BLKÖ:Hauschild, Ernst Innocenz

Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Band: 8 (1862), ab Seite: 75. (Quelle)
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Hauschild, Ernst Innocenz (Schulmann, Director sämmtlicher evangelischen Schulen in Brünn). Zeitgenoß. H. vollendete seine Gymnasialstudien in Sachsen, welches wahrscheinlich auch sein Vaterland ist, seine Universitätsstudien in Leipzig und München. Insbesondere waren es Philologie und Erziehungskunde, auf welche H. sein Augenmerk richtete, und Lehrer wie Beck, Gottfr. Hermann, Krug, Politz, Schelling, Schorn, Thiersch, Wendt waren wohl geeignet, den wissenschaftlichen Eifer, den Drang nach Kenntnissen des Jünglings zu befriedigen. Seit 1830 betrat H. den Pfad des praktischen Lehramtes, auf welchem er 1849 den Höhepunct erreichte durch Begründung eines Erziehungsinstitutes in Leipzig, welches auf Grundlage seiner reiflich gemachten Erfahrungen organisirt, bereits schöne Resultate geliefert hat und mit Recht die Aufmerksamkeit aller Denkenden, insbesondere aber der Pädagogen in Anspruch nimmt. Mit dieser Anstalt hat H. seinen Ruf in Deutschland, ja selbst im Auslande begründet; seit Jahren zogen anerkannte Schulmänner nach Leipzig, um sein Institut und sein System kennen zu lernen und zu studiren; selbst andere Regierungen haben es angezeigt gefunden, sich durch ihre Vertreter über Hauschild’s Erziehungssystem nähere Aufschlüsse ertheilen zu lassen, so z. B. Rußland durch seinen Consul in Leipzig Ernst Tom Have, Oesterreich durch seinen Geschäftsträger Generalkonsul Grüner. Im Jahre 1857 erhielt H. von der evangelischen Gemeinde in Brünn einen Ruf als Director der evangelischen Schule daselbst, welchen er auch, nachdem die landesfürstliche Bestätigung erfolgt war, annahm und seitdem in derselben jenes System durchführt, welches unten in den Quellen [76] näher dargestellt wird. Seine in Leipzig begründete Anstalt besteht aber nach seinem Plane, nur unter anderer Leitung, fort. Als pädagogischer Schriftsteller hat H. seit 1830 eine namhafte Reihe von Schriften über die Erziehung im Allgemeinen, über die Erlernungsmethode der deutschen, französischen und englischen Sprache, über die Anleitung zum Uebersetzen aus einer Sprache in die andere, viele Jugendschriften, vornehmlich in französischer Sprache u. m. a. herausgegeben, betreffs welcher auf das Kayser’sche Bücherlexikon verwiesen wird.

Neuigkeiten (Brünner polit. Blatt, Fol.) 1857, Nr. 55–61: „Dr. Ernst Innocenz Hauschild“. – Kayser (Christian Gottlob), Vollständiges Bücherlexikon (Leipzig 1835 u. f., Schuman, 4°.) Bd. III, S. 67; Bd. VII, S. 400; Bd. IX, S. 390; Bd. XI, S. 429; Bd. XIII, S. 404. – Kirchhoff (Albrecht), Bücher-Katalog (Leipzig 1856 u. f., 4°.) Bd. I, S. 138; Bd. II, S. 138. – Porträt. Lithogr. von Merseburger (Leipzig 1857, bei Rocca, gr. Fol.).
Hauschild’s Erziehungssystem. Dasselbe kann hier nur in den allgemeinsten Umrissen skizzirt werden. Während vor Hauschild die Volksschule, Realschule, Gelehrtenschule in Deutschland als gänzlich abgesonderte Bildungsanstalten angesehen wurden und unter verschiedenen Dächern, verschiedener Leitung und mit verschiedenartig vorbereiteten Lehrern besetzt zu sein pflegten, hat H. mittelst rationeller Gliederung die eigentliche Volksschule als Basis für jede höhere Ausbildung aufgestellt. Diese Volksschule wird von den Zöglingen bis zum 14. Lebensjahre besucht, und nachdem sie mit Erfolg absolvirt worden, theilt sie sich in drei höhere Zweige. Der eine ist das eigentliche Gymnasium für Jene, welche sich den gelehrten Schulen widmen wollen, der andere ist die Realschule für Jene, welche die modernen Wissenschaften studiren oder die Laufbahn des praktischen Geschäftslebens betreten wollen; die dritte endlich, als Ausbildungsschule für das weibliche Geschlecht, ist die höhere Töchterschule. Hauschild nannte seine Anstalt „Modernes Gesammtgymnasium“, weil in ihr sämmtliche Stufen der Geistesgymnastik, welche der junge Mensch durchzumachen hat, bevor er zu einer Facherlernung übergeht, hergestellt sind und der Studiosus der Universitäts-Facultäten nebst dem Polytechniker so gut wie der Comptoirist und der Gewerbslehrling ihre Vorbildung bekommen sollen. Demzufolge ist die Anstalt in 5 Abtheilungen geschieden. Die „Elementarschule“, für Kinder mit 6–8 Jahren berechnet, vollendet ihre Aufgabe in 2 Classen, jede mit einjährigem Cursus. Aus ihr rücken die Zöglinge in die „Deutsche Schule“ auf, welche ebenfalls 2 Classen mit je einjährigem Cursus hat, und die Kinder mit dem 10. Lebensjahre entläßt. Aus ihr rücken die Zöglinge in die „Englische Schule“ auf, welche in 4 Classen mit je halbjährigem Cursus getheilt ist. Hier beginnt das Erlernen fremder Sprachen und zwar wird mit der englischen der Anfang gemacht, aber ein energischer, indem in den 3 untersten Classen neun Stunden darauf verwendet, in der obersten außer den expressen Sprachstunden auch noch drei Rechnen- und drei Geschichts- und Geographiestunden in englischer Sprache ertheilt werden, so daß eigentlich 13 Stunden für die Sprache gewonnen sind. Dadurch erlernen die Zöglinge mit Geläufigkeit das gesammte Material an Kenntnissen englisch darlegen und können sich begreiflicher Weise auch über andere Dinge englisch auslassen. In der folgenden Abtheilung, der „französischen Schule“, fällt das Hauptgewicht auf die Erlernung der französischen Sprache. In 4 Classen mit je halbjährigem Cursus abgetheilt, wird in den 2 unteren durch 6, in den 2 oberen durch 5 Stunden die Sprache gelehrt und geübt; diese ist ferner in der zweiten Classe Unterrichtssprache für 2 Rechnenstunden, 2 Geometrie- und 2 Geschichts- und Geographiestunden; in der 4. Classe aber wird noch das Englische als theilweise Unterrichtssprache aus den oberen Classen der englischen Schule beibehalten. Ueber dieser französischen Schule, in der die Knaben mit dem 13. und 14. Lebensjahre am Aus- und Abgange stehen und aus der auch immer eine Anzahl gänzlich von der Anstalt scheidet, indem sie zu ihrem weiteren Fortkommen genug hat, oder wegen nothwendiger Verhältnisse sich genügen lassen muß, – über dieser französischen Schule erhebt sich nun als fünfte und letzte Abtheilung der Oberbau, mit dem die ganze Anstalt abschließt. Der Oberbau zerfällt in zwei Zweige, der eine bildet das „Realgymnasium“, [77] der andere die „gelehrte Schule“. Das erste ist für Jünglinge berechnet, die in eine Fachschule, auf ein Comptoir, zur Erlernung eines Gewerbes, in eine Dienstlehre übergehen wollen, und vollendet seine Aufgabe in einer Classe mit einjährigem Cursus, so daß der junge Mensch, wenn er von unten auf im richtigen Gange aufwärts geschritten ist, mit dem 15. oder 16. Lebensjahre die Schule hinter sich hat. Das „gelehrte Gymnasium“ braucht begreiflich mehr Zeit, das Vierfache, und enthält 4 Classen mit je einjährigem Cursus. In der untersten dieser Classen tritt von den alten Sprachen, diesem hier neuen Elemente, die römische allein auf und zwar gleich mit 10 Stunden; zu ihr gesellt sich in der folgenden Classe die griechische mit 4 Stunden, welche in den zwei folgenden Classen 7 Stunden in Anspruch nimmt, während die römische als schon tüchtig eingeübt, auf 6 zurücktritt. Für Jene, welche wollen, kommt noch das Hebräische als Vorbereitung zum theologischen Studium hinzu. Das Römische und Griechische wird seiner Zeit als Unterrichtssprache benützt und das früher massenhaft getriebene, und darum festsitzende Englisch und Französisch wird nur in den Stunden über Literaturgeschichte fortgeübt. Dieß ist in den allgemeinsten Umrissen der Plan des „modernen Gesammtgymnasiums“, welcher schon deßhalb beherzigenswerth ist, weil er ein Element in den Vordergrund stellt, welches in der Gegenwart von höchster Bedeutung ist, die Sprachkenntniß; dann aber, weil er die praktische für’s Leben nöthige Ausbildung voranstellt, ohne jedoch die classische Bildung, zu welcher man hier auf richtigerem Wege gelangt, als nach dem bisherigen Plane, zu vernachlässigen.