Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Bossi, Joseph II.
Band: 2 (1857), ab Seite: 85. (Quelle)
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Bossi, Joseph I. (Industrieller, geb. im Busto Arsizio bei Mailand 3. Nov. 1811). Besuchte die lateinischen Schulen in Mailand und sollte nach deren Vollendung Theologie studiren, trat aber aus besonderer Vorliebe für Handel und Industrie in ein Handlungshaus und kam bereits 1833 nach Wien. Daselbst war er für Hebung des Geschmackes in gedruckten Stoffen thätig; unternahm Reisen [86] nach Frankreich und England und errichtete schon 1838 eine Weberei in Nußdorf und 1844 eine Druckereifabrik in Hacking, beide nächst Wien. Nach kaum halbjährigem Bestande der letztern Fabrik erhielt B. 1845 bei der österr. Centralausstellung in Wien die silberne Gewerbsmedaille und steigerte nach und nach die Vervollkommnung seines Industriezweiges so, daß ihm auf den Ausstellungen von Leipzig, München, London, Newyork und Paris Ehrenpreise zuerkannt wurden. In seiner Fabrik werden nur edlere Waaren: Longshawls, viereckige Shawltücher, Schärpen, Kleiderstoffe aus Seide, Seidengaze und Schafwolle gedruckt. Auf der Pariser Ausstellung erregten B.’s Fabrikate durch die Originalität und den Geschmack ihrer Zeichnung große Aufmerksamkeit, und namentlich fand die täuschende Imitation der Weberei von brochirten Stoffen den Beifall der Kenner. In neuester Zeit lenkte B. die Aufmerksamkeit der industriellen Welt durch die Erfindung einer Maschine auf sich, welche auf dem von ihm und seinen Collegen gepflegten Gebiete der Industrie – in der Stoffdruckerei – eine förmliche Revolution hervorbringen muß. Das Drucken feinerer, edlerer Waare, wie Shawls u. dgl. geschah bisher überall mit der Hand durch Platten, deren Zahl je nach dem Reichthume des Musters und der Menge der Farben verschieden ist. Wollte nach der eben beschriebenen Methode ein Fabrikant täglich 200 Shawls herstellen, so bedurfte er dazu 100 geschickte Arbeiter, 100 Kinder und einen Flächenraum von 300 Quadratmetres. Dabei konnte man auf 200 Shawls immer 20 Percent unvollkommene Waare rechnen. Mit B.’s Maschine ist erstens jeder Arbeiter, der auch nicht die geringste Kenntniß von der Fabrikation hat, zu arbeiten im Stande. Ferner druckt B.’s Maschine an einem Arbeitstage, also in zehn Stunden 30 Shawls in zwölf, über 100 in vier Farben, wozu nicht mehr als ein Arbeiter und ein Kind, und ein Flächenraum von vier Quadratmetres nöthig sind. Ein guter Arbeiter erhielt früher einen Taglohn von 1 fl. 20 kr. und konnte, wenn er geschickt und fleißig war, höchstens zwei Shawls im Tage drucken. Jetzt bei einem Shawl von zwölf Farben kommt der Arbeitslohn pr. Stück auf 21/2 kr., während er früher 40 kr. betrug. Bereits stehen dreißig Maschinen in der Fabrik zu Hacking aufgestellt und B.’s Erfindung hat solche Sensation in der industriellen Welt gemacht, daß die Fabrikanten von Glasgow und Mühlhausen große Bestellungen bei B. gemacht. B. hat seine Erfindung sowohl in Bezug auf das System derselben als in Bezug auf die Details der Maschine durch ausschließliche Privilegien in England und Frankreich gesichert. Die Erfindung B.’s ist in der industriellen Welt so bedeutend befunden worden, daß Frankreich das Brevet um eine hohe Summe erkaufte, England und Rußland sich darum bewerben. Besitzt Bossi schon nach dieser Richtung hin Verdienste um die österreichische Industrie, so verdienen nicht minder die Erweiterung und Richtung bemerkt zu werden, welche er der Industrie Oesterreichs in dem von ihm ausgeübten Industriezweige gibt. Die Hälfte der bedeutenden jährlichen Gesammtproduction dieses Hauses ist für den überseeischen Transport, namentlich südamerikanische Häfen, nach Lima, Buenos-Ayres, Valparaiso bestimmt; auch war es ursprünglich B., welcher zur Ausfuhr einheimischer Waaren der genannten Kategorie den ersten Impuls gab, und sind die vorzüglichsten Repräsentanten dieses eleganten Druckfaches, die seither in Oesterreich auftraten und sich darin einen Namen erworben haben, größtentheils in seinem [87] Etablissement gebildet worden. Seit December 1856 bekleidet B. die Stelle eines Consuls für Buenos-Ayres in Oesterreich.

„Presse“ [ein Wiener Blatt] 1855, Nr. vom 12. Juli: „Die östr. Industrie auf der Pariser Weltausstellung.“ – Frankfurter Conversationsblatt 1856, Nr. 182, S. 728.