BLKÖ:Lisinský, Vatroslav

Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Lisziński, Kasimir
Band: 15 (1866), ab Seite: 238. (Quelle)
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Lisinský, Vatroslav (Componist, geb. zu Agram 3. August 1819, gest. ebenda 31. Mai 1854). Sein Vater, ein geborner Krainer, lebte in Agram, wo er aus seiner früheren Wohlhabenheit später in Armuth gerieth. Der Sohn besuchte die Schulen, begann sogar schon den Besuch der dortigen Rechtsakademie. Als er aber im Jahre 1837 seinen Vater verlor, ließ ihm sein Oheim Unterricht im Pianoforte ertheilen damit er, wenn er die Studien nicht vollenden sollte, doch Dorfschullehrer werden könnte. Etwa zwei Jahre hatte L. Unterricht im Pianospiel genommen, als er im Jahre 1839 – und nicht wie es in der „Luna“ heißt, 1834 – sich mit Adalbert Striga, nachmals Advocat in Agram, befreundete, und durch ihn und dessen Freunde immer mehr und mehr in die Zauberwelt der Lieder und des Gesanges eingeführt wurde. Noch immer regte sich in ihm weder das Talent, noch ein besonderer Drang zur Composition. Da Striga im Besitze einer schönen Baritonstimme[WS 1] [239] war, gefiel er sich gern darin, die bei dem damaligen, eben im Erwachen begriffenen nationalen Leben mit jedem Tage beliebter werdenden und überall erklingenden südslavischen Volkslieder zu singen und sich dabei von seinem Freunde Lisinský auf dem Fortepiano begleiten zu lassen. Diese Singproductionen fanden nur bei Lisinský Statt, da dieser von seiner Kindheit her lahm, anfänglich nur auf zwei Krücken gehen konnte, später jedoch mit einer zu gehen erlernte und fast immer zu Hause war. Bei diesen Gesangübungen fungirte L. als Clavierspieler, sozusagen als Musikdirector, wie er denn auch scherzweise so genannt wurde. Da fügte es sich denn, daß bei Gelegenheit, als wieder einmal aus Dalmatien oder sonst woher, ein Patriot des dreieinigen Königreiches in Agram ankam und von den Nationalen gefeiert wurde, demselben auch ein Poet eine Huldigung darbrachte. Das Lied des Dichters trug den Stempel der Sangbarkeit an sich. Striga eilte zu Lisinský und dieser sollte die Musik dazu setzen. Nun aber hatte L. bisher kein Lied componirt, überhaupt noch keine Note gesetzt; jetzt fiel es auf einmal wie Schuppen von seinen Augen; er componirte das Lied, studirte es seinen Freunden ein und das Lied wurde ein Volkslied, das noch heut im Croatien gesungen wird, es ist das bekannte: Iz zagorja od prastara Ceha, Meha, Leha grada – und Lisinský’s erste Composition. So hatte L., sozusagen unbewußt, den Weg der Composition betreten, und einmal auf diesem Pfade, verließ er ihn nicht wieder. Als Autodidact versuchte er seine Kräfte immer mehr und mehr und componirte ein Lied nach dem andern, so entstanden mehrere Liebeslieder, eine reizende Barcarole, ein Heldenlied von Blazek u. m. a., die, da sie den nationalen Charakter an sich trugen, sich bald verbreiteten und die Runde im ganzen Lande machten. Indessen, obwohl L. längst im Lande für den Nationalcomponisten galt, gab er sich doch selbst damit nicht zufrieden und es drängte ihn, die Musik wissenschaftlich zu durchdringen. Jedoch sollte er, ehe er dieses Ziel erreichte, doch noch ein anderes Probestück leisten und als Autodidact eine Oper componiren. In der That entstand auch in ganz eigenthümlicher Weise [bezüglich des Details verweisen wir auf die in den Quellen genannten größeren Biographien] die von Lisinský componirte erste croatische National-Oper: „Ljubav i zloba“, Liebe und Bosheit, deren anfänglicher, kaum brauchbarer Text später von Dr. Dimitry Demeter umgearbeitet und so die Aufführung dieses für die Geschichte der croatischen Oper so wichtigen Tonwerks ermöglicht wurde. Die Oper wurde von Dilettanten gesungen, unter denen sich der nachmals unter dem deutschen Namen Steger berühmt gewordene Sänger Stazic befand. Der Erfolg war war ein glänzender, und bei dem primitiven Zustande der croatischen Opernmusik erklärt es sich, daß jede der drei dort heimischen Nationen, Deutsche, Croaten und Italiener, das Werk sich aneignen wollte und also der Deutsche den ganz deutschen Styl, der Italiener die musica italiana und der Südslave den echt slavischen Charakter derselben erkannte, wodurch freilich die Oper selbst zu einer styllosen gemacht wurde, die aber wenigstens gute Musik hatte. Jedoch welche Fortschritte L. auch als Compositeur machte, seine Verhältnisse verbesserten sich ganz und gar nicht, und wohl hauptsächlich diesem Umstande ist es zuzuschreiben, daß er plötzlich Agram verließ und sich nach Bystritz zurückzog, wo er [240] in sehr dürftigen Verhältnissen, aber von dem dortigen Pfarrer, einem ehrwürdigen Greise, auf das Liebevollste aufgenommen, ganz der Musik lebte. In dieser Zeit bemühte sich sein Freund Striga, der es überhaupt, was Lisinský betrifft, an Aufopferung nicht fehlen ließ, für L. einen neuen Operntext beizuschaffen und den Dichter Demeter zu dem Versprechen zu bewegen, daß er ihm einen solchen liefern wolle. Demeter versprach den Text der Oper „Porin“ zu schreiben und hielt Wort. Aber auch sonst noch war Striga für seinen Freund thätig; gleich ihm selbst erkannte er für L. die Nothwendigkeit einer tüchtigen musikalischen Ausbildung, und diese sollte L. in Prag erhalten. Zur Reise nach Prag waren freilich Geldmittel nöthig, nun auch für diese trug der opferwillige Striga Sorge. Er entwarf einen zwar originellen, aber gut ausführbaren Plan. Mit Stazic, Lisinský und noch einigen anderen Sängern wollte Striga Croatien und Slavonien bis Belgrad durchziehen und Concerte geben. Gedacht, gethan. Im Jahre 1847 wurde die Künstlerfahrt ausgeführt, Volkslieder, Quartette und andere Lieder vorgetragen und eine wenngleich mäßige Geldernte, hingegen viel nationaler Ruhm erzielt. Im Herbste 1847 reiste L. nach Prag. Um aber für Lisinský das erforderliche Geld zu seinem Aufenthalte in Prag zu verschaffen, besorgte sein Freund Striga eine Sammlung von freiwilligen Beiträgen croatischer Patrioten, und brachte so jene Summe zu Stande, mit welcher L. im Stande war, drei Jahre in Prag zu leben. L. dagegen mußte sich seinerseits anheischig machen, von dem dortigen Conservatorium ein Zeugniß zu bringen und die Oper „Porin“ zu componiren und zu instrumentiren. Bei dem Musiktalente, welches L. besaß, machte er schöne Fortschritte. Seine Lehrer waren Kittl [Bd. XI, S. 340] und Pitsch, dieser letztere Leiter der Orgelschule. Wohl hatte L. im Verlaufe seiner Studien einige Male seine Heimat besucht, aber erst 1850 kehrte er nach Vollendung derselben bleibend zurück und brachte außer mehreren anderen Compositionen, als Ouverturen und Liedern, auch die fertige Oper „Porin“ heim. Lisinský war zurückgekehrt mit den Plänen einer nationalen Musikschule und eines Nationaltheaters. Indessen hatten sich bereits, wie überall in Oesterreich, auch in Croatien die Dinge gar sehr geändert. Die früher so ergiebige nationale Richtung war kaum mehr fühlbar. L. gab Concerte, worin er seine Compositionen vortrug, aber sie blieben unbesucht. Um nicht Hungers zu sterben, mußte er Kindern Clavierunterricht ertheilen, jedoch im Winter konnte er auch dieses Geschäft nicht besorgen. Als studirter Jurist bewarb er sich um eine kleine Stelle bei Gericht und war so glücklich, sie zu erhalten. Der Gehalt war aber gering und reichte nicht hin, um seine Bedürfnisse zu bestreiten; um die Musik war es bei dieser Beschäftigung, die ihn nun auch ganz in Anspruch nahm, geschehen. So unter Mangel an Nahrung für Geist und Körper, wurde der von Kindheit Kränkliche schwächer und schwächer und zahlte endlich – erst 35 Jahre alt – der Natur seinen Tribut. Von seinen Compositionen, einige kleinere Musikstücke und viele Lieder, ist der weitaus größte Theil Handschrift geblieben. Gedruckt erschienen sind: „Šestero českých pisní“, d. i. Sechs böhmische Lieder mit illyrischer Uebersetzung, für eine Stimme mit Begleitung des Pianoforte (Prag 1851); – „Mazur“ (Agram ....); – [241] „Les violettes, quadrilles sur les motifs nationaux bohemiens“ (Wien, Witzendorf); – „Pěsan slovačka“, Lied, gedichtet von Dr. Gust. Zehenter, componirt von Lisinský. Dem Taschenbuch „Perly česky“ waren als Musikbeilagen beigegeben: „Pohřeb skřivánka od V. Hanky“ und „Růže od V. Hanky“. Außerdem sind noch die beiden schon erwähnten Opern und einige von Kennern besonders gerühmte Walzer vorhanden. Als er sein Ende herannahen fühlte, componirte er ein Quartett, wozu er den Text, wie er es auch bei einigen deutschen Liedern, die er componirte, gethan, selbst gedichtet, und ordnete an, daß es an seinem Grabe gesungen werde. L. hat neben dem Vorrechte der Künstler aller Zeiten und Völker, in Armuth und Dürftigkeit gelebt zu haben und gestorben zu sein, auch das Schönere, der erste bekannte südslavische Componist zu sein.

Luna. Belletrist. Beiblatt der Agramer Zeitung, 1856, Nr. 23, 24 u. 25. – Perly česke (Prag 1855), S. 382–404, von Josip Vranyczany Dobrinovic. – Dalibor (Prager musikal. Blatt in čechischer Sprache), herausg. von Emanuel Melis, 1862, Nr. 28, 29 u. 30. – Narodne Novine, d. i. Volkszeitung (Agram) 1856, Nr. 136–142. – Kukuljević-Sakcinski (Iván), Slovnik umjetnikah jugoslavenskih, d. i. Lexikon der südslavischen Künstler (Agram 1859, L. Gaj, gr. 8°.) S. 222. – Rittersberg, Kapesní slovníček novinářský i konversační, d. i. Kleines Taschen-Conversations-Lexikon (Prag 1850, 12°.) Theil II, S. 354. – Slovník naučný. Redaktor Dr. Frant. Lad. Rieger, d. i. Conversations-Lexikon. Redigirt von Dr. Franz Lad. Rieger (Prag 1859, II. L. Kober, Lex. 8°.) Bd. IV, S. 1309. –

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Barritonstimme.