BLKÖ:Lederer, Karl Joseph Alois Freiherr von

Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Ledermayer
Band: 14 (1865), ab Seite: 297. (Quelle)
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Lederer, Karl Joseph Alois Freiherr von (Staatsmann, geb. zu Wien 11. Februar 1772, gest. 17. August 1860). Ein Sohn des August Gottlob Freiherrn von L. In noch jungen Jahren erwarb er das seine Zukunft so mächtig fördernde Wohlwollen des Grafen Karl Zichy, des Sprößlings einer jener ungarischen Familien, welche in die Geschicke des österreichischen Kaiserstaates in den letzten zwei Jahrhunderten merklich und nachhaltig eingegriffen haben. Graf Zichy wendete dem vielversprechenden jungen L. seine ganze [298] Gunst zu; mit deren Hilfe und der Berechtigung nicht gewöhnlicher Talente stieg er in verhältnißmäßig kurzer Zeit von Stufe zu Stufe. In dem für den Kaiserstaat so verhängnißvollen Jahre 1809, als der Monarch seine Residenz, die der Feind bedrohte und besetzte, verlassen mußte, befand sich unter der kleinen Schaar von Auserwählten, welche den durch die Bekümmernisse um einen schwer heimgesuchten Großstaat niedergedrückten Kaiser begleiten durften und die Entbehrungen und Anstrengungen der Flucht mehrere Wochen hindurch in dem bescheidenen Kämmerlein eines ärmlichen Dorfes theilten, auch Karl Freiherr von L. Nachdem die Tage des Jammers gezählt waren und sich ein Umschwung in den Verhältnissen vorzubereiten begann, wendete auch der Kaiser jenen Männern sein Vertrauen zu, die mit ihm die Drangsale getheilt und sich in seinen Augen bewährt hatten. Es galt damals nicht nur die Schäden, welche die Staatsmaschine erlitten, zu heilen, sondern vielmehr – so schwierig auch die Aufgabe sich stellte – an die Neugestaltung der Monarchie zu schreiten und an das wichtige Werk ernstlich Hand anzulegen. L.’s Gönner Karl Graf Zichy wurde von Kaiser Franz an die Spitze eines Centralorgans gestellt, welches diese Aufgaben lösen sollte. L., welcher mittlerweile zum Staats- und Conferenzrathe ernannt worden war, erhielt das schwierige Geschäft, die von allen Seiten einlangenden Materialien zu sammeln, zu ordnen, zu prüfen und zu beurtheilen. Die brennendste Wunde – wie etwa in der Gegenwart – war damals die Finanzlage des Staates. Um die Sachlage mit möglichst wenigen Federzügen, jedoch kenntlich zu zeichnen, muß die Gegenwart zu Hilfe genommen werden. Den Ausweisen der Nationalbank entnimmt die lebende Generation mit sichtlicher Bangigkeit: daß 400 Millionen ihrer Noten sich in Umlauf befinden und ihr Realisirungsfond sich kaum aus 100 Millionen beläuft; daß diese Noten bei dem Umtausche gegen Silber noch vor wenigen Monaten ein Drittheil ihres Nominalwerthes und die Staatspapiere noch mehr – noch vor Kurzem die Hälfte – verlieren; daß der Staat mit einem jährlichen Ausfalle von 40 bis 80 Millionen zu kämpfen hat und daß das Vertrauen immer tiefer sinkt. Und doch was sind diese wenig tröstlichen Zustände der Gegenwart gegen jene der damaligen Periode! Langjährige und unglückliche Kriege hatten die Kräfte des Staates tief erschüttert, die allgemeine Sicherheit und das Vertrauen zerstört; die großen Anstrengungen, und die Vernichtungen von Eigenthum hatten Handel und Verkehr, ländliche Production und Industrie gelähmt und eingeschüchtert; dem Vertrauen fehlte jeder Impuls und jede Grundlage, auf welche es sich mit einiger Aussicht stützen konnte. 700 Millionen Papiergeld, welche bis zu einem Viertheile ihres Nennwerthes gesunken waren, lasteten ohne allen Fond zur Realisirung auf dem Staate, die Silbermünze war gänzlich aus dem Verkehre geschwunden und zum Schaustücke geworden. Und schon in wenigen Jahren wendete sich das Blatt, das Papiergeld des Staates wurde ohne Gewaltstreich eingezogen, Silber in den Verkehr zurückgeführt, durch die Gründung der Nationalbank das großartigste Credit-Institut des Festlandes geschaffen, das Gleichgewicht zwischen den Einnahmen und Ausgaben des Staates hergestellt und ohne Steuerdruck die progressive Zunahme der Zuflüsse herbeigeführt. Das einfache Mittel [299] zur Erreichung dieser Ergebnisse bestand darin, das Vertrauen des In- und Auslandes zu beleben und die Zufriedenheit der Bevölkerung herzustellen. Da war es denn Baron Lederer, der Redlichkeit, Gewissenhaftigkeit, Ordnungssinn und strenge Überwachung der Gebarung mit den Staatsgeldern als Grundlagen des Staatshaushaltes betrachtend, entschieden an dem Grundsatze hielt, daß die gewissenhafte Zuhaltung aller Verpflichtungen des Staates, thunlichste Schonung der Kräfte des Steuerpflichtigen und ein strenges Controlsystem über alle Zweige des Staatsaufwandes die richtigen Mittel seien, um Vertrauen, Wohlstand und Zufriedenheit zu begründen. Bei den organisatorischen Arbeiten, welche die Verschmelzung und Einrichtung der der Monarchie durch die damaligen Friedensschlüsse zugefallenen Provinzen bezweckten, hatte L. einen bevorzugten Antheil. Den hie und da laut gewordenen Zweifeln, ob diese Einrichtungen allen Erfordernissen eines einheitlichen organischen Baues entsprachen, steht die Thatsache gegenüber, daß sie mehr als eine ganze Generation überdauert, daß innerhalb dieser Periode Ruhe, Ordnung, Sicherheit und Aufschwung in der Cultur und im Wohlstande unverkennbare Fortschritte in den betheiligten Ländern gemacht haben; daß endlich jeder politische Organismus nichts Starres, sondern ein Lebendes sei, und als solches einer fortgesetzten Entwicklung und Ausbildung bedarf, um nicht gegen die Bedürfnisse und Strömungen der Zeit zurückzubleiben. Als Mitglied des Staatsrathes und vertrauter Rathgeber zweier Monarchen, hatte L. ein Wort mitgeredet bei allen Verhandlungen, welche in der ersten Hälfte des laufenden Jahrhunderts die Aufmerksamkeit der Regierung für die Verbesserung der Communication, für die Hebung des Feldbaues, für die Belebung des Handels, für die Erleichterung der auf dem Grundbesitz ruhenden Lasten, für die Beseitigung der Gebrechen in der bestehenden Besteuerung, für die ausgedehntere Befriedigung der Bedürfnisse des Unterrichtes, für die Erzielung eines innigeren Verbandes der Monarchie mit den ungarischen Kronländern und für die verschiedenartigen Aufgaben der Gesetzgebung und Verwaltung, welche in einem so großen Staate fortwährend zu lösen sind, so vielfältig beschäftigt haben. Die letzte Stelle, welche L. übernahm, war jene eines Gouverneurs der österreichischen Nationalbank. Die vollständige Unabhängigkeit und Selbstständigkeit der Nationalbank innerhalb der Grenzen ihrer Statuten war nach seiner Ueberzeugung die Grundlage ihres Credits; als diese Ansicht nicht mehr volle Geltung fand, brachte er seiner lang genährten Ueberzeugung seine Stellung zum Opfer und trat aus seinem Wirkungskreise. Eine Geschichte der Nationalbank, von ihrem Entstehen bis zu ihrer Entwicklung in der neueren Zeit, war so zu sagen der Nachlaß für die ihm liebgewordene Anstalt und sollte ein Wegweiser für Alle sein, welche sich mit Credit-Instituten beschäftigen. Diese Arbeit erschien unter dem Titel: „Die privilegirte österreichische National-Bank“ (Wien 1847, gr. 8°.). L. wurde für seine Verdienste mit dem Commandeurkreuze des St. Stephan-Ordens und der 1. Classe des Ordens der eisernen Krone ausgezeichnet. Nachdem es ihm, sobald er sich von allen Geschäften zurückgezogen, gegönnt war, noch zwölf Jahre der vollen Muße zu leben, starb er im hohen Alter von 88 Jahren. Der aus seiner Ehe stammende einzige Sohn Karl August [s. d. S. 296, Nr. 5] [300] erwarb der Familie die Vereinigung des Familiennamens Lederer mit jenem der Ritter von Trattnern.

Ost-Deutsche Post (Wiener Blatt, Fol.) 1860, Nr. 242: Nekrolog.