BLKÖ:Miesbach, Alois
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich | |||
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Band: 18 (1868), ab Seite: 240. (Quelle) | |||
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Kaunitz Rietberg-Questenberg, und begleitete diesen in der Eigenschaft eines Secretärs auf den Gesandtschaftsreisen nach Madrid (1816) und nach Rom (1817), wo er bis 1819 mit dem Fürsten blieb. Schon in dieser Periode gab Miesbach solche Beweise gründlicher Studien auf ökonomischem und industriellem Gebiete, daß ihm die Pariser Ackerbau-Gesellschaft zur Aneiferung der National-Industrie, die Madrider „amigo del pais“ und mehrere andere ihre Diplome zuschickten. Im Jahre 1819 übernahm Miesbach die Ziegelei und Oekonomie in Meidling nächst Wien, und gelangte 1826 und 1829 durch Kauf in den Besitz der Herrschaft Inzersdorf am Wienerberge. Daselbst bestand schon seit 1757 eine Ziegelbrennerei, welche zur Zeit, da sie Miesbach übernahm, nicht mehr als drei Brennöfen beschäftigte und jährlich 1,200.000 Ziegel lieferte. Sie umfaßte im Jahre 1757 einen Flächenraum von 3 Joch 260 Quadratklaftern, zur Zeit, da Miesbach starb, einen Flächenraum von 450 Joch. Um mit einem Male ein Gesammtbild der umfassenden Thätigkeit M.’s nach den verschiedenen Richtungen, in denen er sie entfaltete, zu geben, lassen wir die folgenden Zahlen sprechen. Miesbach besaß 30 Bergwerke, eine Terracotta-Fabrik und neun Ziegelwerke mit 786 Schlagtischen und 4743 Arbeitern. Die Ziegelwerke liefern jährlich im Durchschnitte 1171/2 Million Stück Ziegeln im Werthe von 2 Millionen Gulden; die Terracotta-Fabrik beschäftigte an 90 Arbeitern, die 30 Bergwerke in Ober- und Niederösterreich, Steiermark, Mähren und Ungarn bestehen aus 843 Lehen mit 499 Muthungen, welche jährlich an 2000 Centner Alaun und 4 Millionen Centner Steinkohlen an das Tageslicht fördern. Daran waren und sind 2310 Arbeiter beschäftigt, welche jährlich um 2 Millionen Gulden [241] Producte liefern. Die Bergwerke enthalten 1039 Millionen Centner Steinkohle im Werthe von 341/2 Million Gulden. Schon diese Zahlen sprechen für den industriellen Geist Miesbach’s, denn er hatte das Unternehmen verzwanzigfacht. Und wenn es dieß allein wäre! Aber auch die Vervollkommnung des Materials ließ sich Miesbach so ernstlich angelegen sein, daß seine Erzeugnisse auf der Wiener Industrie-Ausstellung (1845) die große goldene Medaille, auf der Londoner Weltausstellung die große Preismedaille, auf der Baumaterialien-Ausstellung in Amsterdam die silberne, auf der Münchener Industrie-Ausstellung die erste Preismedaille und endlich auf der Pariser Industrie-Ausstellung (1855) drei erste Preismedaillen erhielten, der Erzeuger aber in Anerkennung so erheblicher Vervollkommnung seines Industriezweiges mit dem Orden der Ehrenlegion ausgezeichnet wurde. Insbesondere ist es die künstlerische Richtung, welche Miesbach in diesem so untergeordneten Industriezweige angebahnt und mit seltenem Erfolge cultivirt hatte. Aus feingeschlämmtem und sorglich gebranntem Thone brachte er die sogenannten Terracotta-Waaren zu Bauverzierungen, Brunnen, Gartenausschmückungen u. dgl. m. in Aufschwung. Die Kunstbauten der letzten zwei Jahrzehnde riefen in Oesterreich die Terracotta-Fabriken zu Mailand und Wien in’s Leben. Die Mailänder Fabrik in den Corpi santi di Porta Comasina beschäftigt 25 bis 30 Arbeiter; die Terracotta-Fabriken von Miesbach zu Inzersdorf und Wagram beschäftigten im Jahre 1856 bei 90 Arbeiter, und der Werth ihrer Erzeugnisse belief sich auf nahezu 500.000 fl. Es ist so ziemlich festgestellt, daß die Gesammterzeugnisse in Oesterreich an Terracotta-Waaren im Jahre 1856 einen Werth von 600.000 fl. erreicht und dabei an 200 Arbeiter beschäftigt haben. An dem Erzeugungscapital war also Miesbach allein mit fünf Sechsteln betheiligt und von den Arbeitern beschäftigte er nahezu die Hälfte. Noch ist es aber eine andere Richtung, in welcher Miesbach’s Verdienste mit den bereits erwähnten rivalisirten. Mit großen materiellen Opfern begann er in Oesterreich den Steinkohlen-Bergbau und brach der Gewinnung dieses fossilen Brennstoffes so zu sagen die Bahn im Kaiserthume; er betrieb diesen Bau nach wissenschaftlichen Principien und rief einen bis dahin unbekannten National-Reichthum in Oesterreich, Steiermark, Mähren und Ungarn in’s Leben. Dabei ging er in sehr rationaler Weise vor, und schon seit 1836 führte er in seinen Steinkohlenwerken Eisenbahnen in der Grube und am Tage ein; errichtete zur Förderung und Wasserhebung vier Dampfmaschinen, die ersten, die zu solchen Zwecken in Oesterreich und Ungarn verwendet wurden; er erschürfte größtentheils neue Flötze und beschäftigte dabei ebenso viele Menschen, als das Capital der jährlichen Erzeugung durch seine Größe nationalwirthschaftliche Bedeutung besitzt. Ueberdieß beurkundete M. in Allem, was er begann, einen Unternehmungsgeist, den wenige Menschen in solcher Vollkommenheit besitzen wie er. Wir hatten aber bisher nur den Unternehmer, den Industriellen im Auge gehabt, eine noch glänzendere Seite bietet aber Miesbach der Mensch dar. Ueber Miesbach’s Verdienste nach dieser Seite herrschte auch nur eine Stimme. Alle jene riesenhaften industriellen Schöpfungen waren zu gleicher Zeit ebenso viele Werke des Wohlthuns. Keinen Humanitätsverein gab es in der [242] Residenz, dessen thätiges Mitglied Miesbach nicht gewesen wäre; es leben in den verschiedenen Schichten der bürgerlichen Gesellschaft nützlich wirkende Männer, denen im Anbeginn ihrer Laufbahn alle Mittel fehlten, sich fortzubilden, Miesbach wendete ihnen jene reichliche Unterstützung zu, die sie in den Stand setzte, Das zu werden, was sie sind. Für das Wohl seiner Arbeiter aber war Miesbach wie ein Vater besorgt. Sie bildeten alle zusammen Eine große Familie, an deren Spitze er stand. Auf allen seinen Besitzungen hatte er Arbeitercolonien gegründet, diese mit Spitälern, Schulen, Kirchen, Kleinkinder-Bewahranstalten u. dgl. m. reich dotirt; er kaufte die Lebensmittel und sonstigen für die Arbeiter erforderlichen Gegenstände im Großen und zu billigen Preisen, und ließ sie zu Einkaufspreisen seinen Arbeitern verabfolgen; daher gingen an denselben alle den Haushalt in der Gegenwart so sehr erschwerenden Preisschwankungen spurlos vorüber, es besteht unter ihnen ein großer Wohlstand, der sonst in diesen Schichten der Gesellschaft nicht anzutreffen, und Schöpfer alles dessen ist Miesbach, den sie alle wie einen Vater verehrten und liebten. Als ein Zug seines Charakters möge folgende Thatsache dienen: Ein bekannter Ingenieur hatte ihm das Modell einer Maschine vorgelegt, durch die täglich 30 bis 40 Arbeiter erspart worden wären. Miesbach ließ die Maschine[WS 1] bauen, aufstellen, versammelte seine Arbeiter, ließ das Werk in Gang setzen und der Erfolg übertraf die Erwartungen. Miesbach ließ hierauf die Maschine in Gegenwart seiner bestürzten Arbeiter wieder zerlegen und sagte zu ihnen: „durch die Maschine Euerer Hände bin ich reich geworden, bei dieser Maschine will ich auch bleiben“. Vom Auslande durch beneidenswerthe Belohnungen geehrt, im Vaterlande durch die Verehrung, die Hochachtung seiner Mitbürger ausgezeichnet, starb er zu Baden nächst Wien – wo er Genesung suchen wollte – im 67. Jahre seines thatenreichen Lebens, und sein Tod entlockte tausend und tausend Augen Thränen ungeheuchelten Schmerzes. Miesbach war ein Charakter in der Bedeutung dieses Wortes, welche in unserer verschwommenen, alles nivellirenden Zeit täglich seltener zu werden pflegt. Sein Leichenbegängniß, welches in der Residenz stattgehabt, war eine traurige Feier, aber eine so großartige, wie deren nur wenige selbst in der Reichshauptstadt vorkommen. – Sein Erbe, Heinrich Drasche, der ihm seit 1828 als Geschäftsleiter, nachheriger Gesellschafter und Director zur Seite stand, setzt, von dem Geiste und den Absichten Miesbach’s beseelt, die großartigen Unternehmungen fort.
Miesbach, Alois (Industrieller und Humanist, geb. zu Röschitz in Mähren 1. Jänner 1791, gest. zu Baden bei Wien 3. October 1857). Miesbach widmete sich im Anbeginn dem Ingenieur- und Baufache, später der Oekonomie, die er einige Zeit als ökonomischer Beamter auf fürstlich Kaunitz’schen Herrschaften auch praktisch ausübte. Die Jahre 1808 und 1809 riefen auch ihn zu den Waffen. Er war Fähnrich des Brünner Landwehr-Bataillons, später des Linien-Infanterie-Regiments Beaulieu Nr. 58, focht 1809 die Schlachten bei Wagram und Znaim mit, legte aber nach abgeschlossenem Frieden seine Officierscharge nieder, trat in die Dienste des Fürsten- Nekrolog des Alois Miesbach, Güter-, Bergwerks- und Fabriksbesitzer, Vicepräsident der niederösterr. Handels- und Gewerbekammer u. s. w. u. s. w. (Wien 1857, Druck von A. Benko in L. Förster’s art. Anstalt, 8°.). – Illustrirte Zeitung (Leipzig, J. J. Weber), V. Band (Monat Juli bis December 1845), Nr. 114, S. 153, im Aufsatze: „Die österreichische allgemeine Industrie-Ausstellung in Wien. VI. Thonwaaren“; – dieselbe, XXX. Band (Monat Januar bis Juni 1858), S. 44 [Nachruf, geschrieben von dem Herausgeber dieses Lexikon]. – Steger (Fr.), Ergänzungsblätter (Leipzig u. Meißen, Lex. 8°.) Bd. XIII, S. 39. – Wanderer (Wiener politisches Blatt) 1857, Nr. 483. – Wiener Vorstadt-Zeitung 1857, Nr. 272. – Sonntags-Zeitung (Pesth, gr. 4°.) Jahrg. 1858, Nr. 11, S. 58. – Wiener Theater-Zeitung. Herausg. von Adolph Bäuerle (Wien, gr. 4°.) 1857, Nr. 228. [Die Nekrologe der letztgenannten vier Journale sind theils Auszüge, theils wörtlicher Nachdruck aus dem Nekrologe der „Illustrirten Zeitung“ ohne Angabe der Quelle, und unter [243] das Plagiat in der Theater-Zeitung setzt ein Eugène Eiserle naiv genug seinen Namen hin.] – Didaskalia (Frankfurter Unterhaltungsblatt, 4°.) 1857, Nr. 244. – Industrie-Statistik der österreichischen Monarchie für das Jahr 1856. Herausgegeben von der k. k. Direction der administrativen Statistik (Wien 1857, Staatsdruckerei, kl. 4°.) I. Heft, S. 23: „Terracotta-Waaren“. – Bericht über die allgemeine Agricultur- und Industrie-Ausstellung zu Paris im Jahre 1855. Nach den Arbeiten und Materialien der österreichischen Berichterstatter und Jury-Mitglieder u. s. w. Herausgegeben unter der Redaction von Dr. Eberh. A. Jonák (Wien 1857/58, k. k. Hof- und Staatsdruckerei, gr. 8°.) Bd. I, 1. Classe: Rohproducte des Mineralreiches, S. 73; 3. Classe: Landwirthschaft, S. 29; 14. Classe: Civil-Bauwesen, S. 32, 35, 45, 48; 15. Classe: Stahl und Stahlwaaren, S. 34; 18. Classe: Glas- und Thonwaaren, S. 37 u. 38. – Humorist von Saphir (Wien, 4°.) 1855, Nr. 207, S. 826, in den Pariser Briefen. – Presse (Wiener polit. Blatt) 1855, Nr. vom 3. Juni, vom 22. Juni und vom 13. Juli. – Porträte. Holzschnitte in der Illustrirten Zeitung 1857, XXX. Band, S. 44, und in der Pesther Sonntags-Zeitung 1857, S. 85.
Anmerkungen (Wikisource)
- ↑ Vorlage:MaMaschine.