es unter anderen heißt, daß er, „statt... das Glück einer sanften Regierung zu erkennen, sich vielmehr zu Menschen gesellte, welche boshafte Pläne zum Umsturze der gegenwärtigen Staatsverfassung entwerfen, zu dem Ende geheime Verbindungszeichen in Vorschlag brachten, aufrührerische Schriften verfaßten und in Umlauf setzten und selbst dem Feinde des Staates eine Kriegsmaschine in verrätherischer Absicht überschickten; er hatte von allen diesen bösen schändlichen Unternehmungen nicht allein volle Wissenschaft, sondern nahm durch Uebersetzung und Verbreitung aufrührerischer Schriften auch werkthätig Theil daran… Nachdem sich derselbe“ – wie es im Urtheil ausgesprochen ist – „einer wirklichen Theilnahme an dem Verbrechen des Landesverrathes schuldig gemacht hat, so ist folgendes gesetzmäßiges Urtheil über ihn gefällt worden: Derselbe soll nach vorläufiger Entsetzung von seinem Amte und Einziehung seines Vermögens, durch drei aufeinander folgende Tage, jedesmal eine Stunde lang mit einer ihm von der Brust hängenden und sein Verbrechen durch die Worte: Theilnahme an Landesverrath anzeigenden Tafel auf der Schandbühne öffentlich ausgestellt, sohin durch dreißig Jahre zum langwierigen schwersten Gefängnisse zweiten Grades auf einer Festung angehalten und demselben dieses Urtheil öffentlich angekündigt werden“. Ob P. seine Strafe überlebt oder während Abbüßung derselben gestorben, ist nicht bekannt. – Außer ihm wurden als des Complotes theilhaftig verhaftet und verurtheilt: Hauptmann und Professor Billek, an der Cadetenschule in Wiener-Neustadt, bei dem man ein förmliches Archiv gefunden haben will; ein gewisser Giloffsky, der sich im Gefängnisse selbst erdrosselte; Titular-Regierungsrath Franz Gotthardy; der Lemberger Polizei-Obercommissär Franz Xaver von Troll; der bürgerliche Handelsmann und Inhaber eines Glückhafens Johann Hackel, dessen Frau Blumauer’s Geliebte war, Heinrich Jelline, Privatlehrer, alle vier zu dreißigjähriger Festung verurtheilt, Andreas Freiherr von Riedl[WS 1] zu sechzigjährigem! schwersten Gefängnisse verurtheilt, und Franz von Hebenstreit, Platz-Oberlieutenant von Wien, an dem am 8. Jänner 1795 das Todesurtheil durch den Strang vollzogen wurde. Bezüglich Prandstätter’s berichtet die Zeitgeschichte noch, daß sich Graf Saurau durch sein Betragen in dieser Angelegenheit geschändet habe. Wenige Tage nämlich, bevor Prandstätter, mit dem Graf Saurau von Jugend auf befreundet war, eingezogen worden, hatte ihm eben Graf Saurau, der von der ganzen Sachlage mit dem Complot als Polizei-Vicepräsident, in Kenntniß war, die Versicherung gegeben, daß P. nichts zu fürchten habe. Schließlich sei noch eines mit Prandstätter in Verbindung stehenden sprichwörtlichen Wiener Witzes gedacht. Als nämlich Hackel und Prandstätter auf der Schandbühne standen, witzelte und verselte das Jacobiner riechende Volk: „Mein lieber Hackel, das ist ein Spektakel, mein lieber Prandstätter, das ist ein Wetter“, welche Verse noch heutzutage bei scherzhaften Anreden, Begegnungen im schlechten Wetter u. s. w. in Wien üblich sind

(Gräffer, Franz), Francisceische Curiosa oder ganz besondere Denkwürdigkeiten aus der Lebens- [195] und Regierungsperiode des Kaisers Franz II. (I.) (Wien 1849, Ign. Klang, 8°.) S. 9–37: „Die Jacobiner-Verschwörung in Oesterreich. Materialien zu deren Geschichte“. – (Pipitz). Der Jacobiner in Wien. Oesterreichische Memoiren aus dem letzten Decennium des 18. Jahrhunderts (Zürch und Winterthur 1842, literar. Comptoir, 8°.) S. 151, 196, 268 [übrigens enthält das ganze Buch Aufschlüsse über diese traurige Periode der „Jacobiner-Riecherei“ in Wien]. –

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Andreas von Riedel (Wikipedia).