Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
korrigiert
<<<Vorheriger
Pönninger, Franz
Nächster>>>
Pöschmann, Johann
Band: 23 (1872), ab Seite: 19. (Quelle)
[[| bei Wikisource]]
Thomas Pöschl in der Wikipedia
Thomas Pöschl in Wikidata
GND-Eintrag: 118595334, SeeAlso
Dieser Text wurde anhand der angegebenen Quelle einmal Korrektur gelesen. Die Schreibweise sollte dem Originaltext folgen. Es ist noch ein weiterer Korrekturdurchgang nötig.
Linkvorlage für Wikipedia 
* {{BLKÖ|Pöschl, Thomas|23|19|}}

Pöschl, Thomas (Stifter der nach ihm benannten Secte „die Pöschlianer“, geb. zu Höritz bei Krumau am 2. Mai, n. A. am 2. März 1769, gest. zu Wien am 15., n. A. am 17. November 1837). Er war der Sohn eines Zimmermanns und die fromme Mutter Veronika lehrte den stillen, heiteren Kinderspielen abgewendeten Knaben beten und ministriren. Dreizehn Jahre alt, kam er zu einem älteren Bruder nach Linz, um zu studiren. Die Erscheinung des durchreisenden Papstes Pius VI. übte eine mächtige Wirkung auf die Phantasie des [20] Knaben, der keine bedeutenden Geistesanlagen zeigte, aber durch Fleiß, Sittlichkeit und auffallende Sanftmuth sich die Herzen gewann. Er erwarb durch Singen und Unterrichtgeben sein spärliches Brot. Wenn dieß gethan war, lebte er neben seinen Studien ein beschauliches Leben in einem Dachstübchen, das er mit Heiligenbildern beklebte, „um immer in der Gegenwart des himmlischen Hofes zu wandeln; denn die Liebe zu Jesus bereitete ihm“, wie er selbst sagte, „in den Stunden der Einsamkeit, Andacht und abendlicher Stille paradiesisches Vergnügen“. Er vollendete zu Linz und Wien die theologischen Studien und wurde in ersterer Stadt im Jahre 1797 zum Priester geweiht. Die Schriften der Mystiker fesselten ihn. Eine entsetzliche Prüfung erwartete den schwärmerischen Priester: er mußte den Buchhändler Palm in Braunau zum Tode vorbereiten und demselben das Geleite zur Richtstätte geben. Die Briefe, die er an Palm’s Witwe geschrieben, um ihr des Gatten Schicksal mitzutheilen, sind die würdigsten Denkmale eines frommen, tieferschütterten, menschlich fühlenden Priesters. Sein Geist war aber von dieser Zeit an schmerzlichst ergriffen; ihm war, als ob die sittliche Welt aus den Fugen gehen, das allgemeine Verderben hereinbrechen und so eine neue Erlösung nothwendig machen müsse. Vom Tode seiner innigstgeliebten Mutter erzählte er, daß er ihm zwei Tage früher geoffenbart worden sei. In seinen Pflichten als Seelsorger war er ein unermüdlich fleißiger Katechet in der Schule, bei geringen Einkünften ein Wohlthäter der Armen, aber im Beichtstuhle bis zur Härte streng. Immer mehr bildete sich ein exstatischer Zustand in ihm aus. Er selbst, des Zimmermanns Sohn, hielt sich für einen „bevorzugten Gott“, für „die rechte Säule“. Er exorcirte eine in Kindesnöthen befindliche Magd, und der von Elba zurückgekehrte Kaiser wurde von ihm als der Antichrist bezeichnet. Pöschl wurde von Braunau entfernt und nach Apfelwang[WS 1] im Decanate Vöcklabruck im Innkreise Oberösterreichs versetzt. Als ein nach seiner Meinung ungerecht Verfolgter setzte er hier seine Lehren, sein mysteriöses Wirken fort; sein ihm vorgesetzter Pfarrer selbst nennt ihn „einen Heiligen, dem man schreckliches Unrecht angethan“; er vergleicht ihn mit dem Namensbruder Pöschl’s, mit Thomas von Aquino. „Die „neue Offenbarung“, wie er seine Lehre nannte, beruhet auf folgenden drei Hauptgrundsätzen: 1) Christus wohnt im Herzen und thut alles, was der von ihm regierte Mensch unternimmt. 2) Den Reinen werden Offenbarungen zu Theil, Erscheinungen Gottes und der Mutter Gottes; wer sich nicht reinigen läßt, verwirkt die Verdammniß, und den Tod, der ihn allein wieder reinigen und des Himmels würdig machen kann. 3) Die genaue, bis zur Aufopferung des Lebens hingebende Beobachtung dieser beiden Grundsätze ist die unerläßliche Bedingung des Bestehens der neuen Offenbarung, wenn diese nicht verloren und von den Juden gewonnen werden soll, da Gott die Bekehrung dieses Volkes und die Aufrichtung einer jüdisch-katholischen Kirche beschlossen hat. – Immer mächtiger und tiefergehend war sein Einfluß auf die Dorfbevölkerungen, welchen er predigte und ein sogenanntes „Herzbüchlein“ zu lesen gab, das von einem Johann Gaßner verfaßt, im Jahre 1732 gedruckt und dem Fürstbischofe zu Würzburg gewidmet, einen „christlichen Sittenspiegel bot, in [21] welchem jeder heilsbegierige Christenmensch sich ersehen, den Stand seiner Seele erkennen kann“. Zehn Kupferstiche, jeder ein Herz darstellend, auf dem ein Angesicht erscheint, zeigen im Innern den Teufel, die Todsünden, Marterwerkzeuge u. dgl. Ein fanatisches, im Jahre 1817 von der bayerischen Regierung außer Curs gesetztes Buch. Plötzlich sagte eine vierzigjährige Frau von unbescholtenem Rufe, die Krämerin Magdalena Sickinger in Apfelwang, die Tochter eines kurtrier’schen Hofrathes, aus, daß ihr Jesus in ihrem Herzen erschienen sei und ihr geoffenbart habe: „Die Christen seien sehr verderbt und wenn nicht Besserung erfolge, würden sie vertilgt werden. Die Juden seien noch die besseren Menschen; man müsse trachten, sie zu bekehren und statt der untergehenden christlich-katholischen eine jüdisch-katholische Kirche zu gründen. Der Anfang dieser Judenbekehrung sei in Böhmen zu machen, Pöschl werde dann seine Heerde über Prag nach Jerusalem führen, wo er nach drei Jahren gekreuzigt werden wird.“ Es war dieß die erste Offenbarung, die am 20. März 1813 der Magdalena Sickinger wurde, der bis zum März 1814 noch viele andere voll biblischer Einfalt und phantastischer Erhabenheit folgten und von Pöschl genau aufgezeichnet und verbreitet wurden; sie steigerten sich bis zu Aussprüchen: „Er (Pöschl) sei ein Sohn, ein Liebling Gottes“. Seine Anhänger fingen zu glauben an, daß er Wunder wirken könne. Immer größer wurde die Zahl seiner Freunde und der Frauen, die an ihn glaubten. Er fanatisirte nicht allein von der Kanzel, im Beichtstuhle, bei nächtlichen Andachten, er schrieb auch, um in die Ferne zu wirken, prophetische Worte in Versen nieder, welche an die mystische Gedankentiefe des Angelus Silesius erinnern. Die Bewegung fing unter dem Landvolke an und theilte sich immer weiteren Kreisen mit. Die Regierung wurde auf Pöschl’s Thun und Reden aufmerksam und ließ ihn nach Salzburg in’s Priesterhaus bringen. Es geschah dieß am 27. März 1814. Sein Verkehr mit den Seinen erlitt aber dadurch kaum eine Unterbrechung, er schrieb und fanatisirte sie, selbst, als er in’s Kloster von St. Peter gesteckt, und weil er sogar hier Gläubige für seine Lehre fand, als er in Polizeigewahrsam gebracht worden war. Die Secte hatte jetzt die Weihe des Märtyrerthums durch ihren Meister, der seinen Gläubigen schrieb: „das Ende sei nahe“. Zügellos walteten nun die befreiten Elemente. Es tauchten „Häupter“ empor und weibliche Propheten, welche „Mutter Gottes“ genannt wurden, unter ihnen auch die obengenannte Magdalena Sickinger. Die bedeutendsten waren die Bauern Joseph Haas, Joseph Seyringer und ein Schmied Topherl, welch letzterer in früherer Zeit wahnsinnig und jetzt ein feuersprühender Prediger war. „Es ist keine Zeit mehr, es naht das Gericht. Es müssen Opfer gebracht werden, die nach drei Tagen wieder auferstehen.“ Allgemeine Bußübungen fanden unter den „Betenden Brüdern“, wie sie allgemein genannt wurden, statt; Reinigungen durch Kasteiung und Bäder. Viele verbrannten ihr Hab und Gut, ihren Schmuck und ihre Kleider. Der 30. März war der vorausgesagte Tag. Viele verließen die Hütten: Mütter mit ihren Säuglingen, Greise irrten, ohne zu wissen wohin, durch die eiskalte Nacht, denn „der Herr werde sie führen“. Viele hatte man später als Leichen erstarrt gefunden. In der Nacht vom 30. auf [22] den 31. März 1817, nachdem Joseph Haas mehrere Menschen gereinigt hatte, sprach er zu ihnen: „Brüder, nun müssen wir auch meinen Nachbarn Georg Nähhammer und dessen Weib und Tochter reinigen, sonst gehen mir diese drei Seelen verloren“. Und so verfügten sie sich an des Nachbars Haus, brachen mit Gewalt ein und Haas’ Tochter Franziska schlug die Bäuerin mit einer Hacke todt; ihr Gatte und die Tochter sanken ebenfalls unter den Streichen zusammen und starben nach einigen Tagen. Nach dieser entsetzlichen That kehrten die Wahnsinnigen wieder in die Wohnung von Haas zurück, wo die Pöschlianer eine Zusammenkunft hielten. Wieder sprach Haas zu ihnen: „Brüder! Heute ist die Gnadenzeit und der Herr verlangt, daß diese Nacht noch ein Schlachtopfer gebracht werden soll“. Anna Maria Einzinger, ein junges Mädchen aus Würmetsöd, bot sich sogleich als dieses Opfer an, „denn“, sagte sie, „in drei Tagen werde ich wieder glorreich auferstehen!“ Haas schnitt ihr darauf mehrere Finger ab, verstümmelte sie mit einer Holzhacke von unten auf und gab ihr zuletzt einen Streich über den Kopf, der sie tödtete. „Das Mädchen“, sagt unser Manuscript, „war ruhig knieen geblieben, nur die Worte: „Maria, hilf mir!“ kamen über ihre Lippen. Alle Anwesenden standen wie versteinert umher, denn Haas hatte ihnen befohlen, sich still zu verhalten, weil sonst der Teufel über sie Gewalt bekäme. Haas wurde immer wüthender; das Weiße in seinen Augen war braunroth geworden und er schickte sich an, noch Andere aus der Versammlung zu schlachten. Da rief Anna Kienast, Bäuerin von Obersalsbach, an welche die Reihe hätte kommen sollen: „Vater, hilf mir! Haas ist ein Mörder!“ Ueber diesen Angstschrei erwachte ihr Vater wie aus tiefer Betäubung, fiel dem Mörder in die Arme und entriß ihm die Hacke“. Diese unerhörten Vorgänge wurden rasch bekannt. Der Pfarrer Götz sendete Eilboten an das Landgericht in Vöcklabruck; es wurde Militär aufgeboten. Das Gericht trat in die Stube, nachdem Haas mit einer Schlinge gefangen worden war; der Leichnam des Mädchens lag noch da in seinem Blute und die noch anwesenden Pöschlianer „lagen wie erstarrt auf dem Boden oder saßen regungslos auf den Bänken. Gefragt, gaben sie keine Antwort; wollte man sie aufrichten und auf die Füße stellen, so fielen sie wie ein Stück Holz um. Es war keine Verstellung, das Entsetzen über die eigene That hatte sie starr gemacht.“ Haas wurde mit ihnen fortgeführt. Alle stimmten unaufhörlich die Rufe an: „Jesus steh uns bei! Maria verlasse uns nicht!“ Auf halbem Wege wollten sie nicht weiter gehen, sie überfielen die Escorte, die sich gezwungen sah, unter sie zu feuern. Es stürzten Einige zu Boden. Der Bann, der durch Pöschl’s Fanatisirung auf ganzen Dorfbevölkerungen seit einigen Jahren gelastet, war gelöst. Schon in den nächsten Tagen kamen Viele reumüthig zu ihren Ortspfarrern und baten um Gnade und Versöhnung. Man zählte im Ganzen 126 Pöschlianer. Die wegen begangener Mordthat im Kerker befindlichen Pöschlianer wurden wegen Mangel an bösem Vorsatz vom Verbrechen freigesprochen, blieben aber wegen ihrer gefährlichen Grundsätze im Arreste unter geistlicher Aufsicht, bis sie Beweise ihrer vollkommenen Sinnesänderung abgelegt hatten und keine Gefahr von ihnen mehr zu befürchten war. Pöschl, der nicht zu bekehren war, [23] wurde mit dem Interdict belegt und von Salzburg nach Wien in’s Haus der Defizientenpriester gebracht. Es sollen sich später Spuren von Irrsinn an ihm gezeigt haben, was zwar der Irrenarzt Dr. Zillinger bezweifelt. Pöschl starb, 68 Jahre alt, zu Wien „am sogenannten Nervenschlag“. Haas verheirathete sich später mit einer Kaffeesiederin St. in S. Diese letztere soll im Jahre 1864 in Salzburg, bereits ein altes Mütterchen, noch gelebt haben und daselbst unter dem Namen der „Mutter Gottes der Pöschlianer“ bekannt gewesen sein.

Fiedler (Dominikus), Die weiland Khevenhüller’sche Majoratsgrafschaft Frankenburg und deren Umgebung in ihrer Beziehung zur vaterländischen Geschichte. Mit 34 Illustrationen (Wien 1860, Mechitaristen, gr. 8°.) Zweite verb. u. verm. Auflage, Theil II, S. 53–200: „Die Pöschlianer Schwärmerei“ [das Ausführlichste über diesen denkwürdigen Mann“, S. 57 sein Bildniß im Holzschnitt]. – Wanderer (Wiener polit. Blatt) 1868, Nr. 265, im Feuilleton: „Religiöser Fanatismus“. – (Nürnberger) Korrespondent von und für Deutschland 1865, Nr. 278, im Feuilleton: „Die Sekte der Pöschlianer“. – Die Inn-Zeitung (Innsbruck, 4°.) 1862, Nr. 266 u. f., im Feuilleton: „Die Pöschlianer“. – Bohemia (Prager polit. und Unterhaltungsblatt) 1864, Nr. 285, S. 1615, in der Rubrik: „Mosaik“. – Morgen-Post (Wiener polit. Blatt) 1868, Nr. 309, im Feuilleton: „Ein Beitrag zur Geschichte der Passionsspiele“. – Meyer (J.), Das große Conversations-Lexikon für die gebildeten Stände (Hildburghausen, Bibliograph. Institut, gr. 8°.) Zweite Abthlg. Bd. IV, S. 247. – Ein A. E. Seibert hat diese Secte zum Gegenstande einer Erzählung: „Der letzte Pöschlianer“ benützt, die im Feuilleton des „Welser Anzeiger“ 1869 u. 1870, abgedruckt war.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Ampflwang (Wikipedia).